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FES-MenschenrechtspreisMoralische Identitätsstörung

Christian Jakob

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Christian Jakob

Die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) verleiht ihren Menschenrechtspreis an eine weltweite Allianz gegen die Internierung von Mi­gran­t:in­nen und Geflüchteten.

Bundesinnenminister Dobrindt setzt auf Return Hubs und Dauer-Abschiebehaft Foto: Kay Nietfeld/dpa

A m Montag verleiht die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) ihren Menschenrechtspreis an die International Detention Coalition, eine weltweite Allianz gegen die Internierung von Mi­gran­t:in­nen und Geflüchteten. Denn ob im Transit, bei Einreise, während eines Asylverfahrens, vor einer Abschiebung oder um eine freiwillige Ausreise zu erzwingen – Unerwünschte werden in mehr und mehr Ländern immer schneller und länger eingesperrt.

„Freiheitsentzug ist immer ein schwerer Eingriff in die Grundrechte und besonders belastend für Menschen mit Gewalterfahrungen“, schreibt die FES zur Preisverleihung. Die zunehmende Internierung mache Grenzen heute zu „Orten der Entwürdigung“. Der Titel der Festveranstaltung lautet „Kinder hinter Gittern“, es sprechen unter anderem SPD-Politikerinnen Saskia Esken und Reem Alabali Radovan.

All das wirkt, als leide die Partei unter moralischen Identitätsstörung. Esken war zu Ampel-Zeiten Parteivorsitzende, Alabali Radovan Migrationsbeauftragte. Die SPD stellte mit Nancy Faeser die Innenministerin. In dieser Zeit war Deutschland treibende Kraft beim Ausbau EU-Asylsystems GEAS, das die massenhafte Internierung Ankommender – auch von Kindern – in Lagern für „Schnellverfahren“ an den Außengrenzen vorsieht.

Gleichzeitig trieb Deutschland auf EU-Ebene den Aufbau sogenannter „Return Hubs“ in Drittstaaten voran. Dabei handelt es sich um Internierungslager, in die Menschen aus der EU gebracht werden, die man nicht in ihr Herkunftsland abschieben kann. Dort sollen sie auf unbegrenzte Zeit bleiben, bis sich irgendeine Lösung findet.

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Heute hat sich Schwarz-Rot die „Migrationswende“ zum Ziel gesetzt, treibende Kraft ist nun CSU-Innenminister Alexander Dobrindt. Auf einem „Migrationsgipfel“ kündigte er jüngst an, die EU-rechtlichen Hürden für die „Return Hubs“ abräumen zu wollen. Gleichzeitig will er bisherige Zeitlimits für Abschiebehaft streichen. Für bestimmte Gruppen soll eine zeitlich unbegrenzte Abschiebehaft möglich sein. Wenn die Festreden der SPD wieder mit ihrer Politik übereinstimmen sollen, müsste sie Dobrindt stoppen.

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Christian Jakob
Reportage & Recherche
Seit 2006 bei der taz, zuerst bei der taz Nord in Bremen, seit 2014 im Ressort Reportage und Recherche. Im Ch. Links Verlag erschien von ihm im September 2023 "Endzeit. Die neue Angst vor dem Untergang und der Kampf um unsere Zukunft". 2022 und 2019 gab er den Atlas der Migration der Rosa-Luxemburg-Stiftung mit heraus. Zuvor schrieb er "Die Bleibenden", eine Geschichte der Flüchtlingsbewegung, "Diktatoren als Türsteher" (mit Simone Schlindwein) und "Angriff auf Europa" (mit M. Gürgen, P. Hecht. S. am Orde und N. Horaczek); alle erschienen im Ch. Links Verlag. Seit 2018 ist er Autor des Atlas der Zivilgesellschaft von Brot für die Welt. 2020/'21 war er als Stipendiat am Max Planck Institut für Völkerrecht in Heidelberg. Auf Bluesky: chrjkb.bsky.social
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