Erwarteter Klimaplan der Bundesregierung: Tierzahl und Fleisch sind tabu
Der geplante Klimabeschluss wird in puncto Landwirtschaft wenig bringen. Forscher sagen: Ohne die Tierzahlen zu reduzieren, geht es nicht.
Demnach soll der von Düngung verursachte Ausstoß von Teibhausgasen gesenkt und mehr Gülle in Biogasanlagen verstromt werden. Aber die Reduktion der Tierzahl vertagte das Kabinett mit den Worten: „Die Bundesregierung erarbeitet eine Gesamtstrategie zur Verringerung der Emissionen in der Tierhaltung bis 2021“. Dieser Strategie, die nicht einmal in Ansätzen zu erkennen ist, werden Kanzlerin Merkel und ihre Minister am Freitag kaum vorgreifen. „Die Regierung hat Angst vor dem Bauernverband“, sagt Martin Hofstetter, Agrarexperte bei Greenpeace.
„Wir kommen um eine Reduktion unseres Konsums an tierischen Produkten nicht herum“, so Harald Grethe, Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats für Agrarpolitik beim Landwirtschaftsministerium. „Etwa ein Viertel der deutschen Treibhausgasemissionen entstammt unserem Ernährungssystem. Und davon resultieren etwa zwei Drittel aus dem Konsum tierischer Produkte“.
„Dieses Spielen auf Zeit ist schlecht für alle Beteiligen“, kritisierte Umweltschützer Hofstetter. „Es wird immer schwieriger, die Klimaziele zu erreichen, wenn wir die Reduktion der Tierbestände weiter verschieben. Und die Landwirte brauchen ein Zeichen, auf das sie sich einstellen können“, ergänzt Hofstetter. Die Klimaziele nach 2030 würden ein noch größeres Minus bei den Treibhausgasen aus der Landwirtschaft erzwingen. „Da ist es besser, jetzt den Sinkflug einzuleiten, als später eine Bruchlandung zu riskieren.“
Kampagne gegen zu hohen Fleischkonsum
Grethe rät der Regierung zu einer Informationskampagne, um den Konsum von Fleisch und Milch auf das Niveau zu senken, das Ernährungswissenschaftler empfehlen. Auf solche Produkte sollten nicht wie bisher 7, sondern 19 Prozent Mehrwertsteuer erhoben werden. Für Ökobauern, deren Produkte dann absolut gesehen besonders stark verteuert würden, und einkommensschwache Haushalte müsse es einen Ausgleich geben. „Es wird nicht reichen, die Tier- und Umweltschutzbestimmungen, etwa die Düngeverordnung, zu verschärfen“, so Grethe. „Denn wenn wir nur die Produktion in Deutschland verringern und die Produkte stattdessen importieren, entstehen die Treibhausgase im Ausland. Dem Klima wäre nicht geholfen.“
Greenpeace verlangt auch Prämien für Bauern, die ihre Tierbestände verkleinern. „Sollte das alles nichts bringen, müssen wir die Viehzahlen durch Kontingente und Quoten beschränken“, sagt Hofstetter. Bis 2050 müsse sich der Bestand halbieren.
Bauernverband warnt vor Höfesterben
Das von Julia Klöckner (CDU) geführte Agrarministerium teilte mit, durch die neue Düngeverordnung zum Beispiel werde die Zahl der Tiere sinken. Zudem sei etwa die Zahl der Rinder bereits in den Jahren 2017 und 2018 um drei Prozent gesunken.
Niedersachsens Bauernverbandspräsident Albert Schulte to Brinke warf der Bundesregierung in der Klimadebatte einen für die Agrarbranche schädlichen Kurs vor. Mit ihren Gesetzentwürfen trieben vor allem Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) und Klöckner die Landwirte zur Betriebsaufgabe. Niedersachsen ist das Agrarland Nummer eins in Deutschland. (mit dpa)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Matheleistungen an Grundschulen
Ein Viertel kann nicht richtig rechnen
Innenminister zur Migrationspolitik
Härter, immer härter
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Börsen-Rekordhoch
Der DAX ist nicht alles
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt