Etikettenpflicht für Siedlungsprodukte: Die konsumkritische „Israelkritik“

Der Europäische Gerichtshof behandelt Produkte aus dem Westjordanland anders als solche aus Tibet oder von der Krim. Israelboykotteure freut's.

Das Bündnis gegen Antisemitismus und Antizionismus «Jachad» protestiert gegen BDS, Göttingen im März 2019

Nie wieder „Kauft nicht bei Juden“: Das Bündnis gegen Antisemitismus demonstriert in Göttingen Foto: Swen Pförtner/dpa

Dass die Europäische Union einen Knacks mit Israel hat, ist hinlänglich bekannt. Ein ums andere Mal verabschiedet das Staatenbündnis einseitige Resolutionen und Richtlinien zulasten des einzigen jüdischen Staates der Welt. In diese Woche wurde die antiisraelische Politik der Europäischen Union höchstrichterlich bestätigt.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) urteilte am Dienstag, dass eine Kennzeichnung der Waren aus israelischen Siedlungen im Westjordanland nicht nur möglich, sondern sogar verpflichtend sei. Für andere Territorialkonflikte gilt dies mal wieder nicht: Beispielsweise müssen Produkte aus dem von China besetzten Tibet nicht speziell gekennzeichnet werden.

Es handelt sich um eine lupenreine Sonderbehandlung. In der Antisemitismusforschung spricht man von „Doppelten Standards“, wenn Israel nach anderen Maßstäben behandelt wird als andere. Ein Paradebeispiel. So gern sich die Europäische Union als Exportweltmeister von Moral und Ethik inszeniert, handelt sie doch selbst unmoralisch, wenn die Gangart gegenüber dem jüdischen und demokratischen Staat härter ist als gegenüber tendenziell autoritären Staaten wie China.

Das Gericht in Luxemburg betonte, die Herkunftskennzeichnung solle dazu beitragen, dass Verbraucher eine „fundierte Wahl“ treffen können. Dazu gehörten „ethische Erwägungen oder solche, die die Wahrung des Völkerrechts betreffen“. „Israelkritik“ mittels Konsumentscheidung also. Die antisemitischen Israelboykotteure von BDS (Boycott, Divestment and Sanctions) werden’s der Europäischen Justitia danken, dass ihr ausgerechnet dann die Augenbinde verrutscht, wenn über Israel geurteilt wird.

Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.

Der Generalanwalt des Europäischen Gerichts meint, dass Verbraucher wissen sollten, woher genau Waren kommen, und schreckt, wie auch die vom Bundestag als antisemitisch eingestufte BDS-Kampagne, nicht vor dem Vergleich mit Südafrika zur Zeit der Apartheid zurück. Das ist nicht nur eine hemmungslose Dämonisierung und Stigmatisierung Israels, sondern auch eine ignorante Verharmlosung des staatlichen Rassismus im damaligen Südafrika.

Besonders tragisch ist das Urteil für palästinensische Arbeitnehmer*innen, die in israelischen Siedlungen oft zu besseren Arbeitsbedingungen als in palästinensischen Betrieben vergleichsweise gutes Geld verdienen. Hätte ein Boykott Erfolg, müssten sie um die Einkommen ihrer Familien bangen.

Anmerkung: In einer früheren Version dieses Textes stand, dass Waren von der durch Russland besetzten Krim nicht gekennzeichnet werden müssen. Das ist zwar richtig, aber hinfällig: Es besteht in der Europäischen Union ein Importverbot für Waren von der Krim. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Alexander Nabert war Medienredakteur der taz. 2018 und 2019 recherchierte er im Rechercheressort zu "Hannibals Schattennetzwerk": taz.de/hannibal.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.