piwik no script img

Erhöhung der Gastro-MehrwertsteuerEs geht um Lebensqualität

Anja Krüger
Kommentar von Anja Krüger

Um die Gastronomie über die Pandemie zu bringen, wurde die Mehrwertsteuer auf Speisen reduziert. Das jetzt zurückzunehmen, wäre ein fataler Fehler.

Die Gastronomie in Deutschland steht vor einem neuen Preisschub Foto: Björn Keller/plainpicture

D ie Inflation scheint sich zu beruhigen, aber die Gastronomie in Deutschland steht vor einem neuen Preisschub. Denn die Bundesregierung will die in Coronazeiten beschlossene Absenkung der Mehrwertsteuer für Speisen auslaufen lassen, die vor Ort konsumiert werden. Das bedeutet: Statt 7 Prozent werden dann 19 Prozent fällig. Den allermeisten Anbietern bleibt angesichts gestiegener Kosten nichts anderes übrig, als das eins zu eins an die Kun­d:in­nen weiterzugeben.

Dagegen protestiert ein Bündnis von Gast­wir­t:in­nen, Kö­ch:in­nen und Kon­di­to­r:in­nen bis hin zu Lie­fe­ran­t:in­nen von Schul- und Kitaessen. Denn nicht nur das Stück Kuchen und das Schnitzel werden teurer, sondern auch die Mahlzeiten für die Kinder. Eltern müssen dafür – mit wenigen Ausnahmen wie in Berlin, wo der Senat bestimmte Kosten übernimmt – zwischen 3 und 5 Euro pro Mahlzeit zahlen. Tagtäglich 12 Prozentpunkte mehr dafür sind eine herbe Belastung für Mütter und Väter mit geringem Einkommen.

Beim Schulessen finden sogar jene Öko­no­m:in­nen eine weiterhin niedrige Mehrwertsteuer richtig, die sich sonst für die 19 Prozent aussprechen. Wis­sen­schaft­le­r:in­nen des Wirtschaftsforschungsinstituts ZEW gehen davon aus, dass dem Fiskus durch die Absenkung jährlich 3 Milliarden Euro entgehen – wovon vor allem Wohlhabende profitieren würden, weil die öfter essen gehen als andere. Deshalb halten sie die Anhebung für sozial.

Doch das geht an der Wirklichkeit vorbei. Café- und Restaurantbesuche sind glücklicherweise kein Luxus, den sich nur wenige leisten können – auch wenn es leider genug Leute gibt, die kaum Geld dafür haben. Ausgerechnet dieser Gruppe den Res­taurantbesuch noch schwerer zu machen ist aber das Gegenteil von sozial.

Gastronomie bedeutet mehr als Jobs

In vielen EU-Staaten ist ein abgesenkter Mehrwertsteuersatz für Speisen die Regel. Und so sollte es auch in Deutschland sein. Die Steuerausfälle sind verkraftbar angesichts dessen, worum es geht: die Stabilisierung einer Branche, deren Existenz nicht nur für den Erhalt der Jobs wichtig ist.

Cafés, Kneipen und Restaurants sind Teil des öffentlichen Lebens, sie geben Raum für ungezwungene Begegnungen, für Kultur und ermöglichen gesellschaftliche Teilhabe. Ausgehen zu können ist eine Frage der Lebensqualität. Innenstädte werden immer unschöner, weil das Internet dem Einzelhandel das Leben schwermacht. Stirbt die Gastronomie, ist die Verödung nicht mehr aufzuhalten.

Eine abgesenkte Mehrwertsteuer ist nur ein kleiner Beitrag zum Erhalt von Gaststätten. Aber eine staatlich betriebene Verteuerung könnte für etliche Wir­t:i­nnen in Zeiten hoher Inflation und nach drei Coronajahren die eine Mehrbelastung zu viel sein. Das gilt erst recht, wenn die Bedingungen für Konkurrenten besser sind: Für Speisen zum Mitnehmen und Lieferdienste soll weiterhin eine Mehrwertsteuer von 7 Prozent gelten. Das ist absurd.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Anja Krüger
Wirtschaftsredakteurin
Buchveröffentlichungen: „Die verlogene Politik. Macht um jeden Preis“ (Knaur Taschenbuch Verlag, 2010), „Die Angstmacher. Wie uns die Versicherungswirtschaft abzockt“ (Lübbe Ehrenwirth, 2012).
Mehr zum Thema

22 Kommentare

 / 
  • Warum ich wohlhabende mit Steuern unterstützen soll leuchtet mir nicht ein!



    Für Medikamente werden ja auch 19% MwSt fällig und das trieft auch viele arm.

  • Arme Leute gehen auch essen - in Restaurants!

  • Nicht nur die Gastronomie leidet unter der schwächelnden Wirtschaft und der Inflation.

    Es ist nicht fair eine einzelne Branche durch 7% Mehrwertsteuer zu subventionieren.

  • Bei der Einteilung in vergünstigete und volle Mehrwertsteuer muss dringend eine Modernisierung her.



    Da jetzt bei den Restaurants Flickschusterei zu betreiben löst nicht im Geringsten das Problem.



    Kita-Essen mit 19 % Mehrwertsteuer? Passt doch prima dazu, dass Säuglingsnahrung auch voll besteuert wird. Kinder zu ernähren ist schließlich Luxus. Im Gegensatz zu zweiSterne-fünf-Gänge-Menüs, für die sich die Lobbyisten gerade stark machen.



    Also: Statt Flickschusterei, endlich einen vollständig neuen Katalog der ermäßigten Grundbedarfsartikel aufstellen.



    Der Maulesel darf gerne künftig 19 % kosten, solange die Hafermilch nicht mehr kostet als die Kuhmilch und das Gemüse weniger als die Schokolade.



    Dabei käme dann vielleicht (hoffentlich) auch heraus, dass ein Restaurant und eine Kantine zwei unterschiedliche Dinge sind und nur eines davon den Grundbedarf der Leute deckt.

  • Den Steuersatz für In-House-Speisen niedriger als den für Abhol- und Stehimbisse zu halten, ist eine gesundheitsfördernde Steuerung, die sehr zu begrüßen wäre.

  • "Café- und Restaurantbesuche sind glücklicherweise kein Luxus..." Ist das so? Für mich ist ein Restaurantbesuch Luxus, und das soll und darf es auch sein. Wenn ich Geld sparen möchte, koche ich selbst. Man kann ja Kantinen in Schulen und Kitas ausnehmen, aber warum der Steierzahler Restaurantbesuche anderer subventionieren soll, ist mir nicht verständlich. Lieber sollten wir uns dafür einsetzen, dass es Orte gibt, wo man sich ohne kommerzielle Konsumpfilcht treffen kann, Vereinshäuser, Kulturzentren, Parks oder Ecken zum cornern. Die Gastrobranche ist ein ausgesprochen unsoziale Branche, die Leute dort werden oft schlecht behandelt und die Bezahlung basiert darauf, dass die Leute an der Steuer und Sozialabgaben vorbei Trinkgelder erhalten. Keine Branche diecnach dem Staat schreien sollte!

  • Natürlich sind Café- und Restaurantbesuche in Deutschland ein Luxus, den sich, neben Wohnung/Haus, PKW, Altersvorsorge und Reisen, nur noch wenige leisten können. Zumindest wenn es um vernünftige Qualität geht, wo noch wirklich handwerklich gekocht und keine Tüten mit Fertigware aufgerissen werden. Letzteres hat allerdings schon in der Spitzengastronomie einzug gehalten, oft muss dann der Personalmangel als Ausrede dafür herhalten.



    Das Absurde ist, 19% Mehrwertsteuer werden mit Sicherheit auch diejenigen bezahlen können, die in der Woche momentan fünf mal essen gehen. Auch jene, die für ein Schnitzel problemlos 25€ aufwärts auf den Tisch legen, werden damit gar kein Problem haben.



    Raum für soziale Teilhabe? Wie oft mögen Bürgergeldempfänger wohl pro Monat essen gehen, wenn es doch kein Luxus ist?

    Wenn wir wenigstens eine Förderung der Kneipenkultur im Land hätten, aber auch die existert überhaupt nicht, egal mit welchem Steuersatz. Eigentlich müsste ein gezapftes Pils bei gerechter und klimafreundlicher Besteuerung in einer alteingesessenen Kneipe keinen Cent mehr als das gleiche Bier in einer Flasche im Supermarkt kosten, Leitungwasser müsste wie in anderen Ländern auch kostenfrei sein. Dann wäre ein Ausgleich vorhanden, der soziale Treffpunkt für alle attraktiv.



    Die Politik fördert aber lieber die Flaschenabfüllung, Einwegflaschen- und Dosen, lange LKW Transporte und nicht zuletzt Supermärkte und Discounter. Die kleine Kneipe interessiert im Big Business nicht wirklich. Praktisch für Wirtschaft und Politik ist es aber auch, wenn sich die Menschen nicht ständig zum verbalen Austausch treffen und ihre Getränke lieber vor der heimischen Glotze in sich hineinschütten. Die könnten womöglich zu denken anfangen, politische Verbesserungen fordern, glücklicher werden und weniger Unsinn konsumieren.

  • Die Gastronomen, die jetzt aufheulen haben schon zuvor die Preise überreizt. Gerade findet eine Marktbereinigung statt. Einfach nur teuer ist nun mal keine Strategie um Umsatz zu generieren. Die Kunden haben ja nicht auf einmal 40 oder 50% mehr Geld in der Tasche.

  • "Innenstädte werden immer unschöner, weil das Internet dem Einzelhandel das Leben schwermacht."

    Dortige Gaststätten sollten daher in der Lage sein, mit ihrem Vermieter eine Mietsenkung zu verhandeln, um damit die Kostensteigerungen auszugleichen.

    Mit der gestrigen Bund-Länder-Einigung sollen auch Parkplatzvorschriften für Nutzungsänderung abgeschwächt werden. Das sollte den Umzug von Gaststätten in bisher von Läden genutzte Gewerbeeinheiten erleichtern.

    Interessant wird, wie viele Gaststätten auch die Getränkepreise anheben werden, deren Steuer unverändert bleibt.

  • Ebenfalls geht weitgehend unter, dass die Gastronomie längst in großem Stil die Firmenkantinen ersetzt hat. Die hohe Gastro-Inflation hatte daher ohnehin schon viele Arbeitnehmer*innen gebeutelt, die auf den Mittagstisch in einem Restaurant angewiesen sind. Früher war das mal günstig, jetzt schon lange nicht mehr. Nun kommt der nächste Schlag. Profitieren werden die Supermarktketten mit ihrem To-Go-Essen, das von der Steuererhöhung nicht betroffen ist und das man dann im Großraumbüro über der Tastatur mampfen darf, während nebenbei schon wieder Mails gelesen werden. Davon betroffen ist übrigens keine "wohlhabende Mittelschicht", sondern das untere Ende der Bürohierarchie.

  • Lebensqualität kann auch heißen, daß arme Migrantinnen Mehl, Öl, etwas Käse und Tomaten kaufen, um eine eigene Mahlzeit zuzubereiten. Da sind Liebe und Wohlgeschmack möglich.



    Selten bei Ketten und weiterer relativ günstiger Nahrung zu erreichen.

    Wer aktuelle Preise für Baristaprodukte zahlen mag, dürfte kein Problem mit höheren Steuern haben.

  • Verringerung von Kosten für Unternehmen für nicht zu niedrigeren Preisen für die Konsumenten, sondern zu höheren Gewinnen für die Unternehmen, weil die Preise eh so hoch gelegt werden, dass sie so gerade eben noch gezahlt werden.

    Und wir brauchen einfach Steuereinnahmen. Wenn diese die zahlen, die es sich leisten können, essen zu gehen, gut so.

    Luxus zu subventionieren, führt zu nichts als höheren Profiten.

  • Womit haben Gastronomen denn dauerhaft 7% Mwst. verdient, Frisöre dann aber nicht? Genau das ist das Problem daran: man würde damit eine Branche massiv bevorzugen.

  • Ich hab' irgendwie nichts davon gemerkt, dass die Steuer abgesenkt wurde ...

    War das nicht ohnehin so, dass Speisen zum Mitnehmen niedriger besteuert wurden ?

    • @Bolzkopf:

      War ja nicht dafür gedacht, sondern als Unterstütztung für die Gastwirte in schwierigen Zeiten.

      Senkung der Mehrwertsteuer kommt sowieso nie bei den Kunden an.

    • @Bolzkopf:

      Das war gewollt, dass man das nicht merkt. Die Idee war, dass die Absenkung direkt in den Gewinn der Restaurants geht. Diesen ging es auch zum Ende der Pandemie hin noch schlecht.

      Wobei die Restaurants auch die m.W. nach einzige Gruppe waren, die mit der November und Dezemberhilfe übermässig viel zugesprochen bekommen hatte.

      Ja, Speisen zum Mitnehmen werden "schon immer" mit dem niedrigeren Satz besteuert, da hier nicht der Luxus/Genießengedanke im Fordergrund steht sondern die Nahrung.

      Es gibt ein gutes, ggf. sogar sehr gutes Argument für den Verbleib bei 7%: Angleichung an die Nachbarn/EU. EU-weit ist es üblich die Restaurants dort einzustufen.

      Dieses Arm/reich und die sonstige Neiddebatte führt da eh nicht weiter.

      Aus ordnungspolitischer Sicht muss der Wert wieder rauf. Und Ordnung wäre so wichtig, in Deutschland.

    • @Bolzkopf:

      Das war so, gegenwärtig ist es aber nicht so.

      • @meerwind7:

        Dann bescheissen mich die Gastronomen ja wenn ich das Essen mitnehme aber keinen Rabatt bekomme.

  • Die Forderung für eine Verlängerung der Ausnahmesteuer für Restaurantessen ist wehtuend scheinheilig. Wer arm ist geht nie essen.

    Und?



    Wurde die Steuerersparnis weitergegeben?

    Das Gegenteil war der Fall.

    Gesetzesausnahmen in der Steuergetzgebung erzeugen grundsätzlich Wohlstandsverluste für die Gesellschaft und verkomplizieren die Steuerverwaltung.

    Daher gibt es Steuerberater ohne die KEINER mehr durchsteigt in Deutschland.

    Darauf hinweisen zu müssen ist ermüdend.

  • Einspruch: Die abgesenkte Mehrwertsteuer für die Gastronomie ist eine Quersubventionierung wie seinerzeit der Nachlass für Hotelbetriebe durch die FDP. Hier mit dem Erhalt von Kultur zu argumentieren, ist schlichtweg falsch. Denn das ist das Gießkannenprinzip, von dem ebenso gesichtslose Ketten profitieren wie überhaupt eine gut verdienende Mittelschicht. Kneipen und Kneipenkultur sind da nur vorgeschoben und Interessen-PR. Die profitieren schon allein der Kundenbindung am wenigsten davon.

    Viel mehr Sinn machte es, mit dem Geld einer gerecht veranlagten Mehrwertsteuer Grundnahrungsmittel, Obst und Menstruationsbinden von der Mehrwertsteuer zu befreien. Das hätte käme nebenbei der Gleichberechtigung und der Volksgesundheit zugute. Derlei Effekte sind bei der Gastronomie nicht erkennbar, auch wenn die Dehoga lautstark jammert. Das tun Bauern aber auch.

    • @rakader:

      Einer der Nachdenk,sie haben mein Zuspruch.

    • @rakader:

      Auch wenn ich nicht glaube, dass billigeres Obst und Grundnahrungsmittel die Volksgesundheit steigern, ebenso wenig, wie es eine erhöhte Tabaksteuer schafft, so ist es doch richtig, die Steuer auf Grundnahrungsmittel wie in anderen Ländern auch niedrigerem Niveau zu belassen.



      Auch wenn auch dadurch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die am meisten profitieren, die eh am meisten haben.



      Wie war das noch mit dem Regen...