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Ergebnisse des EU-GipfelsNicht alle wollen aufrüsten

Beim EU-Gipfel gab es Kritik an dem Verteidigungspaket der Kommission. Die Finanzierung bleibt unklar.

EU-Gipfel in Brüssel: Nicht alle EU-Staaten sind erfreut über die Pläne der EU-Kommission zur Verteidigung Foto: Omar Havana/AP/dpa

Brüssel taz | Die europäischen Pläne zur Aufrüstung und zur Waffenhilfe für die Ukraine sind überraschend auf Kritik gestoßen. Beim EU-Gipfel, der am Donnerstag in Brüssel tagte, scherte nicht nur wie erwartet Ungarn aus. Auch aus Spanien, Griechenland und mehreren osteuropäischen Ländern kamen Vorbehalte und Änderungswünsche.

Auf dem Tisch lagen zwei Vorschläge: Der Plan von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zur „Wiederbewaffnung“ der Europäischen Union – und ein Vorstoß der Außenbeauftragten Kaja Kallas, die mehr Waffen und Munition für die Ukraine fordert. Bei von der Leyen geht es um bis zu 800 Milliarden Euro, bei Kallas um bis zu 40 Milliarden.

Beide Vorschläge sind nur durch eine massive Neuverschuldung und das Aushöhlen der bereits weitgehend leeren nationalen Armeebestände umzusetzen. Deutschland sagte Unterstützung zu, es ist wohl das einzige Land, das die EU-Pläne aus eigenen Mitteln bestreiten kann – vor allem wegen der geplanten Aufhebung der Schuldenbremse für die Verteidigung.

Deutschland sei jetzt schon mit Abstand der größte Hilfsgeber für die Ukraine, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz bei seinem wohl letzten EU-Gipfel. Wenn der Bundesrat am Freitag zustimmt, könne die deutsche Militärhilfe für die Ukraine nochmals von 4 auf 7 Milliarden Euro aufgestockt werden.

Spanien äußert Skepsis

Anders äußerte sich der spanische Regierungschef Pedro Sanchez. Ihm gefalle das Wort „Wiederbewaffnung“ nicht. „Die Herausforderungen, mit denen wir in der südlichen Nachbarschaft konfrontiert sind, unterscheiden sich ein wenig“ von der Lage im Osten. Die EU müsse mehr gegen die irreguläre Migration und den Terrorismus tun.

Demgegenüber fordern viele Osteuropäer, die Hilfe für die Ukraine auszuweiten. „Wenn sie stärker auf dem Schlachtfeld ist, ist sie auch stärker am Verhandlungstisch“, betonte Kallas. Der finnische Ministerpräsident Petteri Orpo und der litauische Präsident Gitanas Nauseda forderten, das Land noch vor 2030 in die EU aufzunehmen.

Einigen Osteuropäern gehen auch die Pläne zur Aufrüstung nicht weit genug. Doch auch hier fehlt das Geld. Der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis forderte deshalb eine Diskussion über eine gemeinschaftliche Verschuldung auf EU-Ebene für Verteidigungsausgaben.

Die Pläne aus Brüssel sehen bisher vor allem mehr Schulden bei den Mitgliedsstaaten vor. Von den bis zu 800 Milliarden Euro sollen nur 150 Milliarden aus einem neuen Finanztopf kommen – allerdings nur als rückzahlbare Darlehen, nicht als dauerhafte Zuschüsse. Weitere EU-Schulden, etwa in Form von Eurobonds, lehnt Deutschland ab.

EU kritisiert Verhandlungen ohne ihre Beteiligung

Unzufriedenheit gab es beim EU-Gipfel auch mit Blick auf die Gespräche zwischen den USA und Russland über eine Friedenslösung in der Ukraine. Die EU müsse mit am Verhandlungstisch sitzen, hieß es. Bisher haben die Europäer aber keinen eigenen Plan. Scholz betonte, dass eine Waffenruhe nur auf Basis der ukrainischen Vorschläge möglich sei.

Scharfe Kritik kam aus dem Kreml in Moskau. „Die Signale aus Brüssel und den europäischen Hauptstädten betreffen größtenteils Pläne zur Militarisierung Europas“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow. Dadurch sei Europa zu „einer Art Kriegspartei“ geworden. Dies passe nicht zu den russischen Gesprächen mit den USA über eine Waffenruhe.

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12 Kommentare

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  • Dummerweise hat die Geschichte ja schon gezeigt, dass der russische Imperialismus nur massives Aufrüsten zum Einlenken zu bewegen ist. Vielleicht erleben wir ja wirklich nochmals, dass sich dort erst dann wieder etwas hin zu friedlichen Absichten ändert, wenn sie ihren Kriegskurs nicht mehr bezahlen können.

  • Europa hat keinen Plan, nur von der Leyen, die gerne mit Milliarden hantiert.

  • Tja, die EU verhält sich so, wie es eben Halbstarke tun: große Klappe, wenn es aber darauf ankommt, dann ist man doch eher kleinlaut. Nach diesem narrativen Rausch (Eklat in Washington) wirkt das demokratische Runterkommen ernüchternd. Die sog. Kriegstüchtigkeit bzw. Wiederbewaffnung ist halt ein Langzeitprojekt. So einfach, wie sich das so einige vorstellen, funktioniert es eben nicht.



    Ukraine dagegen ist ein Echtzeitprojekt. Diese Finanzierung muss sofort geklärt werden. Nicht die EU befindet sich im Krieg (wenn Putin mitspielt, erst in 5 Jahren), sondern die Ukraine. Alle EU-Staaten, die sich diese Echtzeit-Überweisung leisten können, sollten sie durchziehen. Bei meiner Bank dauert sie nur 10 Sekunden....

