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EnergiewendeFachkräften fehlt grüne Kompetenz

Bei der Suche nach Spezialisten in alten Anforderungsprofilen zu denken, ist zu wenig, so eine Studie. Für die Energiewende braucht es neues Know how.

Nicht je­de:r Dach­de­cke­r:in kann auch Solarpanele installieren. Hier sieht es aber gut aus Foto: dpa

Gütersloh dpa | Fehlende Fachkräfte drohen die Energiewende auszubremsen. Die Bertelsmann Stiftung hat analysiert, inwieweit etwa traditionelle Handwerksberufe für die Aufgaben der Energiewende vorbereitet sind. Laut der jetzt veröffentlichten Studie gibt es außer den bereits heute fehlenden rund 300.000 Fachkräften auch eine Kompetenzlücke.

Am Beispiel von Dachdeckern: Wer gekonnt Einfamilienhäuser mit Dachpfannen bestückt, kann nicht automatisch auch Photovoltaikanlagen auf dem Dach installieren. Dabei wird jeder vierte Dachdecker von Solarunternehmen gesucht, wie eine Auswertung der Stiftung von 2,7 Millionen Online-Stellenanzeigen ergeben hat.

Dabei liegt der Ähnlichkeitswert der benötigten Kompetenzen im Dachdeckerhandwerk im Vergleich des traditionellen Einsatzfeldes und der Solarbranche bei lediglich 0,71. Bei einer Übereinstimmung von 100 Prozent läge der Wert bei 1, wie die Autoren erklären. Wissen um Solarthermie, Photovoltaikanlagen und die Montage von Versorgungstechnik erwarten die Arbeitgeber von den Dachdeckerinnen und Dachdeckern.

Große Lücke bei Windenergie

Bei der Windenergie werden ebenfalls noch mehr zusätzliche Kompetenzen erwartet. Hier liegt der Ähnlichkeitswert in der Gesamtwirtschaft und der Windbranche laut den Autoren nur bei 0,77. Bei den Fachkräften für Bauelektrik liegt der Wert mit 0,64 sogar noch niedriger. „Zentral für Fachkräfte der Bauelektrik in der Windbranche sind Kompetenzen im Bereich Inbetriebnahme und Wartung von Windkraftanlagen“, schreiben die Studienautoren. Bei klassischen Bauelektrikern seien vor allem Elektroinstallation und Montage von Elektrotechnik gefragt.

„Die starken Unterschiede bei den Kompetenzanforderungen innerhalb eines Berufes zeigen, dass der Blick auf die Zahl der Arbeitskräfte allein nicht ausreicht“, sagt Jana Fingerhut, Arbeitsmarktexpertin der Bertelsmann Stiftung. „Wir brauchen nicht nur mehr Fachkräfte. Sie müssen eben auch die richtigen Kompetenzen für die Aufgaben in der Wind- und Solarbranche mitbringen. Diese Kompetenzen müssen erst erlernt werden.“

Daher benötigten die Branchen der Energiewende mehr gezielte Weiterbildungen, die sich sowohl an Menschen mit abgeschlossener Berufsausbildung richteten als auch an diejenigen mit Berufserfahrungen, aber ohne einen anerkannten Abschluss.

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15 Kommentare

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  • Ja, aber...



    es ist schon ganz hilfreich, Weiter zu bilden und nicht nur Fachidioten heranzuziehen, die Panels tragen und anschrauben können.



    So ist bei der ganzen Sache auch hilfreich, wenn das Dach anschließend noch dicht ist.



    Das ist leider keineswegs so selbstverständlich, wie es sich anhört.



    Auch das gängige Abschneiden der Kanalentlüfter auf dem Dach ist längerfristig, wenn es wieder aus den Waschbecken "riecht" , eine wenig überzeugende Technik.



    Derzeit ist auch das "Wie" des schnellen Internetausbaus in Verruf.



    Angefangen von nicht abgesicherten Baustellen über mangelnde Absprachen, bis hin zu fehlerhaften Straßenbauarbeiten gibt es diverse Probleme.



    Auch wenn Zuwanderung ein Weg aus dem Facharbeitermangel darstellt, ist es schon hilfreich, wenn wenigstens Einer in der Kolonne deutsch spricht oder immerhin Englischkenntnisse über den Satz: " do you speak english?" hinausgehen.



    Es ist heutzutage wohl ziemlich normal, dass Fortbildung im Beruf berufsbegleitend ist und nie endet.



    Dennoch sollten die klassischen Handwerksberufe weiterhin erstmal Grundlegendes vermitteln.



    Je nach Spezialisierung des Betriebes muss eben fortgebildet werden.

    • @Philippo1000:

      Wenn denn der "Abwasserhut" fachgerecht entfernt wird, kann so etwas auch funktionieren. Auch ohne Gestank.



