Ebola befördert Rassismus: Wer schwarz ist, hat Ebola
Mit der Zahl der Ebola-Opfer wächst die Hysterie. Und der Rassismus, der nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland offen zutage tritt.
„Ebola, Ebola!“, riefen Zuschauer beim der Spielvereinigung Erkenschwick, als ein Spieler des gegnerischen TuS Ennepetal neu aufs Feld kam. Die Hautfarbe von Charles Atsina: schwarz. So berichtet es die Westdeutsche Allgemeine Zeitung in ihrer Ausgabe vom 30. September. Rassistische Ausfälle gibt es im Amateurfußball immer wieder, wenn ein Spieler nicht weißer Hautfarbe ist – bislang meist in Form von Affenlauten oder Bananenschwenken. Die Verkürzung auf „Ebola“ ist neu. Und macht leider die Runde.
Während in der Berichterstattung über die Ebola-Epidemie in Westafrika immer wieder Rassismen mitschwingen, weil fast alle Opfer schwarzer Hautfarbe sind, gilt nun vielen im Umkehrschluss: „Wer schwarz ist, hat Ebola.“ Schon Anfang August gab es eine Welle der Berichterstattung zu der reißerischen Frage, ob afrikanische Flüchtlinge Ebola nach Europa bringen könnten. Die Antwort: Nö. Dafür sind sie zu lange unterwegs. Nun erlebt die Frage eine Renaissance – jedoch mit anderem Ergebnis.
Der Focus zitiert einen Mitarbeiter der Bundespolizeidirektion aus Potsdam, der der Meinung ist, es sei „nicht ausgeschlossen, dass an Ebola erkrankte Personen über die zahlreichen Schleusungs- und Migrationsrouten Deutschland erreichen“. Das ist auf Vermutungen basierender Populismus, der den Anhängern einer „Festung Europa“ in die Hände spielt. In Italien forderten rechte Politiker wie Maurizio Gasparri (Forza Italia), Vizepräsident des Senats, die Hilfe für Bootsflüchtlinge einzustellen, um nicht auch Ebola ins Land zu holen.
Noch abgedrehter verhalten sich derzeit Tea-Party-Anhänger in den USA, die in ihren Verschwörungstheorien Obama mit Ebola – das Wort wird im Englischen auf der zweiten Silbe betont – zum Twitter-Meme „#Obola“ zusammenschmeißen. Sie setzen Obamas Kopf auf den wurmartigen Erreger (oder umgekehrt), schreiben dazu wirre Thesen: Was Ebola für Afrika, sei Obama für Amerika, ist noch eine der zahmeren Aussagen.
Andere fragen: Kann es ein Zufall sein, dass sowohl Obama als auch das Ebola-Virus ihre Wurzeln in Afrika haben? Wieder andere spinnen die Geschichte weiter: Obama wolle die Südgrenze der USA öffnen, mit den Millionen Hispanics kämen dann auch Isis und Ebola ins Land.Das ist natürlich hanebüchen, offenbart aber gleichsam die Alltagsrassismen, die nun angesichts der befürchteten Bedrohung offen zutage treten. Sie abzutun, wäre leichtfertig.
Warnung vor Stigmatisierung
Es gebe ganz klar eine zusätzliche Stigmatisierung von Schwarzen in Deutschland, berichtet die Berliner Ärztin Rosaline M’Bayo von der Beratungsstelle Afrikaherz. „Ich stamme aus Sierra Leone, und als ich das Ende September bei einem Seminar erwähnte, verließ eine Frau den Tisch!“ In Österreich berichtete das Rote Kreuz von Fällen, dass schwarze Kinder wegen Hustens sofort nach Hause geschickt werden, und dass sich Sitznachbarn in einem Café vorsorglich von Schwarzen wegsetzten. „Schwarzafrikaner werden jetzt unnötig stigmatisiert“, urteilte auch Gerry Foitik, Bundesrettungskommandant des Österreichischen Roten Kreuzes.
Das Deutsche Rote Kreuz kann von keinen ähnlichen Fällen berichten, ruft aber zu einem rationalen Umgang mit dem Thema Ebola auf: „Klar gibt es Risiken und Grund zur Vorsicht im Umgang mit der Krankheit. Aber wir warnen vor Stigmatisierung und unbegründeter Angst.“
Die Angst ist da, das zeigen auch Internetdiskussionen, nachdem am vergangenen Donnerstag der mittlerweile verstorbene Ebola-infizierte UNO-Mitarbeiter zur Behandlung auf die Isolierstation des Leipziger Klinikums St. Georg kam. Die Leipziger Volkszeitung schloss „aufgrund wiederholter Verstöße gegen die Nutzungsbedingungen“ die Kommentarfunktion unter dem ersten Text, auch auf Facebook musste die Onlineredaktion wiederholt rassistische Kommentare löschen.
Dort gab es auch kritische Stimmen, die sich klar gegen Vereinfachungen wie „Warum holen wir die jetzt noch zu uns?“ wenden. Eine Kommentatorin schrieb: „Das einzig Gefährliche, was hier verbreitet wird, ist Dummheit.“ Dem bleibt nichts hinzuzufügen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Scholz zu Besuch bei Ford
Gas geben für den Wahlkampf