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EZB-Hilfen für Italien und GriechenlandVermeidbare Panik

Ulrike Herrmann
Kommentar von Ulrike Herrmann

An der Fast-Eurokrise hat die EZB Schuld. Sie hatte Zweifel an Staatsanleihen aus Ländern wie Italien oder Griechenland gesät.

Unter den Investoren grassierte erneut die Angst, dass Italien in die Pleite rutschen könnte Foto: Guglielmo Mangiapane/reuters

D ie Eurokrise war nie vorbei. Sie kann jederzeit aufflackern, wenn die Europäische Zentralbank (EZB) falsch kommuniziert. Diesmal begann das Drama, als die EZB in der vergangenen Woche bekannt gab, dass sie im Juli die Leitzinsen um 0,25 Prozentpunkte anhebt. So weit, so gut. Gleichzeitig teilte die Zen­tral­bank jedoch mit, dass sie keine weiteren Staatspapiere mehr aufkaufen werde – ohne klar zu sagen, was die bisherigen Programme ersetzt. Nebulös verkündete EZB-Chefin Christine Lagarde, man werde „bei Bedarf“ mit „neuen Instrumenten“ gegen eine „Fragmentierung“ im Euroraum vorgehen.

Prompt wurden die Finanzanleger nervös und bevorzugten europäische Staatsanleihen, die als bombensicher gelten. Beliebt sind etwa Papiere aus Deutschland. Solche aus Italien, Spanien oder Griechenland wurden hingegen verschmäht, weil nicht mehr klar war, ob sie von der EZB noch gestützt würden. Unter den Investoren grassierte erneut die Angst, dass die südlichen Länder in die Pleite rutschen könnten. Also schossen die Risikoprämien in die Höhe, was die Schulden für die betroffenen Länder schon bald unbezahlbar gemacht hätte. Es drohte ein Teufelskreis: Die panischen Anleger provozierten genau jenen Staatsbankrott, den sie selbst so fürchteten.

Eine Woche währte das verheerende Börsenspiel, dann griff die EZB ein: Am Mittwoch traf man sich zu einer Sondersitzung und stellte klar, dass die Staatsanleihen des Südens auch weiterhin aufgekauft werden, um die Zinsen zu drücken. Diese Notsitzung hätte man sich sparen können – wenn Lagarde von Anfang an deutlich kommuniziert hätte.

Trotzdem bleibt ein Schaden. Fahrlässig hat die EZB den Eindruck erzeugt, dass die südlichen Staatsanleihen nicht sicher sein könnten. Das werden sich die Investoren merken – und bei nächster Gelegenheit erneut testen, ob die Zentralbank hinter allen Euroländern steht. Die Eurokrise ist erst vorbei, wenn die EZB daran keinen Zweifel mehr lässt.

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Ulrike Herrmann
Wirtschaftsredakteurin
Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).
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15 Kommentare

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  • Die EZB finanziert heute faktisch Staaten. Das kann man so machen, wurde aber bei der Gründung der Eurozone explizit ausgeschlossen (Stichwort Fiskalunion).



    Wundert es einen noch, dass die Menschen der Politik nicht mehr vertrauen und irgendwelche rechten Spinner wählen?

    • @Emmo:

      da stellen Sie etwas auf den Kopf, die Leute wählen rechte Spinner, siehe Griechenland, weil die Europolitik diese Länder kaputtgespart hat, radikale Ausgaben - und Gemeinwohlkürzungen, bei maximaler Privatisierung (zu Gunsten der Nordstaaten) bei einem hinterher höheren Schuldenberg als vorher, sieht so vernünftige Fiskalpolitik aus?



      Die Südländer können nunmal nicht abwerten, weil sie im Euro sind. Abwerten ist etwas neutrales, nur zur Information, das machen alle Zentralbanken, falls nötig. Statt dessen soll Italien Ausgaben kürzen, bei darbender Wirtschaft, wer bitteschön soll dann investieren, wenn alle sparen? Wie soll da Wachstum entstehen? Deutschlands Dumpingpolitik a la Hartz4 und Exportorientierung, nehmen den anderen jede Wachstumschance, die behauptung sie müssten nur wettbewerbsfähger werden ist blanker Hohn, ein Race to the bottom ist nicht zu gewinnen, schon gar nicht, wenn D schon solch einen Vorsprung hat... Entweder man hat eine Währung die zum Wohle aller da ist, oder jeder seine eigene.... übrigens die Situation der einzelnen Bundesstaaten war7ist ganz ähnlich, da wird auch intern ausgeglichen und niemand in kalifornien käme auf die Idee Oklahoma aus dem Dollar werfen zu wollen, weil die intern von der Fed gestützt werden...

      • @nutzer:

        Oklahoma hat ggü Kalifornien aber auch weniger Freiheiten als Eurostaaten untereinander.

        • @FancyBeard:

          sind sie sicher? Jeder einzelne Bundesstaat kann für sich die Todesstrafe entscheiden ode rnicht. Ähnlich ist es mit anderen Gesetzgebungen.



          Finanztechnisch wird das heute nicht mehr in Frage gestellt, aber bei der Grundung der Fed (und das war 1913) war dies genauso aktuell, wie heute in der Eurozone.



          Der einzige Unterschied ist, das es in Europa eine ethnische Komponente gibt.

  • Die EZB wird somit von einer europäischen Zentralbank zur Zentralbank Italiens und Griechenlands. Vereinfacht gesagt: Vor “Whatever it takes“ hat die EZB gar keine Staatsanleihen gekauft, die einzelnen Länder mussten immer einen (durch Mitgliedschaft in der Eurozone abgeschwächten) marktgerechten Zinssatz zahlen. Es geht hier also nicht um ein Sicherheitssignal an Investoren, die haben ja bereits ihr Signal gesendet: Italien ist nicht vertrauenswürdig, wir wollen mehr Risikokompensation. Deshalb muss die EZB ja die Staatsanleihen kaufen, weil die Regierung Italiens die höheren Zinssätze nicht zahlen will. Draghi meinte damals, er will den europäischen Staaten Zeit kaufen ihre Finanzen in Ordnung zu bringen. 10 Jahre später ist er selber Chef eines Problemlandes.

    • @FancyBeard:

      marktgerecht...? oj...



      meinen Sie nicht der "Markt" will Gewinne machen, wäre mir jedenfalls neu das Börsenmarkler, das Fach "gerechte Bewertung" gelernt hätten... und warum sollen die das objektiv können und alle anderen nicht? Weil sie Geld mit Spekulation verdienen?

      • @nutzer:

        Risiko der Kreditvergabe steigt-> Zins steigt. Da sind wir noch weit weg von Spekulation. Die beste Therapie für Spekulanten wäre übrigens eine griechische Staatspleite gewesen oder ein schneller Schuldenschnitt. Meistems ist die marktwirtschaftliche die beste Lösung.

        • @FancyBeard:

          natürlich ist das Spekulation, Wenn die Zinsen steigen ist das Ansporn für Aktienhändler das Risiko einer Pleite auf Grund von höheren Gewinnerwartung einzugehen. Aktiv handelnde Spekulationen, die auf eine Pleite wetten sind noch einmal etwas anderes, aber auch das hängt unmittelbar mit dem Zinssatz zusammen.

          eine Staatspleite wäre keine Option gewesen, eine Abwertung wäre eine Lösung gewesen, doch die war durch den Euro unmöglich und auch gar nicht gewollt, konnten sich doch all die privaten Investoren aus dem Norden so rechtzeitig von ihren griech. Papieren trennen, mit geringmöglichstem Verlust.



          Und genau die haben ja vorher das vermeintl. Risiko (ihrer Argumentation zu folge) sehenden Auges in Kauf genommen, aber es ging ja um die höheren Zinsen. Risiko war da keins dabei... und das war vorher bekannt. Eine Währungsgemeinschaft kann nicht einzelne Mitglieder im Stich (dem Markt ausliefern) ohne insgesamt ins Trudeln zu kommen.



          Entweder man geht zusammen, mit allem was dazugehört oder eine Währungsgemeinschaft ist nicht möglich, aber das ist in Europa mit seiner ethnischen Komponente und Vorurteilen eben verdammt schwer...

