Ergebnisse des G7-Gipfels: Kanzler für schlechtes Klima

Beim G7-Gipfel werden Klimavereinbarungen aus der jüngsten Zeit über den Haufen geworfen. Deutschland hat dabei eine führende Rolle.

In einer Nahaufnahme hält sich Olaf Scholz die Hand vor das Gesicht.

Kein Klimakanzler: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Foto: Leonhard Foeger/reuters

Es ist der Skandal des G7-Gipfels: Die Staatschefs der sieben Wirtschaftsmächte rudern beim Klimaschutz zurück – offenbar maßgeblich an­getrieben von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Es geht um das Versprechen, nach diesem Jahr kein Steuergeld mehr in fossile Energien ins Ausland zu stecken. Der Beschluss des G7-Gipfels zeigt nun, dass diese Zusage so nicht mehr gilt.

Sie soll eigentlich dafür sorgen, dass international weniger klimaschädliche Kraftwerke oder Pipelines gebaut werden, die sich erst nach Jahrzehnten der Nutzung rechnen würden. In diesem Sinne haben zahlreiche Staaten im vergangenen November auf der Weltklimakonferenz versprochen, solche staatlichen Investitionen zumindest in anderen Ländern nach 2022 zu stoppen – darunter auch die G7-Staaten, bis auf Japan. Das ostasiatische Land kam aber im Mai beim Treffen der G7-Energieminister:innen an Bord.

Deutschland hatte auch schon im November gewisse Ausnahmen ausgehandelt. Die sollten laut Vereinbarung „begrenzt“ und unter Umständen stattfinden dürfen, „die mit einer 1,5-Grad-Erwärmungsgrenze vereinbar sind“. Damals war die Überlegung, dass es einen Klimavorteil bringen kann, wenn durch eine Investition ein Umstieg von Kohle- auf Gaskraft ermöglicht wird. Darum geht es jetzt aber nicht: Olaf Scholz will in der aktuellen Energiekrise zwei neue Gasfelder im Senegal erschließen lassen, und zwar auch mit Steuergeldern.

Die G7-Staatschefs erwähnen das ursprüngliche Versprechen in ihrem Beschluss, dann aber heißt es: Um unabhängig von russischer Energie zu werden, spiele Flüssiggas eine große Rolle – Investitionen in diesen Sektor seien nötig. Und auch im Allgemeinen könnten Investitionen in die Gas­branche „unter diesen außergewöhnlichen Umständen“ angemessen sein.

Ein Klimaclub als Alibi

Die Staatschefs weisen zwar darauf hin, die Ausnahmen müssten „mit den Klimazielen vereinbar“ sein und dürften „keine Lock-in-Effekte“ verursachen, also gerade nicht dazu führen, dass fossile Anlagen aus wirtschaftlichen Gründen länger laufen. Klimaschutz, fossile Investitionen, keine wirtschaftlichen Verluste – geht das überhaupt? Umweltschützer:innen, die den Gipfel von Garmisch-Partenkirchen aus beobachten, sind skeptisch. „Formal hebelt die G7 durch die klare Bindung an das 1,5-Grad-Limit nicht die wichtigen Beschlüsse der Glasgower Klimakonferenz aus“, meint Christoph Bals von der Umweltorganisation Germanwatch. „Fraglich bleibt aber, ob Investitionen in Gas den Beschlüssen der Klimakonferenz nicht dennoch zuwiderlaufen.“

Zu Olaf Scholz’ großem Projekt, einem Klimaclub, haben die G7-Chefs eine gemeinsame Erklärung abgegeben. Die zwischenstaatliche Gruppe soll zusammen an bestimmten Klima­zielen arbeiten und soll noch in diesem Jahr gegründet werden. Außerdem versprechen die sieben Länder, den „Stromsektor bis 2035 vollständig oder überwiegend zu dekarbonisieren“ und den „Straßenverkehrssektor bis 2030 weitgehend zu dekarbonisieren“.

Klimaschutz, fossile Investitionen, keine wirtschaftlichen Verluste – geht das alles überhaupt zusammen?

Generell sei von dem Gipfel aber nicht das erhoffte Aufbruchssignal für den Klimaschutz gekommen, meint Bals. „Stattdessen musste vor allem klimapolitische Schadensbegrenzung betrieben werden.“

Ernüchternd sind auch die Zusagen der G7 bei der Bekämpfung der sich immer weiter zuspitzenden Hungerkrise in einigen Teilen der Welt. Dem Welternährungsprogramm zufolge sind aktuell rund 345 Millionen Menschen akut von Nahrungsmittelknappheit bedroht. Innerhalb von gut zwei Jahren habe sich die Zahl damit mehr als verdoppelt. „Das sind viermal so viele, wie in Deutschland leben“, stellte auch Olaf Scholz auf der Abschlusspressekonferenz fest. Laut Experten droht die schlimmste humanitäre Krise seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs.

Zu wenig Geld für die Hungerkrise

Nach Angaben der Vereinten Nationen werden derzeit rund 44 Milliarden Euro benötigt, um diese Krise wirksam einzudämmen. Bislang hatten Geberländer nur etwa die Hälfte zugesagt. Die G7-Staats- und -Regierungschefs sagten zum Abschluss ihres Gipfels nun weitere rund 4,3 Milliarden Euro zu. Etwa 10 Milliarden Euro werden also noch akut gebraucht.

Zu wenig, kritisiert Charlotte Becker von der Entwicklungsorganisation Oxfam. Um die aktuellen Hungerkrisen zu bekämpfen, brauche es deutlich mehr. Zudem griffen die Beschlüsse viel zu kurz: Es fehle ein Schuldenerlass. Auf jeden Dollar an Hilfsgeldern kämen zwei Dollar, den einkommensschwache Länder an ihre Gläubiger zahlen müssen, oft Banken in New York oder London. Oxfam bezeichnet die Gipfelbeschlüsse als „Blendwerk, das vom historischen Versagen der G7 ablenken soll“.

Immerhin haben die G7-Staaten zugesagt, ihre Bemühungen zu verstärken, der Ukraine bei der Produktion und bei der Ausfuhr landwirtschaftlicher Güter zu helfen. Vor allem Länder Ostafrikas hängen von den ukrainischen Exporten ab. Russland blockiert derzeit im Schwarzen Meer aber sämtliche Transportschiffe aus der Ukraine.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.