Finanzierung der Ampel-Pläne: Geldbeschaffung einfach auslagern
Investitionen trotz Schuldenbremse, ohne Steuererhöhungen? Das Sondierungspapier der Ampel zeigt Ansätze, wie das gehen kann.
Gleichzeitig sprechen die Grünen Robert Habeck und Annalena Baerbock aber von „Gesellschaften“ zur Finanzierung der nötigen Investitionen. Rund 50 Milliarden Euro wären jährlich notwendig, um Deutschland klimaneutral zu machen, sagte Habeck am Dienstag.
Welche Möglichkeiten hätte eine Ampelregierung, um zusätzliche Mittel zu beschaffen – und wie funktionieren die?
Investitionsgesellschaften
Das sind Firmen, oft GmbHs, die dem Bund gehören, unter seiner Kontrolle stehen oder in seinem Auftrag handeln. Finanzpolitisch ist das Schöne an ihnen: Wegen ihrer privatrechtlichen Konstruktion fällt die Kreditaufnahme solcher Gesellschaften nicht unter die Schuldenbremse im Grundgesetz, die die roten Zahlen der Bundesregierung begrenzt. Ökonomieprofessor Jens Südekum (Uni Düsseldorf), der unter anderem die Grünen berät, kommentierte bereits: „Die Ampel wird, wo immer möglich, öffentliche Investitionen in Zweckgesellschaften auslagern, die neben der Schuldenbremse operieren.“
Ein Beispiel für ein solches Beiboot der Regierung ist die Mobilfunkinfrastrukturgesellschaft (MIG). Diese soll sich darum kümmern, die Funklöcher in den Handynetzen zu schließen, die private Netzbetreiber wie Deutsche Telekom oder O2 offenlassen. Grundsätzlich könnte die MIG Milliarden Euro aufnehmen, um sie in schnellere Datennetze zu investieren. Oder die bundeseigene NOW GmbH, die unter anderem eine „Nationale Leitstelle Ladeinfrastruktur“ betreibt. Wenn die Regierung es will, kann diese in den bundesweiten Ausbau der Ladesäulen für Elektroautos investieren.
Denkbar erscheint auch, dass die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BIMA) nicht nur Grundstücke verwaltet, sondern die klimafreundliche Sanierung der öffentlichen Gebäude vorantreibt oder gar Wohnungen baut. Den Aufgaben solcher Ableger sind kaum Grenzen gesetzt. In ihrem 12-Seiten-Papier zum Ergebnis der Sondierung erwägen SPD, Grüne und FDP etwa eine neue „Stiftung oder Gesellschaft, die den Rückbau der Kohleverstromung und die Renaturierung organisiert“.
Deutsche Bahn
Auch diese Aktiengesellschaft, die dem Bund gehört, darf Schulden machen. Das tut sie heute bereits. Gegenwärtig ist ihre Kreditaufnahme auf rund 30 Milliarden Euro begrenzt. Wenn der politische Wille besteht, kann diese Summe aber steigen – Geld, das sich nicht unmittelbar der Staat leihen muss, sondern der Konzern. Der Investitionsbedarf von über 100 Milliarden Euro für bessere Verbindungen, neue Züge und digitalisierte Technik ließe sich so bewältigen – außerhalb der Schuldenbremse.
KfW
Die staatliche Förderbank KfW (früher Kreditanstalt für Wiederaufbau) vergibt heute beispielsweise verbilligte Kredite an Hausbesitzende, die klimafreundliche Heizungen einbauen wollen. Denkbar wäre es, sogenannte Tilgungszuschüsse auszuweiten. Das heißt, die Privatinvestoren bekommen einen Teil der Investitionssumme geschenkt. Auf diese Art kann der Staat private Aktivitäten anreizen und unterstützen, ohne das Geld aus dem Haushalt aufzubringen. So ist im Sondierungspapier die Rede davon, die KfW zu einer „Innovations- und Investitionsagentur“ auszubauen.
Verschuldung im Bundeshaushalt
Doch auch selbst verfügt die Bundesregierung über einen gewissen zusätzlichen finanziellen Spielraum. So erlaubt die Schuldenbremse im Grundgesetz eine jährliche Kreditaufnahme von 0,35 Prozent der Wirtschaftsleistung, was augenblicklich auf rund zehn Milliarden Euro hinausläuft. Außerdem hat die alte Regierung die Bremse für 2022 bereits ausgesetzt, wegen Corona. Der Budgetentwurf aus dem Haus des jetzigen Finanzministers und möglichen Kanzlers Olaf Scholz enthält neue Kredite von knapp 100 Milliarden Euro. Warum nicht 200 oder 300 Milliarden?
Ökonom Südekum prognostiziert: „Im Jahr 2022 füllt die Ampel eine große Rücklage, die in den Folgejahren abgeschmolzen wird.“ Fraglich erscheint allerdings, ob die FDP das mitträgt. Falls ja, reicht die Unionsfraktion im Bundestag vielleicht eine Organklage beim Bundesverfassungsgericht ein. Das Argument: Schuldenfinanzierte Rücklagen sind verboten. Bis das Gericht entschieden hat, könnte ein Teil des Geldes jedoch bereits ausgegeben sein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen