Erwartungen beim Dating: Mehr als das Minimum
Die Erwartungen von Frauen an Männern beim Daten sind so gering – der geringste Respekt reicht aus, um sie zum Jubeln zu bringen. Das muss sich ändern.
S tell dir vor, du bist ein cis Mann. Du bist ganz nett, vergewaltigst niemanden und respektierst in der Regel anderer Leute Grenzen. Und alle Frauen jubeln. Irgendwie smart: So lange kollektiv daran arbeiten, die Erwartungen von Frauen zu dämpfen, bis es ausreicht, ihnen basic Respekt entgegenzubringen, um sie zu beeindrucken. Nicht mal ich würde Limbo unter unseren Ansprüchen an cis Männer hindurchschaffen.
Eine gute Freundin erzählte mir einmal, wie sie sich in ihren damals neuen Freund verliebt hatte: „Er hat mir angeboten, bei ihm zu übernachten, damit ich nicht so weit nach Hause fahren muss. Und dann hat er mir einfach das Sofa bezogen und gar nichts bei mir versucht!“. Sprich: Er machte ihr einfach so ein freundliches Angebot und zwar ganz ohne den Hintergedanken, sie dabei zum Sex zu drängen. Toller Typ.
Wenn Frauen von einem richtig guten Date mit einem Mann erzählen, klingt das oft so: „Ich habe nein gesagt und er hat wirklich aufgehört!“ Versuch dir für einen Moment vorzustellen, ein Mann würde so von einem Date mit einer Frau erzählen. Unser Gegenüber als menschliches Wesen wahrzunehmen und es auch so zu behandeln, wird bei Frauen und Queers vorausgesetzt. Niemand bricht in Begeisterung aus, wenn wir die Person mit einem Mindestmaß an Respekt behandeln. Das ist auch gut so. Es sollte nämlich einfach die Grundlage jeder zwischenmenschlichen Interaktion sein. Wieso applaudieren wir cis Männern dann, wenn sie es schaffen, sich an diesen Mindeststandard zu halten?
Von niemandem Sex erwarten
Die Antwort ist offensichtlich: Weil wir so daran gewöhnt sind, dass sie es nicht tun. Kürzlich habe ich diesen Move auch gemacht: Ich erzählte einer Freundin von einem Date mit einem cis Mann. Es war dieselbe Freundin, die jetzt schon seit Jahren mit dem Mann zusammen ist, der sie auf seinem Sofa hatte schlafen lassen (er hat sich tatsächlich als toller Typ herausgestellt).
Besonders überzeugt hatte mich dieser Moment meines Dates: „Ich habe gesagt: Ich weiß nicht, ob ich mich gerade bereit für Sex fühle. Da lag ich schon halb nackt in seinem Bett. Und er so: Cool, dann können wir ja einfach knutschen und kuscheln!“ Ich sah meine Freundin erwartungsvoll an. Sie guckte zurück mit einem Blick, der sagen wollte: „Merkst du selbst, ne?“ Und dann merkte ich es selbst.
Ja, ich hatte mich durch seine Reaktion wohlgefühlt. Gleichzeitig sollte es Standard sein, von niemandem Sex zu erwarten und erst recht niemanden unter Druck zu setzen, mit einem zu schlafen. Leider ist das nicht Standard. Viel zu oft habe ich mich in ähnlichen Situationen wiedergefunden, in denen mein männliches Gegenüber sich enttäuscht umdrehte oder die ganze Nacht über insistierte. Wenn wir wollen, dass respektvolles Datingverhalten bei Männern Standard wird, sollten wir anfangen, es so zu behandeln. Das heißt auch: Nichts unter diesem Standard zu akzeptieren. Und mehr zu erwarten als das absolute Minimum.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel