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Entlastung für hohe EnergiepreiseWie der Staat helfen könnte

Die Preise für Gas und Strom steigen und steigen – für viele BürgerInnen ins Unbezahlbare. So sehen die Vorschläge zur Entlastung aus.

Weil immer weniger kommt, wird es immer teurer: Gas-Flamme Foto: Panama pictures/imago

Die massiv steigenden Energiepreise erzeugen immer neue Ideen, wie der Staat die Menschen entlasten könnte. Schließlich ist zu erwarten, dass sich allein die Gasrechnung in vielen Haushalten in Deutschland in den kommenden Monaten locker vervierfachen kann. Auch beim Strom sind erhebliche Aufschläge zu erwarten, die für viele Menschen schwer zu stemmen sein werden.

Allerdings hat die Bundesregierung bislang wenig konkrete Entlastungspakete angekündigt. Immerhin soll im September eine Energiepauschale von einmalig 300 Euro kommen. Marcel Fratzscher, der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), hatte nun am Mittwoch einen neuen, für die Staatskasse bedeutend teureren Vorschlag: „Das beste Instrument sind direkte Transferzahlungen wie ein Energiegeld von 100 Euro pro Person und pro Monat für die kommenden 18 Monate.“

Der Vorschlag des SPD-nahen Ökonomen blieb erst einmal unpräzise, denn auch auf Rückfrage konnte das DIW noch nicht benennen, für welche Einkommensgruppen diese Auszahlungen wohl angemessen seien. In einer Kurzexpertise für die Diakonie Deutschland hatte die DIW-Tochter Econ im Juli den Kreis der Bezieher noch sehr eng gezogen und monatlich 100 Euro „pro Leistungsberechtigten in Grundsicherung“ angeregt. Die Studie räumte aber bereits ein, dass der Kreis der Berechtigten damit wohl zu klein sein könnte, weil zum Beispiel Menschen mit geringer Rente nicht profitieren würden.

Kanzler nennt Einkommensgrenze

Sollte die Politik sich zu einer Art zeitlich begrenztem Energiegeld durchringen, wäre die Einkommensgrenze der wohl wichtigste Aspekt, den es zu klären gäbe. Erste Ideen für eine Grenze kursieren bereits: „Es geht mir um diejenigen, die 2.800, 3.200 oder 4.000 Euro brutto im Monat verdienen, für die das alles große Herausforderungen sind“, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Offen ließ er aber, ob damit das gesamte Haushaltseinkommen oder Einzeleinkünfte gemeint sind.

Klar ist jedenfalls: Ein solches Energiegeld würde richtig teuer, vor allem, wenn man es nicht auf Transferleistungsempfänger beschränken, sondern auch auf Teile zumindest der unteren Mittelschicht ausdehnen würde.

Diese Ausweitung könnte aus Gründen der gesellschaftlichen Akzeptanz nötig werden. Angenommen, das Programm würde jeden dritten Bundesbürger erreichen, dann ergäben sich bei der vom DIW avisierten Auszahlung über 18 Monate für den Staat Kosten in einer Größenordnung um 50 Milliarden Euro.

Unterdessen kursierten in den letzten Tagen weitere Vorschläge. Einer betraf die neue Gasumlage von gut 2,4 Cent je Kilowattstunde, mit der der Staat große Erdgasimporteure – speziell Uniper – auffangen will. Diese Umlage, die ab Oktober erhoben werden soll, sollte von der Mehrwertsteuer befreit werden.

Mehrwertsteuer auf Energie senken

Zwischenzeitlich ist das Konzept aber an der EU gescheitert, denn eine solche Befreiung stünde im Widerspruch zur grundsätzlichen Umsatzsteuersystematik. Zudem verursachen Umsatzsteueränderungen einen hohen bürokratischen Aufwand. Das Chaos, in das die Bundesregierung mit ihrer sechsmonatigen Mehrwertsteuersenkung im Coronajahr 2020 die Buchhaltungen der Unternehmen stürzte, zeigt das eindrücklich.

Andere Vorschläge gehen nun dahin, den Mehrwertsteuersatz für Strom und Gas grundsätzlich von derzeit 19 auf nur noch 7 Prozent zu senken. Ein Verfechter dieser Idee ist die Energiewirtschaft, namentlich der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft.

Ein staatlicher Bonus für jene Haushalte, die im Vergleich zum Vorjahr am meisten Erdgas sparen, ist ein weiterer Gedanke, der bereits diskutiert wurde. Bei diesem Konzept ergäbe sich aber die bizarre Konstellation, dass jene Bürger im Nachteil wären, die schon immer sparsam mit Energie umgingen. Auch Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) lehnte das Konzept sofort ab; die hohen Preise für Erdgas böten alleine schon genug Sparanreize, sagte er.

Gleichwohl hat jetzt der Energiekonzern EnBW eine solche Gassparprämie von 100 Euro auf den Weg gebracht. Diese zahlt das Unternehmen jedem Kunde, der im kommenden Winter 10 Prozent Gas einspart. Der Verbrauch wird aber temperaturbereinigt – das Hoffen auf einen milden Winter reicht also nicht.

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18 Kommentare

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  • So schön Entlastung ist - warum warum soll nun der Staat (und damit auf Umwegen der Steuerzahler) die Gewinne der Energie"spekulaten" bezahlen?

  • Im Sinne des Klimaschutz ein Kontinent an Gas und Energie pro Kopf zum Normalpreis festlegen. Verbrauch darüberhinaus höher berechnen. Vorrangig sollte jetzt der Klimawandel gestoppt werden !

  • Nur das Gas direkt zu vergünstigen ist nicht ausreichend. Die Preisbildung an der Strombörse ist nicht frei, sondern richtet sich nach dem höchsten Preis, was aktuell durch Gas erzeugter Strom ist.



    Es ist also nicht sinnvoll die USt auf Gas zu verringern, sondern besser den Gaspreis direkt zu deckeln.

  • G
    Gast

    Alle gesellschaftlichen Schichten müssen ihren Verbrauch reduzieren und bei den Nicht-Reichen erreicht man das nunmal am besten über den Preis.

    Das funktioniert aber nur wenn der Preis auch persönlich weh tut. Wenn sich alle weiterhin den selben Verbrauch finanziell leisten können wie bisher, wird es keine ausreichende Einsparung geben. Jede Ausgleichszahlung oder künstliche Preissenkung/-deckelung wirkt dem entgegen und ist klimaschädlich.

    Für Strom, Benzin, Fleisch, usw. gilt das ganz genauso. Der Preis muss so hoch sein, dass es sich eben nicht mehr jeder im gewohnten Umfang leisten kann. Das trifft notwendigerweise einen großen Teil der Bevölkerung, denn der Reiche wird sich diese Dinge immer leisten können. Eine Klimapolitik nur zulasten der Reichen wird nicht funktionieren, erhebliche Einschränkungen im Lebensstil und Lebensstandard des größten Teils der Bevölkerung sind notwenig. Dieses Opfer sollte es uns wert sein. Tun wir das nicht, wird der Klimawandel langfristig ein weiter so ohnehin unmöglich machen.

  • Mehrheit für Gaspreisdeckel



    www.spiegel.de/pol...-bc4a-ce971a58de12



    Noch größere Mehrheit für MWStSenkung("Ein weiterer Vorschlag zur Entlastung der Privathaushalte (...) kürzlich aus der Energiewirtschaft" (ebd.)



    Die LINKE hatte ebenfalls Senkung der MWSt gefordert - allerdings auch einen Gas- und auch Strompreisdeckel sowie Übergewinnsteuer.

  • Klar ist, und dies weiß auch die Ampel, dass die untere Mittelschicht politisch nach rechts rücken wird, wenn ausgleichende Hilfe des Staates ausbleiben sollte.



    Doch was ich bei allen Vorschlägen vermisse, Anreize für BEIDE Seiten (Staat & Verbraucher) zu setzen, welche ZUGLEICH zu einer gesicherten Reduzierung des Gasverbrauches führen werden.



    Und darum sollte es doch eigentlich gehen.

    Mein Vorschlag:



    Ausgehend von den pro Haushaltsgröße vorliegenden statistisch erfassten Durchschnitts-Verbrauchswerten rechnen wir 15% runter. Bis zu diesem Bereich von 85% statistischem Durchschnittsverbrauch, bleibt der "alte" Gaspreis für den Haushalt der gleiche, ohne dass der Kunde strauchelnde Energiekonzerne durch das Bezahlen erhöhter Gaspreise, bzw. per Gasumlage mitfinanzieren müsste.

    Übersteigt jedoch der Haushalt den um 15% geminderten Durchschnittsverbrauch von 85%, so zahlt der Haushalt für den überschießenden Verbrauch den an den aktuellen Weltmarktpreis angepassten Gaspreis; OHNE dass der Staat dafür zuschießt.

    Vorteil: Dies ist gerecht; für den einzelnen Haushalt selbst steuerbar; nützlich in Sachen Klimawandel und nützlich in Sachen NOTWENDIGER Minderung des Gasverbrauches; auch ist dies wärmebezogen "aushaltbar".

    UND der Gasverbrauch sinkt real, vermutlich sogar um die wichtigen 10%, welche laut Auskunft der "Experten" uns dann insgesamt gut über den Winter helfen.

    UND eine solche Regelung ist mit vertretbarem Aufwand verbunden, und insgesamt sicherlich "billiger", als die genannten 50.000.000.000 EUR.

    UND wenn z.B. ein Vierpersonenhaushalt keine "normalgroße" Wohnung bewohnt, sondern in einer 800Wohn-qm-Villa residiert, dann wird der Villa-Haushalt ganz automatisch mehr bezahlen, als der Vierpersonenhaushalt in der normalgroßen Wohnung.

    Also könnte auch hierüber ein sozial gerechter Ausgleich geschaffen werden.

    ;-)

  • Im Moment wird jeder Vorschlag sofort von anderer Seite zerredet. Das Ei des Kolumus wird man nie finden, aber jede Maßnahme ist jetzt doch besser als keine Maßnahme. Und die Entlastung muss weit in die Mittelschicht reingehen, welche das Rückgrat und der Motor unserer Gesellschaft ist, denn mit Sozialhilfeempfängern allein wird Scholz keine Wahl mehr gewinnen.

  • Es sollte überhaupt keine Entlastung bei den Energiepreisen geben. Sie sollten weiter ansteigen, ebenfalls das Fleisch.

    Wir befinden uns an einem Abgrund, aber wollen ausgerechnet das nicht verteuern, was uns in den Abgrund treibt.

    Ist dies unsozial?

    Keineswegs, denn im Gegenzug sollte der Harz-IV Satz endlich menschenwürdig gestaltet werden (also massiv ansteigen) und klimafreundliche Produkte und Dienstleistungen, wie Pflanzenprodukte und öffentlicher Verkehr, sollten so stark subventioniert werden, dass diese für alle preisgünstig und erschwinglich sind.

    • @PolitDiscussion:

      Den Hatz4-Beziehern können die Heizpreise egal sein, zahlt eh der Staat. Sollte der Hartz4-Satz "massiv" steigen wird es massiv mehr Aufstocker geben, denen zahlt dann auch der Staat die Heizkosten. Und bei so einem massiven Anstieg von Hartz4 werden sich die Leute auch noch den Strom und das Fleisch leisten können. Bitter wirds dann für die, die knapp über der Aufstockgrenze liegen.

  • Grundsätzlich müssen die Eigentümer der s.g. Gas-Konzerne zahlen. Eine unabhängige Expertenkommission muss die Einnahmen und Ausgaben, sowie die Eigentümerstruktur der s.g. Gas-Konzerne prüfen und veröffentlichen.

  • Als Maßstab das Brutto eines Bürgers anzusetzen ist doch keine wirklich gute Idee für so eine Maßnahme.

    Deutlich besser wäre das pro Kopf verfügbare Haushaltseinkommen.

  • Wie "überraschend" - keine Vorschläge in Sicht, welche die verdoppelten bis verfünffachten Milliardengewinne der Energiekonzerne (meist europäischer, also nicht grundsätzlich außerhalb der Reichweite europäischer Politiker) antasten könnten. Nur diverse Varianten von "Tankrabatt"...

  • 9G
    99397 (Profil gelöscht)

    Diese Regierung hat uns diese Energiepreise eingebrockt mit ihrem wilden "Embargo"-Getöse - davon will sie allerdings nichts mehr wissen, schuld ist wie seit 70 Jahren "der Russe".



    Diese Regierung hat auf die Energiepreise noch diese unselige Aktionärs-Schutz-Umlage draufgepackt.



    Diese Regierung ist nicht in der Lage, sich gegen angebliche EU-Zwänge bezüglich Mehrwertsteuer durchzustezen - Herr Orban zB macht das bei gefühlt jedem Thema. Diese Regierung verhöhnt die Bürger mit den 300 € als Bonbon und lässt dabei kalt lächelnd die Rentner im Regen stehen (sonst bliebe uU nicht genug für Besserverdienende). Wer erwartet jetzt irgendetwas Profundes von dieser Regierung ?

    • @99397 (Profil gelöscht):

      Soweit ich sehe war es nicht die Regierung Scholz die in die Ukraine einmarschiert ist.



      Und was macht sie so sicher, dass ausschließlich die Sanktionen der Anlass für den Kreml waren die Gas-Lieferungen einzuschränken. Die Möglichkeit dazu wäre in einem Szenario ohne Sanktionen in dem man aber dennoch die Ukraine unterstüzte ganz genauso gegeben. Letztlich müsste man sich also mindestens jedweder(!) Positionierung enthalten oder um ganz sicher zu sein wohl besser gleich ganz auf die Seite Russlands schlagen. Ist das wirklich die außenpolitische Richtung die sie sich wünschen?



      Und wäre ihnen ein wirklich ein Politiker vom Schlage eines Orban auf pro-russischem Kurs im Kanzleramt ebenso recht wie eine BRD die sich als größtes Mitglied der EU offen gegen Brüssel wendet und damit ein Auseinanderbrechen der EU riskiert in der Hoffnung damit noch ein paar Jahre länger billige, fossile Energie beziehen zu können?

    • @99397 (Profil gelöscht):

      Sie sind mir ja ein Spaßvogel.

      Diese Regierung ist vollumfänglich damit beschäftigt, den Müll von 16 Jahren CDU geführten Regierungen zu beseitigen. Kein Gut geführtes Unternehmen würde sich in eine derart einseitige Energieabhängigkeit begeben.



      Im Solarbereich sieht es sogar noch schlimmer aus. Die Abhängigkeit von China ist hier noch weit größer. Dies zeigt sich in den stockenden Lieferketten sehr deutlich. Und dazu benötigt es keinen Krieg.

      Die Ungarn verkaufen gerade ihre Seele. Gesellen sie sich dazu?

      • @Gorch:

        Der User Krannich hat gar nicht mal so Unrecht. Es müssen die Eigentümer ausgleichen. Zunächst einmal muss der Sachverhalt (u.a. Einnahmen, Ausgaben, fin. Berechtigte/Profiteure) transparent gemacht werden. Kommt nächstens die Benzinmotoren-Umlage, weil er endlich verboten wurde?!

      • 9G
        99397 (Profil gelöscht)
        @Gorch:

        Leider konnten Sie mir nicht sagen, was Sie nun als Spaß empfanden und warum. Leider scheinen Sie auch nicht verstanden zu haben, dass es gerade die Untenehmen (die wir nun alle pampern müssen) waren, die des günstigen Preises wegen vor allem bei einem kauften.

        [...]

        Dieser Kommentar wurde gekürzt. Bitte halten Sie sich an die Netiquette. Die Moderation

      • @Gorch:

        Wesentliche Teile dieser Regierung waren 12 von 16 Jahren an dieser Regierung beteiligt. Und zwar in wichtigen Ministerien, wie die für Finanzen, Auswärtiges, Arbeit, Umwelt, Justiz usw.

        Falls sie nicht wissen, wen ich meine, helfe ich ihnen gerne, die SPD!

        Und ja, die von mir beispielhaft benannten Ministerien hatten sie jedes Mal inne! Allenfalls räumen die nun den Müll weg, den die mit angerichtet haben. Aber ausgehend vom anfänglichen Umgang des BK Scholz mit Putin kann die Ablehnung der damaligen Politik nicht so groß sein, wenn es nicht sogar (siehe Schröder) die eigene Linie war.