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FDP-Politiker über die Impfpflicht ab 50„Endlich mal vor die Welle kommen“

Der FPD-Politiker Andrew Ullmann bereitet einen Gruppenantrag für eine Impfpflicht ab 50 Jahren vor. Wie könnte die Umsetzung aussehen?

Kleiner Pieks, große Kontroverse: Kein Fraktionszwang bei der Abstimmung über Impfpflicht Foto: dpa
Jasmin Kalarickal
Interview von Jasmin Kalarickal

taz: Herr Ullmann, Sie bereiten gerade einen Gesetzentwurf vor, der eine altersbezogene Impfpflicht ab 50 Jahren beinhaltet. Können Sie etwas mehr verraten?

Andrew Ullmann: Der Antrag ist noch nicht fertig, aber einige Eckpunkte kann ich nennen. Wir planen ein Stufenmodell. Zuallererst soll eine professionelle Aufklärung durch ein verpflichtendes Arztgespräch stattfinden. Leider werden in dieser Pandemie viele Fake News verbreitet – wir müssen aktiv dagegen vorgehen. Wenn durch diese Aufklärungskampagne die Impfquote nicht besser geworden oder wenn die gesundheitliche Versorgung gefährdet ist, sollte eine Impfpflicht für Risikogruppen, zum Beispiel ab 50 Jahren, greifen.

Im Interview: Andrew John Ullmann

59, sitzt seit 2017 im Bundestag für die FDP. Er ist Universitätsprofessor für Infektiologie und Facharzt unter anderem für Innere Medizin.

Wie lange soll denn die Aufklärungsphase dauern?

Es gibt noch keine konkreten Berechnungen, aber es könnte durchaus bis zum Hochsommer dauern. Idealerweise würden Ärzte in den Impfzentren die Aufklärungsgespräche führen und gegebenenfalls gleich die Impfung durchführen.

Falls eine Impfpflicht erforderlich wäre, wäre diese überhaupt noch vor dem Herbst umsetzbar?

Die Impfkampagne müsste bis zum Herbst abgeschlossen sein. Es ist das Ziel, endlich mal vor die Welle zu kommen und nicht mehr hinterherzuhecheln. Ich habe selbst erleben müssen, wie im Freundeskreis Eltern verstorben sind und es nicht möglich war, sich richtig zu verabschieden. Diese traurigen Geschichten dürfen sich nicht wiederholen – das ist die Verantwortung der Politik.

Warum sind Sie gegen eine allgemeine Impfpflicht?

Ich habe im Wahlkampf explizit gesagt, dass ich kein Freund der Impfpflicht bin, ich bin es auch nach wie vor nicht. Aber wenn die Freiheitsbilanz unausgeglichen ist zwischen denen, die sich verantwortlich zeigen und sich impfen lassen, und denen, die ihre Freiheit hochhalten, aber die Freiheit der anderen gefährden, indem sie die Krankenhausversorgung bedrohen, dann ist ein Eingriff in die körperliche Integrität durchaus gerechtfertigt – zumal die Nebenwirkungen der Impfung übersichtlich sind.

Wäre das nicht ein Argument für die allgemeine Impfpflicht?

Wir müssen bei allem die Verhältnismäßigkeit bewahren. Die Impfpflicht ist ein scharfes Schwert. Ich habe selbst als Arzt viele Behandlungen in der Krebsmedizin durchgeführt. Wenn es um eine Chemotherapie ging, dann habe ich über mögliche Nebenwirkungen und Erfolgsaussichten aufgeklärt. Aber ich habe die Entscheidung meiner Patienten immer respektiert, das ist für mich ein hohes Gut. Und das Gleiche gilt für mich auch in der Impfpflichtdebatte. Wir müssen vor allem aufklären und überzeugen.

Warum halten Sie dann eine Impfpflicht ab 50 Jahren für gerechtfertigt?

Die nicht vorerkrankten Unter-50-Jährigen belasten die Krankenhausinfrastruktur nur minimal. Das ist der Stand der Wissenschaft heute, das geht aus Intensivregister-Daten hervor. Bei jeder neuen Variante kann sich natürlich die Lage verändern, deswegen arbeiten wir im Antrag auch an einer Möglichkeit der Nachjustierung, damit wir abhängig vom Verlauf der Pandemie reagieren können.

Es gibt gesunde 50-Jährige und vorerkrankte 40-Jährige. Ist diese Altersfestlegung nicht eine Form der Altersdiskriminierung?

Wenn man eine Impfpflicht ab 18 vorschlägt, wäre das dann auch eine Altersdiskriminierung? Denn medizinisch betrachtet macht es keinen großen Unterschied beim Impfen, ob jemand 17, 19 oder 20 Jahre alt ist. Das sehe ich viel skeptischer. Ich argumentiere deshalb evidenzbasiert. Die Daten zeigen, dass auf der Intensivstation die Inzidenz von Ungeimpften ab 50 ansteigt.

Könnte man sagen: Die allgemeine Pflicht soll die Impfquote so erhöhen, dass man in eine endemische Lage kommt. Das Ziel bei einer altersbezogenen Impfpflicht ist, eine Überlastung der Krankenhäuser zu verhindern?

Um eine verfassungskonforme Impfpflicht durchzusetzen, muss ein klares Ziel definiert und gut begründet werden. In dem Moment, in dem wir sagen, das Krankenhaussystem wird überlastet durch eine Altersgruppe, die nicht geimpft ist, dann ist das verhältnismäßig. Auch wenn ich den Wunsch nach einer höheren Impfquote teile, dieses Ziel lässt sich nicht so gut begründen und ist unverhältnismäßig.

Bei Masern geht es doch auch.

Bei Covid-19 ist es leider komplizierter – bei Masern haben wir nach zwei Impfungen meist eine sehr lang bestehende Immunität. Wir können Covid-19 aber nicht ausrotten, weil der Impfschutz nicht solange währt. Wir können mit den Impfungen nur das Krankheitsrisiko minimieren.

Angenommen es käme zu einer Impfpflicht -wie oft müssten Menschen sich impfen lassen? Einmal, zweimal, dreimal?

Nach meinem medizinischen Verständnis ist im Augenblick ein vollständiger Impfschutz erst nach drei Impfungen gegeben. Die Frage ist für mich aufgrund der Dynamik der derzeitigen Entwicklung allerdings noch offen.

Aber die Frage müsste doch geregelt werden.

Das stimmt. Das hat auch die Vorsitzende des Ethikrats, die von mir sehr geschätzte Alena Buyx noch einmal betont. Wir können eine partielle stufenweise Impfpflicht nur mit klaren und verständlichen Vorgaben einführen.

Was soll passieren, wenn man sich nicht impfen lassen will?

Die Polizei wird nicht mit der Spritze in der Hand die Menschen impfen, das ist klar, aber es ist mindestens eine Ordnungswidrigkeit. Bei der Masernimpfpflicht gibt es auch Bußgelder, aber diesen Punkt müssen wir noch genauer diskutieren. Ich möchte auch Strafrechtler nach einer Einschätzung fragen.

Es gibt einen weiteren Antrag um Ihren Parteikollegen Wolfgang Kubicki, der eine Impfpflicht generell ablehnt. Haben Sie diese Option auch in Betracht gezogen?

Nein. Dieser Antrag wurde öffentlich gemacht zu dem Zeitpunkt, wo wir in Bayern, Sachsen und Thüringen die Verlegung von Patienten erleben mussten. Wir müssen als Politiker Lösungen anbieten. Einfach nur zu sagen, wir erhalten den Status quo und die Verweigerer können weiter verweigern, das ist keine Lösung. Wir müssen dafür sorgen, dass die Krankenhäuser auch Schlaganfälle, Herzinfarkte oder Verkehrsunfälle behandeln können.

Wie viele Abgeordnete unterstützen Ihren Antrag bislang?

Es ist nicht mein Antrag. Mehrere FDP-Abgeordnete arbeiten daran, ich wurde in der Presse nur als Erster dazu befragt. Danach haben sich aber nicht nur Kolleginnen und Kollegen aus meiner eigenen Fraktion gemeldet, sondern auch von SPD und Grünen, die Interesse hatten, den Antrag weiterzuentwickeln. Auch von der Union wurde ich angesprochen. Wir planen jetzt ein erstes Gruppenmeeting.

Und wie viele sind nun dabei?

Ich möchte nicht die Diskussion aufkommen lassen, wer mehr und wer weniger Unterstützer hat. Der Antrag von Wolfgang Kubicki ist relativ schnell geschrieben worden, weil es darum geht, den Status quo zu erhalten. Unser Antrag ist komplexer und wird viele Sichtweisen einbinden. Er soll schließlich eine breite gesellschaftliche Unter­stützung finden. Unser Antrag hat viele Sympathisanten, aber noch keine erklärten Unterzeichner, weil wir im Prozess noch nicht so weit sind.

Glauben Sie denn, dass der Antrag mehrheitsfähig ist?

Ja. Ich bin ein unverbesserlicher Optimist.

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9 Kommentare

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  • Diese Herum-Eierrei, die besonders von Kubicki betrieben wird, macht die FDP zur derzeit die am stärksten Gesundheit und Demokratie gefährdenden Partei. Sie verhindert die notwendigen Massnahmen in Bezug auf die Gefährdund durch die Pandemie, aber genauso die Debatte darum, wie wir (auch!) durch Einschränkungen -nennen wir es gern auch Not-Verbote für diejenigen, die nicht mitziehen wollen das Schlimmste angesichts der Klimakatastrophe überhaupt noch abwenden können. Es ist ein Trauerspiel, eine Regierung zu haben, die glaubt, ohne diese Typen nicht auskommen zu können. Das schwächt noch zusätzlich, danke Robert !

  • 4G
    49197 (Profil gelöscht)

    Persönliche Erlebnisse machen Herrn Ullmann in seiner Meinungsbildung nicht unbefangener. Meine persönlichen Erlebnisse schwerer Nebenwirkungen im Freundes- und Bekanntenkreis sehen anders aus. Also möge Herr Ullmann diese respektieren und von seinem Antrag auf eine zufällig zusammengebastelte Impflicht absehen, zumal Omikron sich sowieso nur rasent schnell im Rachenbereich reproduziert, das heißt

    1. ungefährlicher ist und



    2. die Impfung höchstwahrscheinlich gar nicht eine Übertragung verhindert.

    Mit der Altersdiskreminierung hat Frau Kalarickal genau den Schwachpunkt einer allgemeinen Impflicht für eine unbegründet zusammengesetzte Gruppe angesprochen.



    Herr Ullman weicht der Frage mit Banalitäten aus. Mehr Sinn macht eine Gruppierung anhand des BMI und/oder der Abhängigkeit von Immunsupressiva. Schon lange ist bekannt, dass schwere Verläufe mit schwachen B-Gedächniszellen zusammenhängen, nur ist die individuelle Erfassung Gefährdeter mangels Daten nicht möglich. Statt eines Alterclusters ließen sich auch - politisch weitsichtiger - alle Autofahrer als beliebige Gefährdergruppe eingrenzen. Autofahrer sind grundsätzlich mobiler und stellen somit ein höheres Gefährdungsrisiko für andere dar. Ähnlich plausibel wie bei der Altersgruppierung wäre die leichte Erfassbarkeit der Halter von Kfz. Vielleicht sollte man alle impfen, die eine schwere Covid-19-Erkrankung hinter sich haben. Dort stößt Herr Ullmann sicher auf Verständnis.

    • @49197 (Profil gelöscht):

      Weil SIE keine Ungeimpften über 50 kennen, könnte das auch allgemein so sein? Ein knallharter Fakt fürwahr.



      Impfstatistiken sind jederzeit im Internet abrufbar, mit der Möglichkeit zu gucken, welche Altersgruppe wann wie wo geimpft wurde. Spekulationen sind gar nicht notwendig.



      Punkt 3 ist völliger Unsinn. Auf der Seite des Paul-Ehrlich-Instituts gibt es die entsprechenden Statistiken.

    • @49197 (Profil gelöscht):

      "2. die Impfung höchstwahrscheinlich gar nicht eine Übertragung verhindert."

      PS: das hat nie jemand behauptet. Manchmal ist das bei Impfungen so, dann ist das ein wünschenswerter Effekt, aber generell macht die Impfung zweierlei: Sie schützt vor schwerer Erkrankung und natürlich reduziert sie auch die Virenlast.

      Das eine Mutation wie die Omikron Variante, die viel ansteckender ist, die Reduzierung der Virenlast halt wieder aufhebt in der Wirkung, tja, das ist halt so.

    • @49197 (Profil gelöscht):

      "schwerer Nebenwirkungen"

      Herzbeutelentzündung, Nervenschäden... bitte lassen Sie uns teilhaben.

      PS: Fieber übers Wochenende ist KEINE schwere Nebenwirkung, sondern eine erwünschte Impfreaktion.

      schwere Nebenwirkungen sind so selten, die Wahrscheinlichkeit das Sie jemand kennen der eine durch die Impfung erlitten hat (also bestätigt durch die Wissenschaft - eine reine zeitliche Ko­in­zi­denz ist dabei kein Nachweis!) ist faktisch Null.

  • Also schauen wir uns mal die Fakten an:



    1.) eine allg. Impflicht für jeden wo die Stiko es empfiehlt wäre wesentlich unbürokratischer



    2.) Ich kenne keine Ungeimpften über 50. Darunter einige. Sollte das allgemein so sein, wäre eine Impfpflicht >50 vollkommen nutzlos (oder ist gerade das gewollt?)



    3.) die bei uns verwendeten mRNA Impfstoffe haben weniger reale Nebenwirkungen als so ziemlich jeder andere Impfstoff zuvor. Weniger als Aspirin, Thomapyrin,... und das Zeug werfen sich einige ein wie TicTac. Die Wahrscheinlichkeit von einem Lottogewinn zu erfahren ohne das man spielt, während einen der Blitz beim defäkieren trifft, ist höher als Probleme wegen der Impfung zu bekommen.

    Ich kann diese ideologisch geführten "Diskussionen" der Politiker geistig echt nicht mehr verstehen. Statt sinnvoll und schnell zu handeln kaut man wochenlang kompletten Schwachsinn durch und verkauft das als Demokratie.

  • Es mag vielen TAZ-Lesern nicht gefallen, aber er argumentiert vernünftig und nachvollziehbar. Die Verhältnismäßigkeit bei der Impfpflicht ist der Dreh- und Angelpunkt und bei jungen Menschen erkennbar nicht gegeben. Wenn eine Impfpflicht, dann ab 50+.

    • @Nachtsonne:

      Ich denke die Verhältnsimäßigkeitsprüfung ist relativ kompliziert und ist sicherlich neben der Planung der praktischen Umsetzung der umfangreichste Teil der Vorbereitung einer Impflicht.



      Auch eine Impflicht nur für 50+ kann eine Ungleichbehandlung darstellen, die sachlich begründet werden muss und weitere Grundrechte tangiert.



      Ich denke man sollte möglichst schnell beginnen eine Gesetzesvorlage zu erarbeiten und keine Zeit verlieren.

  • Gilt die Impfpflicht auch dann, wenn die Bundesregierung nicht genug Impfstoffe geordert hat, die die bedingt Impfunwilligen zu nehmen bereit wären, oder wenn es mal wieder eine neue Variante gibt, aber die Hersteller keine Lust haben, eine Varianten-spezifische Impfung zu entwickeln (mit der könnte ja das Geschäft gefährdet werden, vgl. fehlende Delta-Anpassung). Mit Lauterbach kommt das hoffentlich nicht so oft vor wie mit Spahn...