      Wenn es denn normgerecht ausgeführt wird, nachdem vor wenigen Jahren endlich mal der Normungsausschuss zugestimmt hat auch ohne "Abwasserhut" auszukommen, obwohl das schon Jahrzehnte zuvor Weltweit zu keinen Problemen führte. Aber in unserem Land war es trotzdem verboten, denn es ging tatsächlich immer nur um Patentrechte, die vor wenigen Jahren auch für die Industriemitglieder des betreffenden Normungsausschusses keine Hindernisse mehr darstellten und endlich mit dem eigenen Produkt der Markt bespielt werden sollte.



      Tja für den Einbau einer PV-Anlage können zeitweise auch weitergehende Fähigkeiten gefragt sein, weitergehend als man denkt.

  • taz: *... Arbeitsmarktexpertin der Bertelsmann Stiftung ...*

    Bei dem Wort 'Bertelsmann-Stiftung' gehen bei mir immer die Alarmglocken an. Da frage ich mich sofort: "Was hat die Bertelsmann-Stiftung jetzt wieder vor, um den deutschen Sozialstaat noch mehr umzuformen?"

    ***Hinter dieser Stiftung steht keine irgendwie demokratisch legitimierte gesellschaftliche Gruppe, dahinter steht eine private institutionelle Macht des Reichtums, die streng hierarchisch organisiert ihren Einfluss über das gesamte politische System ausdehnt, unter dem beschönigenden Etikett eines »zivilgesellschaftlichen Engagements« die demokratisch legitimierte Machtverteilung zwischen Verbänden, Parteien, Parlamenten und Exekutive unterwandert und gleichzeitig mit der Medienmacht des Bertelsmann Konzerns die öffentliche Meinung prägt.*** [Quelle: SPD-Karlsruhe.de]

  • Und wenn HausbewohnerInnen/-eigentümerInnen bei Starkwind die Anlage im wahrsten Sinne des Wortes um die Ohren fliegt, war vielleicht die Berechnung falsch oder Fehlanzeige, denn auch Extremwetterlagen sind ein erkennbares Kalkulationsrisiko.



    So verstand ich einen Radiobeitrag dazu, in dem die Handwerkskammern zitiert wurden als Initiatoren eines neuen Fachbeufes mit der entsprechenden Attraktivität für junge Leute.

  • Stellt euch auf 150€/Stunde für qualifizierte Handwerker ein.



    Selbst wenn man heute intensiv ausbilden würde (und überhaupt Interessierte findet), die Lücke wäre frühestens in 10 Jahren gedeckt. Und weil dies so ist, ist eine Migration Qualifizierter unerlässlich. Nur warum sollten die zu uns kommen, wo ihnen oft Hass entgegen schlägt, während sie in anderen Ländern auch noch deutlich besser verdienen können. Hinzu kommt, dass wir mit Abwerbung solcher Fachkräfte in deren Herkunftsländern schwere Lücken reißen, siehe akuten Kranken- und Pflegepersonalnotstand in Bulgarien und Rumänien durch Abwerbung.

  • Das ist nicht das wirkliche Problem.



    Schon mal von "Multiplikatoren" gehört?



    Ein Experte gibt sein Wissen an 5 andere Personen weiter, von diesen 5 geben 3 wiederum an 15 weitere Personen ihr Wissen weiter. Alte wenn nicht uralte Methode.



    Das können sowohl Firmen selbst als auch staatlich geförderte Ausbildungen vorantreiben. Aber vorher muss man wahrscheinlich das Branschutzgesetz auswendig können, fehlerfrei deutsch sprechen und Schuhgröße nicht über 44 haben.



    Das ist Deutschland! Dann lebt damit und hört auf ständig zu jammern und vor allem jagt die unfähigsten Politiker bei der nächsten Wahl zum Teufel.

    • @Horst Schlichter:

      "Schon mal von "Multiplikatoren" gehört?"

      Ja. Und nicht jeder, der in der Lage ist, Erlerntes anzuwenden, ist auch geeignet oder in der Lage, dieses Wissen auch weiterzugeben. Wenn man da nicht aufpasst und sorgfältig auswählt, wird das ganz schnell "Stille Post für Fortgeschrittene"

    • @Horst Schlichter:

      Ein Schneeballsystem hat noch nie funktioniert.



      Und nicht jeder ist in der Lage auszubilden. Der beste Geselle ist nicht zwingend auch der beste Ausbilder

  • Ein interessanter Artikel zu wichtigen Themen. Z. B. auch die innerbetriebliche Weiterbildung, soweit Eben doch Fachkräfte im Unternehmen noch zur Verfügung stehen. Kleinen Handwerksbetrieben fällt es allerdings schwerer, innerbetriebliche Weiterbildung zu organisieren: a) Kosten, b) freistellen von Arbeitskräften - woher Ersatz nehmen?

    Wird jetzt "den Leuten" vielleicht klarer, dass das mit dem Anliegen des Bürgergeldes, nachhaltige Vermittlung in Arbeit durch Qualifizierung zu erreichen, vielleicht doch gar keine so schlechte Idee ist?

    Im Bürgergeld befinden sich bis zur Hälfte Menschen mit abeschlossenen Berufsausbildungen!

    Im Bürgergeld können Berufsausbildungen nachgeholt werden.

    Laut Christoph Butterwegge befinden sich im Niedriglohnsektor Anteilig 11 Prozent Leute mit abeschlossenem Studium.

    Die Potentiale zu heben - kostet alles Steuergeld. Schon - aber das erbringt dann auch wieder Steuern in nenneswerter Höhe, wenn aus Arbeitslosen wieder Fachkräfte werden oder werden.

    Die technologischen und ökologischen Umwälzung lassen dass doch geradezu unabwendbar werden.

  • Was für ein Quatsch !



    Handwerker ? Pö!



    Wir brauchen Wirtschaftswissenschaftler, BWL'er, studierte Leute halt!



    Wir wollen doch ein Staat der Akademiker sein !



    Dachpfannen auflegen oder Stein auf Stein mauern - das kann doch jeder !



    Paar Heizungsrohre verlegen, Stromkabel ? Ein Klacks !

    • @Bolzkopf:

      Ein selbstständiger Handwerker im Bereich Informationstechnik/Gebäude-Automation/Klimatechnik/.. verdient heute schon mehr als die meisten Studierten - das wissen nur viele noch nicht.

      • @Rudi Hamm:

        Ja, aber weil unser Schulsystem immer so kacke abschneidet (PISA uns so) wollen unsere Oberen Deutschland gerne als "Staat der Akademiker" darstellen.

        Und wenn sie mal vergleichen, was im Ausland so als "Studium" durchgeht und hier über die Ausbildung im "Dualen System" vermittelt wird, braucht sich die Ausbildung bei Weitem nicht hinten anstellen.

        Aber den Begriff "Duale Ausbildung" hat man ja auch gehijackt - durch etwas das weder Fisch noch Fleich, aber auf dem Arbeitsmarkt dafür so garnicht zu gebrauchen ist.

        Deutsche Bildungspolitik halt:



        Es durch die Schuldächer tropft es aber man kauft kistenweise iPads.

  • Ist es nicht ein klein wenig absurd zu erwarten, die Fachkraft "von der Stange" einkaufen zu können? Einarbeitung in die konkrete Aufgabe oder sinnvolle Ausgestaltung der selbigen ist zu viel verlangt?



    Für die Dachdecker: die sind Spezialisten für die Arbeit in großen Höhen, die Befestigung von Aufbauten am Dach und Handhabung von Bauteilen bei Wind und Wetter. Dann muss man das Elektroverlegesystem eben poka-yoke gestalten (ist Industrie-nett für "Idiotensicher", also z.B. sichtbar formschlüssige, nicht verwechselbare Elemente etc.), dann reicht ne 80 h Schulung "Elektrofachkraft für festgelegte Tätigkeiten" - so machen das Schreiner die plötzlich Küchen montieren müssen ja auch.

  • Die Bertelsmannstiftung, da kann man nur schlaues erwarten, siehe Gesundheitsbereich, oder Bildung. Ein (Miss)Erfolg reiht sich an den nächsten, aus neoliberaler Perspektive ist alles natürlich richtig.

    Dass ein Dachdecker keine Photovoltaikanlage installieren kann, jedoch bei der Montage von Bedeutung ist, sollte klar sein. Auch ein Photolaborant ist nicht unbedingt hilfreich.

    Die Ursache könnte in der deutschen Zwanghaftigkeit liegen, für jede Tätigkeit ein neues Berufsbild erfinden zu müssen, welches sich dann in den Anforderungsprofilen der Personalabteilungen wiederfindet. Wer dann nicht genau in dieses Raster passt, hat keine Chance.

    Vielleicht sollte man mit Bildung und Weiterbildung, gerade im technischen Bereich, anfangen? Früher gab es so etwas wie Schulen, aber das war früher.



    Man könnte noch hinzufügen, dass die fortschreitende Deindustrialisierung im herstellenden Gewerbe, auch und gerade alternative Energieerzeugung, nicht hilfreich ist.

  • Unsere Welt dreht sich ständig schneller unter dem Druck der industriellen Entwicklungszyklen. D.h.: Technologie entwickelt sich oder noch besser: Verändert sich. Denn es besteht immer der Druck, den Gewinn steigern zu müssen in unserer Marktwirtschaft. Es ist ein Schneeballsystem welches immer schneller rollt.

    Daher sind "Experten" oder "Fachkräfte" nicht mehr das gleiche wie vor beispielsweise 20 Jahren. Denn ihr Wissen veraltet schneller. Ständiges Lernen, Fortbildungen, Zertifizierungen usw sind normal bis nötig. Selbstbestimmtes Lernen ist da nebenbei gesagt kaum noch möglich. Ein Dachdecker zertifiziert sich meistens für EIN Solarsystem. Dieses wird dann nach Standard aufgebaut, Kundenwünsche und Datenschutz werden kaum umgesetzt.

    Warum also sollte in dieser Umgebung dann Platz sein um "Energiewende" mit zu berücksichtigen? Das schafft der Normalhandwerker nicht, er hat keinen Platz dafür.

    Schade aber systemimmanent logisch.