  • Ich weiß, daß die Bevölkerung dazu ja praktisch nicht gehört wird, aber der Ausblick darauf, wie man das in 4 Jahren dem Wähler verkaufen möchte, wenn dann der Krieg in der Ukraine immer noch andauert, ist ausgesprochen beängstigend.



    Noch hat man die nicht völlig schlüssige Erzählung, daß die Bedrohung von außen größer ist als die von innen, doch diese hat ihr Mindesthaltbarkeitsdatum womöglich schnell erreicht.

    • @Klaus Franz:

      "Ich weiß, daß die Bevölkerung dazu ja praktisch nicht gehört wird, aber der Ausblick darauf, wie man das in 4 Jahren dem Wähler verkaufen möchte, wenn dann der Krieg in der Ukraine immer noch andauert, ist ausgesprochen beängstigend."

      Also ob Europa in der Hand hätte wie lange der Krieg noch dauert...

      "Noch hat man die nicht völlig schlüssige Erzählung, daß die Bedrohung von außen größer ist als die von innen, doch diese hat ihr Mindesthaltbarkeitsdatum womöglich schnell erreicht."

      Von welcher inneren Bedrohung sprechen Sie? Alle potentiellen inneren Bedrohungen liegen ideologisch auf Linie mit Putin....

  • "Ihm gefalle das Wort „Wiederbewaffnung“ nicht. „Die Herausforderungen, mit denen wir in der südlichen Nachbarschaft konfrontiert sind, unterscheiden sich ein wenig“ von der Lage im Osten. Die EU müsse mehr gegen die irreguläre Migration und den Terrorismus tun."



    Die EU braucht eine neue Verfassung und eine Ausstattung mit mehr Macht, sonst wird es mit dem Wort Disruption zu beschreiben sein, was die gemeinsame Zukunft angeht.



    Quelle zeit.de 2018:



    "Es steht gerade schlecht um die politische Idee, die noch vor sechs Jahren den Friedensnobelpreis erhielt."



    Weiter dort:



    "Wir müssen die Europäische Union neu denken und rechtlich neu konstruieren. Die EU muss in fünf Schritten in einen neuen Rechts- und Gemütszustand gehoben werden. Dafür braucht es einen Erneuerungsimpuls, der die Idee des Zusammenschlusses wiederbelebt und über die rein wirtschaftliche Entwicklung hinausragt."



    An einer neuen Initiative durch Merz u. Macron z. Organisation der geplanten Verteidigung geht wohl kein Weg vorbei.



    Damals weiter:



    "Der französische Präsident Emmanuel Macron, in vielerlei Hinsicht eine Ausnahme, traute sich schon Anfang 2017 das Ungeheuerliche, aber nicht mehr Unwahrscheinliche auszusprechen."

  • Sanchez sagt immerhin ehrlich, dass ihn die Bedrohung in Osteuropa eigentlich nicht interessiert.

    Spanien und Griechenland gehen vermutlich davon aus, dass Putin zu ihnen nicht kommt.

    Solidarität sieht anders aus.

    Darin drückt sich aus, was ich die ganze Zeit vermute.

    Wird ein westeuropäisches Land wirklich bereit sein, seine Soldaten sterben zu lassen, um die Freiheit von Estland oder Litauen zu schützen?

    Vielleicht sind nicht nur die Jahre der NATO gezählt, sondern auch die der EU.

    • @rero:

      Das wirklich Bittere ist, daß Griechenland innerhalb der NATO die drittstärkste Panzerarmee hat und auch sonst sehr stark hochgerüstet ist, allerdings wegen der Wahrnehmung der Türkei als Gegner, dem zweitgrößten Truppensteller innerhalb der NATO.



      Wird gerne vergessen, daß auch innerhalb Eropas und innerhalb der NATO nicht überall Putin als die schlimmste Bedrohung gesehen wird.



      Ja, die Griechen und die Türken bezahlen genug für die Rüstung, nur halt für ein einfaches Ziel: Landesverteidigung.



      Wir könnten ja die afghanischen Hilfskräfte fragen, ob sie, wenn sie hierherkommen, einen Teil dessen mitbringen würden, was wir an Landesverteidigung im Hindukusch haben liegen lassen.



      Es wäre eine Entlastung.

      Wenn wählen nicht hilft, hilft nur noch Humor!

  • Braucht Brüssel eine EU-Garde zum Schutz von vdL?



    Bürokraten-Brüssel wäre idealer Standort für die Etappe ... :p

  • '"Wieder"bewaffung der EU. Hä? vdL kapituliert vor der Geschichte.

    Es gibt ja bereits EU-Kampfverbünde:

    de.wikipedia.org/w...legroup#Geschichte

    • @Uwe Kulick:

      Frau von der Leyens Erfolgsgeheimnisse sind:



      Sie muss es nicht bezahlen.



      Sie muss es nicht ausbaden.



      Sie muss es nur verkaufen und da muss sie keinerlei argumentativen Widerstand befürchten.

      Wenn sich so viele so überaus einig sind, daß sie einzig und ganz besonders vernünftig sind, dann ist es immer eine Verkaufsveranstaltung und was macht man da?



      Genau, man schaltet auf einen anderen Sender ;o)

    • @Uwe Kulick:

      Aus Ihrem Link: "Die Gesamtstärke ... beträgt ungefähr 1.500".



      Nicht der Rede wert gegenüber Putins imperialem Vernichtungs- und Eroberungskrieg und auch nicht für solche Verteidigung gedacht.