Einkaufen als „patriotischer“ Akt: Solidarisch shoppen reicht
Wirtschaftsminister Altmaier spricht vom Einkaufen als „patriotische Aufgabe“. Eine schräge Wortwahl, doch Solidarität mit Geschäften ist notwendig.
D ie Formulierung ist problematisch: Der „Erhalt des stationären Handels ist eine nationale, ja auch eine patriotische Aufgabe“, lässt sich Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) in der Bild zitieren. Ja sogar: Der stationäre Einzelhandel sei „Teil unserer Identität, Leitkultur“. Puh. Wem dieser nationalistische Sound nicht schmeckt, neigt wohl dazu, auch Altmaiers Aussage abzulehnen. Dabei ist diese im Kern richtig: Die Beschlüsse von MinisterpräsidentInnen und Kanzlerin sind tatsächlich eine harte Belastung für Zehntausende HändlerInnen und ihre Beschäftigten.
Das Geschäft läuft 2020 eh schon mies. Der Minilockdown vom November hat die Welle zwar nicht genügend gebrochen, aber die Umsätze in den Fußgängerzonen sind um 30 Prozent geschrumpft, weil potenzielle KäuferInnen Infektionsgefahr am Wühltisch wittern. Als Folge sollen nun weniger KundInnen mehr Abstand beim Shoppen halten – ausgerechnet im Weihnachtsgeschäft. Die Verschärfungen für den Einzelhandel sind ein wenig hilflos, weil nicht klar erwiesen ist, dass man sich im Warenhaus vermehrt ansteckt. Aber: Im Prinzip sind sie richtig, weil weniger Kontakt die Pandemie einhegt.
Also ist Altmaiers Appell nicht ganz falsch: Powershoppen als Akt der Unterstützung für den Händler nebenan, am besten natürlich den mit ökologisch produzierten regionalen Produkten. Das ist keine Deutschtümelei, sondern nachhaltig. Nicht ganz zufällig bestreikt Verdi gerade mal wieder den Krisenprofiteur Amazon. Einerseits zahlt die Onlinekrake Minilöhne für die Beschäftigten und Zwergensteuern in Europa, andererseits verdreifachte Konzernchef Jeff Bezos allein im vergangenen Quartal seinen Gewinn: Amazons Geschäftsmodell saugt den Sozialstaat aus, Paketflut und Emissionen noch gar nicht eingerechnet.
Amazon, Zalando oder Bringmeister prinzipiell problematisch finden – und trotzdem online shoppen: Das ist für viele Alltag, das ist die Crux der HändlerInnen. Ihre Befürchtungen, dass die Beschlüsse von Bund und Ländern den Onlineriesen noch mehr KundInnen in die Arme treiben, sind deshalb leider berechtigt. Hilfe bringen den „Local Dealers“ nur eigene Onlineshops, besserer Service, bessere Produkte, günstigere Preise.
Altmaiers Vorschlag, die Ausfälle der Offliner mit mehr verkaufsoffenen Post-Corona-Sonntagen auszugleichen, führt aber in die Irre. Mehr Umsatz ist bei kaum steigenden Löhnen nicht zu holen. Und mehr Wochenendarbeit klingt wie ein weiterer Angriff auf die Gesundheit der Beschäftigten, von denen viele eh derzeit mit Furcht vor der Seuche an der Kasse stehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen