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Endlager für AtommüllGewerkschafter gegen Schacht Konrad

Der Widerstand gegen das geplante Atommüllendlager wird stärker. Eine Unterschriftenaktion soll der Kampagne mehr Aufmerksamkeit bringen.

Schacht Konrad in Salzgitter bekommt mehr Gegenwind Foto: Sabine Brose/Sorge/imago

Salzgitter taz | Mitglieder der IG Metall warten morgens um kurz vor fünf an allen drei Toren des Motorenwerks von VW Salzgitter auf die KollegInnen der Frühschicht. Sie tragen gelbe Warnwesten, halten Klemmbretter und Kugelschreiber in der Hand und sammeln Unterschriften gegen das geplante Atommüllendlager Schacht Konrad. Hinter sich haben sie ein Transparent aufgespannt: „Schacht Konrad: Alt – marode – ungeeignet“. Auch in der Mittagspause und vor der Normalschicht sind Aktivisten mit Unterschriftenlisten unterwegs. „Ich fordere den niedersächsischen Umweltminister auf, die Genehmigung für Schacht Konrad aufzuheben“, steht auf den Listen.

Seit 2007 baut der Bund das frühere Eisenerzbergwerk Konrad in Salzgitter zum nationalen Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle aus. Es soll ab 2027 mit bis zu 303.000 Kubikmetern Atommüll befüllt werden. Ein vergleichendes Suchverfahren wie derzeit beim Endlager für hochradioaktiven Müll gab es nicht. Die Baukosten sind von 900 Millionen auf derzeit 4,2 Milliarden Euro gestiegen.

Im April haben die Umweltverbände BUND und Nabu beim Umweltministerium Niedersachsen beantragt, dass die Baugenehmigung zurückgenommen wird. Die damaligen Pläne und Gutachten entsprächen nicht dem heutigen Stand von Wissenschaft und Technik. Die bundesweite Unterschriftenaktion soll den Druck erhöhen. Neben Bürgerinitiativen und Umweltgruppen, Kommunen und Verbänden wie dem Landvolk mischen auch die Gewerkschaften in der Region aktiv in der Kampagne mit.

Bei VW in Salzgitter kommen in wenigen Tagen mehr als 2.100 Unterschriften zusammen. „In den Gesprächen haben wir festgestellt, dass viele Unterzeichnende es klasse finden, dass der Widerstand gegen Schacht Konrad wieder so präsent in der Öffentlichkeit ist“, sagt Jessica Knierim, stellvertretende Vertrauenskörperleiterin im Werk.

Metallgewerkschafter Matthias Wilhelm moniert, dass die Auswirkungen eines atomaren Endlagers auf die ansässigen Großbetriebe wie die Salzgitter AG und VW überhaupt noch nicht untersucht wurden: „Es ist absurd und verantwortungslos, ein Atommülllager mitten in einem Industriegebiet neben Störfallbetrieben errichten zu wollen“, sagt er.

Strahlung und Unfallgefahr

Viele Gewerkschafter halten die Inbetriebnahme von Schacht Konrad in der Industrieregion Salzgitter für „strukturpolitisch unverantwortlich“. Ausdrücklich warnen sie aber auch vor einer Gefährdung der Gesundheit der hier lebenden Menschen durch radioaktive Strahlung und vor der Gefahr schwerer Unfälle bei Atommülltransporten in das Endlager.

„Mehrere Zehntausend Gewerkschaftsmitglieder werden ihr Leben lang auf Atommüll arbeiten“, betont Ozan Inci, Vorsitzender der Jugend- und Auszubildendenvertretung von VW Salzgitter. „Die Betriebe sind teils hoch störanfällig. Wir werden der Verantwortung für künftige Generationen nicht gerecht, wenn ohne die Rückholbarkeit zu gewährleisten und ohne genaue Kenntnis der geologischen Verhältnisse dieser Atommüll hier im Schacht Konrad gelagert wird.“

Nicht erst jetzt erweisen sich Gewerkschaften und insbesondere die IG Metall als ein Motor des Widerstands. Schon vor 20 Jahren initiierten die Metaller eine Spendenkampagne, um Klagen gegen das Endlager abzusichern. Im Frühjahr 2000 legten Tausende Stahl- und Metallarbeiter einen Tag die Arbeit nieder. Dass sich Gewerkschaften so eindeutig gegen Atomkraft positionieren, ist nicht selbstverständlich. In der Vergangenheit standen sich organisierte Arbeitnehmer und Atomkraftgegner oft unversöhnlich gegenüber.

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6 Kommentare

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  • > Jede Standortentscheidung und auch die Ablehnung aller in Frage kommenden Endlagerstandorte hat zur Folge, dass der Atommüll irgendwo bleibt.

    Der Traum eines jeden Menschen: wir müssen unsere Probleme nur tief genug vergraben und fest genug versiegeln, dann sind sie aus der Welt. Da stellt sich dann auch die Frage, ob es bei Atommüll mit dem aktuellen technologischen Entwicklungsstand überhaupt möglich ist. Vielleicht muss der halt von einer Zwischenlagerstätte in die nächste jongliert werden, bis dieser hinreichend zerfallen ist oder neue Technologien da sind, um den irgendwie wieder in so etwas wie Erzgestein umzuwandeln.

    Die Lagerstätten Asse zeigen ja auch, dass z.B. in Salzlagerstätten die ganze Zeit Wasser mit der Umgebung getauscht werden kann. (13.000 Liter/Tag [1]) Manche argumentieren zwar dass die austretende Radioaktivität im Schnitt geringer als die natürliche Radioaktivität ist. Andererseits bleibt dann nur zu hoffen, dass sich dann nicht doch hochtoxische Plutonium-Teile ins Wasser verirren.

    > Er löst sich nicht in Luft auf.

    Streng genommen schon...

    [1] www.deutschlandfun...:article_id=440331

  • Na, ob das mit der Satzung der Gewerkschaft vereinbar ist ?



    Sehe da jetzt keinen Bezug zu den Mitgliedern und auch nicht zu den Zielen einer Gewerkschaft.

    Wenn Gewerkschaftsmitglieder sich privat für die Umwelt einsetzen - sehr gut !



    Aber Gewerkschaftgeld dafür auszugeben ? ... ich bin mir nicht sicher ...

  • "Dass sich Gewerkschaften so eindeutig gegen Atomkraft positionieren, ist nicht selbstverständlich." heißt es im Artikel. Wieso ist es denn eine Positionierung gegen Atomkraft, ein bestimmtes Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle abzulehnen? Wenn die Abfälle nicht in den Schacht Konrad kommen, müssen sie ja irgendwo anders gelagert werden. Oder sie bleiben dort, wo sie gerade sind. Wäre das besser?

    Jedenfalls hat die Entscheidung für oder gegen einen bestimmten Lagerort nichts mit der Frage zu tun, ob man prinzipiell für oder gegen Atomkraft ist. Jede Standortentscheidung und auch die Ablehnung aller in Frage kommenden Endlagerstandorte hat zur Folge, dass der Atommüll irgendwo bleibt. Er löst sich nicht in Luft auf.

    • @Budzylein:

      Das Problem ist, dass im Gegensatz zu den Behauptungepn der Lobby, es nie ein Endlager geben wird und auch hier erwartet wird, dass der Steuerzahler zusätzlich noch mehr subventioniert. Schon aus geologischer Sicht offenbart der Name absolute Unkenntnis von der Thematik.

      Genug Geldtransfers an Energieunternehmen. Es wird Zeit, dass diese maximal unwirtschaftliche und nur durch massive Subventionen mögliche Technologie eingestampft wird.

      Nicht ein Atomkraftwerk ist, oder war je in der Lage, wirtschaftlich zu arbeiten. Genug mit dem Schwachsinn.

  • „Im April haben die Umweltverbände BUND und Nabu beim Umweltministerium Niedersachsen beantragt, dass die Baugenehmigung zurückgenommen wird“



    Mit Verlaub: Das wäre eine typische Schein-Lösung nach dem St. Florians-Prinzip (*).



    Denn das eigentliche Problem wird dadurch nicht gelöst: Auch nach dem Ende des Atom-Zeitalters hierzulande verschwindet der Atom-Müll nicht von selbst ins Nirwana!



    In anderen Fällen hört man von BUND und Nabu nicht nur Kritik, sondern auch eigene konstruktive Vorschläge. Warum diesmal nicht? Oder wissen BUND und Nabu auch keine Lösung?



    (*) „Heiliger Sankt Florian, verschon‘ unser Haus, zünd’ andere an!“

    • @Pfanni:

      Es gibt akutell schlicht keinen guten Vorschlag für ein Endlager und ich sehe jetzt auch nicht, dass da einer auf absehbare Zeit kommt. Man sollte sich ehrlich machen und den Atommüll gut zugänglich und kontrolliert aufbewahren. Vielleicht entwickelt man in den nächsten Jahrhunderten einen Weg zur Endlagerung oder zum Abbau der Radioaktivität.