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Erste US-Vizepräsidentin HarrisKama la la Land

Kommentar von Johanna Soll

Die mediale Euphorie über die erste US-Vizepräsidentin Kamala Harris muss man auch als schwarze Frau nicht teilen. Sie steht nicht für Veränderung.

Bald US-Vizepräsidentin: Kamala Harris Foto: David Becker/reuters

K aaamala – ihr Vorname wird auf der ersten Silbe, mit einem langen a, betont. Nicht „Kämala“ oder „Kamilla“, wie er häufig noch immer fälschlicherweise in den deutschen Medien ausgesprochen wird. Den Namen der ersten designierten Vizepräsidentin der USA richtig auszusprechen ist man ihr schuldig.

Man ist ihr jedoch nicht schuldig, sie allein aufgrund ihrer Identität toll zu finden – auch nicht, wenn man wie ich einiges mit ihr gemeinsam hat. Wie Kamala Harris bin auch ich US-Amerikanerin, eine Woman of Color mit einem schwarzen Elternteil, Akademikerkind und Juristin.

Viele Journalistinnen schreiben in Fangirl-Manier über ihre stilsichere Schuhwahl, ihr strahlendes Lächeln oder die Symbolkraft des weißen Hosenanzugs, den sie bei ihrer Siegesrede in Delaware trug. Harris ist aber weder Popstar noch Stil­ikone – sie ist Politikerin und als solche an ihrer Politik zu messen. Ihre bisherige politische Kar­riere, in der sie sich auf ausgetretenen Pfaden bewegt hat, lässt darauf schließen, dass sie lediglich alte Ideen in einem neuen, jüngeren, weiblichen Gewand verkörpert. Mit ihr als Vizepräsidentin und gegebenenfalls anschließend als Präsidentin wird sich in den USA wohl nichts fundamental ändern.

Cooper Teboe beschreibt Kamala Harris in einer Arte-Reportage nüchterner, ökonomischer. Teboe ist Spendenbeschaffer für die Demokraten im Silicon Valley, seine Aufgabe ist es, dort bei den großen Technologiekonzernen Gelder für den Wahlkampf und zur Parteifinanzierung einzuwerben: „Ein so gutes Produkt wie Kamala Harris zu verkaufen ist leicht. Als sie nominiert wurde, waren die Entscheider von Silicon Valley so begeistert von ihr, all die Reid Hoffmans, die Mark Zuckerbergs, mit denen sie seit 20 Jahren eine enge Freundschaft pflegt, die gingen an den Hörer, riefen ihre Freunde und Partner an und meinten: ‚Ihr müsst spenden – wir müssen das gewinnen! Kamala kämpft jetzt für die Demokraten.‘“

Ein so unverhohlener Spendenaufruf ist in der US-Politik nicht ungewöhnlich oder gar anstößig – Wahlkampagnen und Parteien beziehen ihre Geldmittel fast ausschließlich über Spenden aus der Wirtschaft und von Lobbyverbänden. Aus öffentlichen Mitteln erhalten Parteien und Politiker keine nennenswerten Beträge – sie sind auf Spenden also zwingend angewiesen. Dass es aber auch anders geht, hat Bernie Sanders gezeigt: Er hat seine Kampagne in den demokratischen Vorwahlen ausschließlich mit Kleinspenden seiner Anhänger finanziert und bis zu seiner Niederlage den höchsten Spendenbetrag unter den demokratischen Präsidentschaftskandidaten erzielt.

Nach Treffen mit Spendern zog Harris ihre Unterstützung für Sanders’ Entwurf für eine Krankenversicherung zurück

Ich habe damals als Mitglied einer lokalen Freiwilligenorganisation in Colorado Wahlkampf für Bernie Sanders gemacht – weil er einer der wenigen US-Politiker ist, der die massiven Probleme im Land klar benennt, umfassende Lösungen anbietet und bereit ist, dafür zu kämpfen. Es handelt sich bei seiner politischen Agenda nicht um Sozialismus, sondern um eine sozialere Form des Kapitalismus – einen Wohlfahrtsstaat, wie wir ihn in Deutschland haben.

Einem solchen Wandel hat sich Kamala Harris nicht verschrieben. Sie hält es mit dem Parteiestablishment, dessen Credo lautet: Bloß keine größeren wirtschaftlichen Veränderungen, die die Spender verschrecken könnten. Wofür also steht Kamala Harris? Diese Frage kann sie wahrscheinlich nicht einmal selbst beantworten. Genau das war auch ihr Problem im Vorwahlkampf, in den sie anfangs als eine der Favoriten gestartet war. Nach einem Treffen mit Spendern ruderte sie von ihrer Unterstützung für Sanders’ Gesetzentwurf für eine allgemeine Krankenversicherung zurück und konzentrierte sich fortan vor allem auf spenderkonforme Identitätspolitik: Mit ihr kann man erstmals eine schwarze/indischstämmige Einwanderertochter zur Präsidentschaftskandidatin wählen. Noch vor der ersten Wahl in Iowa schied sie dann mit nur noch etwa 3 Prozent in dem Umfragen aus dem Rennen aus.

Identitätspolitik ignoriert völlig, dass allein die Identität einer Politikerin oder eines Politikers für die meisten Wähler kein Argument ist, für die Person zu stimmen. Dazu bedarf es mehr – nämlich konkreter politischer Forderungen, von denen man sich nicht so leicht abbringen lässt. In dem Getöse der Wahlnacht ist eine, wie ich finde, bemerkenswerte Wahlsiegerin von den meisten deutschen Medien unerwähnt geblieben: Cori Bush hat mit 78,9 Prozent ihren Wahlkreis in St. Louis, Missouri, klar für sich entschieden. Die 44-jährige Afroamerikanerin ist Kranken­schwester, Pastorin, alleinerziehende Mutter, Black-Lives-Matter-Aktivistin und wird als erste schwarze Frau Missouri im Repräsentantenhaus vertreten.

Wie Bernie Sanders und Alexandria Ocasio-Cortez gehört auch Cori Bush dem progressiven Flügel der Demokraten an, der keine Spenden aus der Wirtschaft annimmt und die Belange der einstigen Kernwählerschaft der Demokraten vertritt – die der Arbeiter und Angestellten. Ziel der Progressiven ist es, die Demokratische Partei von innen heraus zu reformieren, da das Zweiparteiensystem der USA die Gründung einer weiteren Partei in erfolgversprechender Weise kaum zulässt. Bisher sitzen noch recht wenige von ihnen im Kongress, aber ihre Zahl nimmt mit jeder Wahl stetig zu, sodass sie hoffentlich irgendwann, besser früher als später, über die politische Macht verfügen, die ein Vorbeiregieren an ihnen unmöglich macht und Establishment-Darlings wie Kamala Harris entweder zum Einlenken oder aus dem Amt drängt.

Bei der Person, die es im US-Präsidentenamt schafft, dieses Land mit so dringend benötigten, tiefgreifenden Reformen weg von einer neoliberalen, laut Demokratieindex unvollständigen Demokratie und hin zu einer sozialen, vollständigen Demokratie zu führen, werde auch ich – unabhängig von ihrer Identität – zum Fangirl. Versprochen!

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11 Kommentare

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  • „Cori Bush hat mit 78,9 Prozent ihren Wahlkreis in St. Louis, Missouri, klar für sich entschieden. Die 44-jährige Afroamerikanerin ist Kranken¬schwester, Pastorin, alleinerziehende Mutter, Black-Lives-Matter-Aktivistin und wird als erste schwarze Frau Missouri im Repräsentantenhaus vertreten.“

    Cori Bush zeigt, neben Bernie Sanders Kamala Harris, dass inhaltliche Politik mehrheitsfähige Nachfrage in USA hat, dass beide ohne Spendenaufkommen durch Wallstreet, Wirtschaft, Milliardäre mehr Wähler Mobilisierung hinlegen als bisher Kamala Harris mit fragilem FlicFlac Standing bei Frage allgemein gesetzlicher Krankenversicherung für alle US Inhabitants, die öffentlich eher für Posen einmal hierhin mit Sanders einmal dorthin ohne Sanders steht denn standfest inhaltliche Politik neigt, wenn Silicon Valley Spender Augenbrauen gegen Sanders hochziehen. Sanders beklagt in seinem Buch „Unsere Revolution“ 2016, dass ausgerechnet in Obama Ära 2010 letzte Wälle geschliffen wurden, zu verhindern, dass Unternehmen Politiker unbegrenzt spenden dürfen ohne das überhaupt kenntlich machen zu müssen, wie es die Koch Brüder, Rupert Murdock u. a. praktizieren mit NGOs, die Kongress Kandidaten ganze Wahlkampagnen indirekt finanzieren über geschaltete Annoncen, Sendezeit auf TV Kanälen Stellen von Personal, Material für Wahlkampf, nach der Wahl zum PayBack einbestellen, u. a, irgendwo in der Welt US Botschafter*ìn werden wollen. Spannend wird, wie Kamala Harris zur Modern Monetary Theory steht, die Sanders u. a. Linke der Demokraten vertreten, weil egal wie hoch Staatsschulden sind, diese sich durch Wirtschaftswachstum tilgen. Was umstritten ist, weil angesichts Corona Pandemie, Kappen globaler Lieferketten ohne WTO Ausgleichsmechanismus, digitaler Umstellung der Gesellschaft, Wirtschaft, Beachten Pariser Klima Abkommen CO2 Ziele, Weltwirtschaft ins Schrumpfen bringt, Wachstum ausbleiben könnte?

  • Super.

    Form follows Function.

    Die performative Identität ist gleichgültig, wenn die gleiche Politik gemacht wird.

    Inhalt zählt, nicht die Identität.



    Denn Inhalt bestimmt die Wirklichkeit der Menschen.

  • Es handelt sich letztlich um die Erkenntnis, dass jede Ethnie, Hautfarbe, Geschlechtswahl und Religion zu Unterdrückung und Demokratieabbau gleichberechtigt in der Lage ist. Schön, wenn Politik endlich unter der Oberfläche verstanden würde. Den lästigen Pöbel mit einfachen Sätzen abzuspeisen, muß besonders bei Wahlen der Vergangenheit angehören.

    Wie die Massen mobilisiert werden sollen, ohne Klischees zu bemühen, dazu müssten auch Seminare entwickelt werden, die über "critical whiteness" hinausgehen. Etwa "critical conservatism", "critical education" oder "uncritical gender".

  • "Mit ihr als Vizepräsidentin und gegebenenfalls anschließend als Präsidentin wird sich in den USA wohl nichts fundamental ändern." - vielleicht hat Biden sie ja genau deshalb ausgewählt und vielleicht konnte Biden genau deshalb Trump knapp schlagen, der sicher noch weniger dafür steht, dass sich fundamental etwas in die Richtung ändert, die der Autorin vorschwebt. Man kann sich etwas anderes wünschen, die US-Amerikaner tun es aber offenbar nicht.....

    Dass Identität ein bisschen zu wenig ist, um jemanden gut zu finden, die Auffassung teile ich. Dass es aber wirklich Chancen gibt, dass Sanders oder C. Bush in den USA mehrheitsfähig werden, daran zweifle ich sehr bei dem großen Erfolg, den Trump bei dieser Wahl noch hatte, auch wenn er abgewählt wurde.

    • @Dr. McSchreck:

      Ich stimme Ihnen voll und ganz zu! Und nun sollten erst einmal die verschiedenen Strömungen der Demokraten eine Chance bekommen, wenigstens eeeetwas "Progressives" gegenüber der trumpschen Wählerschaftsfraktion durchzusetzen, mehr war und ist nicht drin, leider!

  • nun mit einer stramm linken vize hätten wir jetzt nochmal 4 jahre trump und wenn die demokraten zu sehr nach links gehen , haben halt die reps wieder die mehrheit.

    • @Sinulog:

      In sämtlichen Umfragen, von Gallup bis FoxNews, lag die Zustimmung für Medicare for All bei über 70 Prozent. Ähnlich hoch ist der Anteil der Befürworter eines Green New Deal, für kostenlose Hochschulbildung, für die Legalisierung von Cannabis und einen höheren Mindestlohn. Alle linken Kandidaten haben haben ihre Sitze im Repräsentantenhaus gewonnen bzw. halten können. In der Hochphase von BLM gab es einen Rekord an der Registrierung Demokratischer Wähler.



      Biden hat mit keinen dieser populären Themen Wahlkampf gemacht. Er hat in Swing-States wie Florida verloren, obwohl bei der gleichen Wahl eine Mehrheit für die Einführung eines 15 Dollar Mindestlohns gestimmt hat. In 5 weiteren Staaten wurde Cannabis legalisiert, Arizona hat eine Reichensteuer eingeführt…



      Auch ein Blick in die jüngere Geschichte zeigt, wie schlecht rechte Demokraten abliefern.



      Hillary Clinton hat gegen den rassistischen Fernsehclown Trump verloren, der „moderate Kandidat“ John Kerry gegen den notorischen Lügner und Kriegsverbrecher Bush Jr. Gewonnen hingegen hat Obama mit einer sich progressiv gebenden Kampagne (obwohl er letztlich nicht war). Moderate Kandidaten haben gegen Bush sen. verloren, gegen Reagan und gegen Nixon. Es ist mir unbegreiflich wie immer wieder behauptet wird „linke“ Demokraten seinen Schuld am schlechten Abschneiden rechter Demokraten.

  • Wofür Kamala Harris steht, weiß ich auch nicht, aber ich bin ganz entschieden der Meinung, dass man ihr nach ihrer Wahl endlich auch die Möglichkeit geben sollte, es genauer auszuführen. Und dann - so etwa nach 100 Tagen - können wir uns hier gerne über eine Bewertung ihrer Pläne unterhalten. Vorher macht das doch aus meiner Sicht überhaupt keinen Sinn.

  • Guter Artikel, völlig berechtigte Kritik, Überschrift aber bildzeitungsmäßig. Wann immer man sich eine Überschrift auch in der BILD vorstellen könnte, sollte man sie vielleicht ändern.

  • RS
    Ria Sauter

    Vielen herzlichen Dank für diese Einschätzung und Ihren Artikel!



    Es wäre so wünschenswert solche Kommentare in den Nachrichten zu hören.

  • Danke!