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Experte über Wärmepumpen„Innovationen entstehen unter Druck“

Meistens sind Wärmepumpen die beste Lösung, sagt der Energieexperte Norman Gerhardt. Ein Markt für gebrauchte Heizkessel könnte entstehen.

Die Wärmepumpentechnologie hat viele Facetten, hier Lüftungsanlage vor einem Wohnhaus in Rottweil Foto: Silas Stein/dpa
Heike Holdinghausen
Interview von Heike Holdinghausen

taz: Herr Gerhardt, ist die Wärmepumpe das Mittel zur Wahl für Klimaschutz im Gebäudesektor?

Norman Gerhardt: Was meinen Sie denn mit „Wärmepumpe“? Eine Anlage, die sich der Hausbesitzer in den Keller stellt? Fernwärmenetze, die mit Wärmepumpen versorgt werden, oder Nahwärmenetze? Letztere sind beispielsweise sehr sinnvoll: Einige Haushalte werden mit Leitungen zusammengeschlossen. Dafür brauchen wir nicht mal die Straßen aufreißen, wenn sie durch die Keller führen. Gemeinsam hängen diese Häuser an einem Wärmespeicher, der im Sommer etwa durch Kühlung, Solarthermie oder Wärme von Abwasserkanälen befüllt wird. Im Winter können sie damit dann sehr effizient heizen. Auch für Mehrfamilienhäuser gibt es Lösungen. Schafft man Gasetagenheizungen ab, werden die Schornsteine frei. Durch die kann man Leitungen ziehen und die Wohnungen gemeinsam an etwa ein Wärmenetz anschließen, das von Wärmepumpen gespeist wird. Ergo: Wärmepumpen sind entscheidend, aber in einer technisch großen Bandbreite. Es muss sich nicht jeder eine Pumpe einbauen, es gibt Alternativen.

Foto: Harry Soremski
Im Interview: Norman Gerhardt

Norman Gerhardt ist Ingenieur und Gruppenleiter Energiewirtschaft und Systemanalyse am Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik in Kassel.

Und die kann man auch kaufen?

Natürlich, der deutsche Wärmepumpenmarkt wurde geprägt durch hohe Stromkosten, darum haben die Hersteller viel Wert auf Effizienz gelegt. Für Bestandsgebäude gibt es zum Beispiel Propan-Wärmepumpen, die höhere Vorlauftemperaturen ermöglichen und somit ohne Fußbodenheizungen funktionieren. An Technik mangelt es nicht.

Es gibt für jedes Haus die passende Wärmepumpe?

Es gibt Fälle, bei denen es sehr schwer werden wird. Ich denke an ältere Menschen, die im ländlichen Raum ein altes Haus bewohnen, die nicht das Geld haben, in Sanierung und Wärmepumpe zu investieren. Für sie brauchen wir andere Lösungen.

Welche?

Denkbar ist, in einem solchen Haus im Winter nur die Zimmer zu beheizen, die gerade benutzt werden, etwa mit sparsamen Elektroheizungen wie Rotlicht-Wärmestrahlern. Die alte Heizung würde nur noch selten genutzt, das warme Trinkwasser könnte eine kleine Wärmepumpe erzeugen. Das wäre ­natürlich weniger komfortabel, als ein Haus mit einer ölbetriebenen Zentralheizung zu wärmen.

Also müssen wir technologieoffen herangehen und etwa auch Wasserstoff oder Holz als Energieträger zulassen?

Heizen mit Biomasse ist kritisch, es gibt immer mehr Belege, dass das nicht klimaneutral ist. Kraftstoffe, die auf Wasserstoff beruhen, Biomethan oder synthetische Kraftstoffe können sie auch zum Heizen benutzen. Aber die werden auch künftig teuer sein. Heizen wird zu einer sozialen Frage werden, für die Sie sozialpolitische Antworten brauchen. Aber wir reden hier nicht von der Masse der Gebäude, sondern von Einzelfällen. Für die brauchen wir Lösungen, die aber auch später noch in Ergänzungen des Gesetzes ausgestaltet werden können.

Wird man solche Häuser mit der Perspektive „Klimaneutralität 2045“ aufgeben müssen?

Schauen Sie sich den demografischen Wandel an. Es ist schon so, dass es Gegenden geben wird, in denen man nicht mehr wohnen wird. Wir sollten aber solche Sonderfälle nicht ins Zentrum rücken, sondern uns auf den Massenmarkt konzentrieren.

Die energetische Gebäude­sanierung setzt alle unter Zugzwang …

Sicher, aber so dramatisch, wie es derzeit dargestellt wird, wird es auch nicht. Wir gehen zum Beispiel davon aus, dass sich in den nächsten Jahren ein Gebrauchtkesselmarkt entwickeln wird, wie bei Autos. Bislang sind Heizkessel so lange gelaufen, bis sie kaputtgingen. Dann wurden sie ausgetauscht. Künftig kann es sinnvoll sein, für eine Übergangsfrist von einigen Jahren einen neuen Gaskessel einzubauen. Wenn dann das Wärmenetz kommt oder eine Sanierung ansteht, wird der Kessel gegen eine andere Lösung ausgetauscht und wieder verkauft, wie ein Gebrauchtwagen. Das senkt die Kosten für alle.

Wäre mehr Struktur besser gewesen, also erst kommunale Wärmepläne und dann ein Gesetz zum Heizungstausch?

Der Gebäudesektor ist sehr träge, Innovationen kommen dann, wenn Druck da ist. Es gibt ja Übergangslösungen. Wenn mein Gaskessel jetzt kaputtgeht, sorgt ein entstehender Gebrauchtkessel-Markt für einen Puffer und ich kann noch abwarten, bis meine Kommune einen Wärmeplan erstellt hat und klar ist, ob ich ans Nah- oder Fernwärmenetz angeschlossen werden kann. Ein mehrmaliger Umstieg wird nicht so teuer, wie es den Anschein macht.

Die aufgeregte Debatte derzeit klingt nach: Die Wärmewende ist zeitnah zu teuer und zu schwierig …

Es gibt in der Praxis ein kreatives Potenzial, das sich entwickelt, wenn es Anreize gibt. Es werden sich ganz unterschiedliche Lösungen finden. Hier spielen Energieberater eine entscheidende Rolle, aber auch Medien wie etwa Youtube, über die man sich gut über Technik informieren kann. Wie gesagt, die Wärmepumpentechnologie hat viele Facetten.

Würden Sie sich derzeit eine Wärmepumpe einbauen?

Ich wohne zur Miete, aber wenn ich ein Haus hätte: Der Markt ist derzeit völlig überhitzt, Wärmepumpen sind zurzeit ganz schön teuer. Die Fachbetriebe sind überlastet und nehmen Preisaufschläge. Das wird sich normalisieren. Wenn ich also könnte, würde ich warten, bis der Markt sich beruhigt und sich einschwingt. Aber wenn meine Gasheizung jetzt kaputtginge, würde ich eine Wärmepumpe kaufen.

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14 Kommentare

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  • Verwirrung über den Begriff Wärmepumpe

    Gegenwärtig wird zur Gebäudebeheizung der Einbau von Wärmepumpen forciert.

    Der Begriff Wärmepumpe ist nicht gut definiert. Jeder versteht darunter etwas anderes.

    In Mitteleuropa mit Wintertemperaturen < + 10°C bezeichnet man damit ein Kompressorsystem mit Gasverflüssigung (wie bei einem Kühlschrank), das eine Gas- oder Ölheizung ersetzt oder ergänzt. In den USA ist im Süden Elektroheizung der Gebäude üblich, weil dort die Temperatur nur selten (Blizzard) unter + 10°C fällt. Im Mittleren Westen herrscht Erdgas vor. Wärmepumpen haben erst 15 % Marktanteil, sie pumpen bisher lediglich eine Wärmeüberträgerflüssigkeit um. Wenn Elektroenergie billig zur Verfügung steht (Skandinavien, Alpen), kann sie auch im kalten Klima zur direkten Gebäudeheizung benutzt werden. Wärmepumpen sind dann Zusatzsysteme.

    Grundsätzlich bedient sich eine Wärmepumpe aus der Temperatur des Mediums, dem sie die Wärme entnimmt. Bei Luftwärmepumpen ist das die momentane Temperatur der Außenluft, bei Bodenwärmepumpen die Bodentemperatur (in mittleren Breiten ab etwa 10 Meter Tiefe gleich Jahresmitteltemperatur), bei Geothermiewärmepumpen die Temperatur in mehreren Hundert Metern bis einigen Kilometer Tiefe). Allerdings wird der Begriff Geothermie im Zusammenhang mit der Wärmepumpe willkürlich verwendet (das US Department of Energy bezeichnet jede Entnahme aus Boden oder einem Gewässer als Geothermie).

    Die Temperatur, mit der das Medium verlassen wird, kann grundsätzlich nicht höher liegen als die Temperatur des Mediums. Mit fallender Temperatur des Mediums, dem sie die Wärme entnimmt, sinkt der Wirkungsgrad jeder Wärmepumpe. Das trifft besonders auf Luftwärmepumpen bei Minusgraden zu, weil die Außentemperatur voll wirksam wird. Für den Betrieb einer Wärmepumpe ist Energiezufuhr nötig, was im allgemeinen elektrische Energie bedeutet. Diese Energiemenge kann bei schlecht isolierten Gebäuden sehr hoch sein, dann wird auch noch elektrische Zusatzheizung nötig.

  • Was kosten Bau und Betrieb eines Nahwärmenetzes mit Wärmespeicher, wie es im Bild zu sehen ist? Sieht nicht nach leistbar aus im Osten Deutschlands, wo es besonders in ländlichen Gegenden viele Häuser gibt, die während der industriellen Revolution gebaut wurden, in denen die Arbeiter wohnten und auch heute noch wohnen und die keine dicken Wände haben.

    Gibt es überhaupt einen Vorteil eines Nahwärmenetzes gegenüber Fernwärme?

    Was haben die propagierten Propan-Wärmepumpen mit Dekarbonisierung zu tun?

    Wie hoch ist der Komfort von Rotlicht-Wärmestrahlern, die bekanntlich einen sehr kleinen Bereich eines Raums überheizen und den Rest auf einer Temperatur lassen, bei der man sich den Tod holen kann?

    Die in den Kommentaren erwähnten Split-Klimaanlagen können auch heizen, ihr Wirkungsgrad fällt aber mit sinkender Außentemperatur stark ab wie bei jeder Luft/Luft-Wärmepumpe. Damit steigen die Stromkosten stark an.

    Die Frage im Interview war nach Wasserstoff. Geantwortet wurde aber mit Kraftstoffen, die auf Wasserstoff beruhen.

    Es wäre viel interessanter, die Eignung von Wasserstoff zur Gebäudeheizung zu beurteilen (Erzeugung, Stadtgasnetz, Gastherme), weil darüber verwirrende Meinungen existieren.

  • Ein informatives Interview.



    Gebäudesanierungen sind nicht vorher und nicht unbedingt erforderlich.



    Doch für Dämmungen und für Wärmepumpen gibt es vom BMWK Fördergelder.

  • Es sind ja nicht nur die Wärmepumpen und die dafür erfordelichen Gebäudesanierungen. Dazu kommen als externe Kosten die erforderliche Verstärkung der Fern- und Verteilnetze, die Bereitstellung von Kraftwerken (Braunkohle?) bzw. Speichern zur Deckung des breiten Lastpeaks im Winter, etc.



    Grundsatz des Heizungsgesetzes scheint zu sein: "Wie erziele ich mit größtmöglichem Aufwand den kleinstmöglichen Klimanutzen."

  • 3G
    31841 (Profil gelöscht)

    "Heizen mit Biomasse ist kritisch, es gibt immer mehr Belege, dass das nicht klimaneutral ist."



    Heizen mit Biomasse muss begrenzt werden. Die Ökosyteme einschließlich der Böden vertragen weniger Ausbeutung, als die Lobby glauben macht. Was ihr auch ldeswege noch immer zu leicht gelingt, weil die Folgen meist erst längerfristig nicht mehr abzustreiten - da dann erst unübersehbar - sind. Solange kann man sich noch Illusionen machen.

  • Auch mit Split-Klimaanlagen kann man meistens heizen. Ja, ist nur Warmluft; kosten dafür aber auch bei hoher Leistung nur ein Bruchteil einer Wärmepumpe.

  • Zitat:



    "Denkbar ist, in einem solchen Haus im Winter nur die Zimmer zu beheizen, die gerade benutzt werden, etwa mit sparsamen Elektroheizungen wie Rotlicht-Wärmestrahlern. "

    Kleine Anmerkung:



    Für die selektive Beheizung einzelner Zimmer ist die Luft/Luft Wärme die absolut beste Lösung.



    Besser bekannt als Air Condition mit Drehrichtungsumkehr. Sprich im Winter heizen im Sommer kühlen. Kenne ich noch aus unserer Zeit in den Staaten.



    Habe letztes Jahr eine solche Anlage bei meiner Schwiegermutter ins Haus bauen lassen für die Wohnstube und eine Warmwasserwärmepumpe.



    Alles zusammen

  • "Denkbar ist, in einem solchen Haus im Winter nur die Zimmer zu beheizen, die gerade benutzt werden,"

    In einem ungedämmten Haus Teile davon nicht zu beheizen provoziert ja geradezu Frostschäden.



    Deshalb würde ich auch alle anderen Ratschläge des "Experten" mit Vorsicht genießen.

    • @Don Geraldo:

      Tja, der Experte ist aber tatsächlich einer und Sie haben nicht den Dunst vom Schimmer einer blassen Ahnung!



      Früher wurde meist nur ein Raum im Haus beheizt und es gab viel stärkeren Frost. Schäden könnte es nur geben, wenn es eine Zentralheizung gäbe, deren Leitungen einfrieren könnten, aber alte Häuser sind bauphysikalisch viel besser konstruiert, als Nachkriegsbauten, so dass das auch nur geschehen könnte, wenn das Haus unbenutzt leer stände! 15.21

      • @felixul:

        Früher stand in jedem Raum ein Ofen, und dann hat man nur den Raum geheizt, der auch genutzt wurde.

        In dem Artikel geht es aber um Leute, die sich eine Wärmepumpe nicht leisten können. Die haben im allgemeinen eine Zentralheizung mit Öl- oder Gastherme. Und eben deren Leitungen können einfrieren, wenn nur einzelne Räume geheizt werden.

      • @felixul:

        Meine Mutter wuchs in einem dieser "bauphysikalisch viel besser konstruierten" Häuser auf - ein typischer Bauernhof im Allgäu. Im Winter war die Küche und die Wohnstube warm. Der Rest war buchstäblich arschkalt. Es war wohl keine schöne Zeit - und sie war auch öfters krank.

  • Nahwärmenetze innerhalb zusammenliegender Grundstücke wäre eine charmante Möglichkeit! Eine Großwärmepumpe im Quartier ist billiger, als viele Kleine!



    Problematisch wird es mit der Einigkeit der Benutzer!

    • @Kicker Oleander:

      Dieses Einigkeitsproblem kann man umgehen, indem die Kommune die Verwaltung übernimmt und sich nur die Wärme bezahlen lässt.

  • eben, es gibt Lösungen und auch Wege Lösungen zu finden. Momentan ist dieses Land im Panikverhinderungsmodus, im Geht-Nicht, befeuert gerade durch die Partei die sich als ergebnisoffen und lösungsorientiert vermarktet.... stattdessen ein ideologischer Kulturkampf, abe rnicht von grün, wie behauptet wird, sondern von den angeblich ideologiefreien Parteien....



    Frei nach einem Wahlplakat: "Es gibt viel zu tun, äh verhindern, lasst es uns angehen!"