        • @FancyBeard:

          Es gibt bei Staatsanleihen in der Landeswährung überhaupt kein Risiko, weil die Euro-Staaten die Währungsherausgeber sind. Der Währungsherausgeber ist immer und unbegrenzt zahlungsfähig. Und kommen Sie jetzt nicht mit "Geldmenge" und "Inflation", denn das gilt hier nicht, weil nur die Staatsanleihe ausgezahlt werden muss - mehr nicht. Unbegrenzt Mittel bedeutet nicht unbegrenzten Mitteleinsatz.

          Ein Schuldenschnitt ist daher völlig sinnlos, weil dann so getan wird, als können die Euro-Staaten nicht zahlen. Ein Schuldenschnitt würde tatsächlich bedeuten, dass sie nicht zahlen wollen obwohl sie können. Wenn der Staat damit einfach so infrage stellt, dass man Schulden begleicht, dann wäre das wirtschaftlich verheerend.

          Die Eurokrise beruht darauf, dass das infrage gestellt wurde und damit die EZB in die Beweisnot gebracht wurde, das Gegenteil beweisen zu müssen, whatever it takes. Denn noch vor einer niedrigen Inflation hat sie das Ziel die Volkswirtschaft(en) zu stabilisieren. Eine niedrige Inflation ist dafür nur das Mittel und kein Selbstzweck.

          Das mit der "marktwirtschaftlichen Lösung" geht dann zudem völlig am Thema vorbei: der Markt ist für den Staat nur Mittel zum Zweck und kein Selbstzweck. Wenn die Staaten sich den Finanzmärkten unterwerfen, dann wedelt der Schwanz mit dem Hund.

  • "Es drohte ein Teufelskreis: Die panischen Anleger provozierten genau jenen Staatsbankrott, den sie selbst so fürchteten."



    Das ist der Markt in seiner allumfassenden Weisheit, auf den die deutsche Politik so große Stücke hält....

  • Der Kauf von Staatsanleihen durch die EZB ist eine Ausnahmesituation und die Beendigung stellt lediglich die Normalsituation wieder her. Daher braucht es auch keine Nachfolgeprogramme durch die EZB.

    Im Übrigen hätte die EZB das Kaufprogramm ja für alle Länder ausgesetzt. Insoweit gab es keine wie auch immer geartete Wertung durch die EZB.

    • @DiMa:

      Leider ist es nicht bei einer Ausnahmesituation geblieben, sonst stände die EZB jetzt nicht mit komplett heruntergelassenen Hosen da. Sie hat ihr Mandat (auch wenn es kein duales wie bei der FED gibt) sträflich- ja eigentlich verantwortungslos- vernachlässigt. Ob Frau Lagarde allen Ernstes daran glaubt, dass "die Pandemie dauerhafte Schwachstellen in der Wirtschaft des Euro-Währungsgebiets hinterlassen" hat, darf bezweifelt werden. Der Markt legt die wahren Schwachstellen, die gar nichts mit der Pandemie zu tun haben, nur schonungslos auf.

  • "Die Eurokrise ist erst vorbei, wenn die EZB daran keinen Zweifel mehr lässt."



    Ich weiß nicht, ob Frau Hermann Ursache und Symptome verwechselt oder ob, sie in Potemkin wohnt. Formelkompromisse werden aber das grundsätzlich systemische Problem eines demokratrisch nicht legitimierten Europas, das in der Zwangsjacke Euro steckt, sicherlich nicht lösen. Der ewige Ankauf von Staatsanleihen unter Ausheblung der Prinzipien von Risiko und Zins hatte viel Gutes bewirkt, aber nun wird deutlich, dass die weiße Salbe nicht mehr wirkt. Im Gegenteil, sie verschlimmert die Situation.

    • @Jutta57:

      Für die EZB führt daran kein Weg vorbei. Wenn man sie zwingt zu zeigen, wo im Finanzsystem der Hammer hängt, dann kann sie nicht anders, als mit dem Hammer zuzuschlagen.

      Aus dieser Patsche können ihr nur die Staaten verhelfen, indem sie eine Wirtschaftspolitik für den kompletten Währungsraum machen - allen voran Deutschland, weil es das wirtschaftlich mächtigste Land ist. Deutschland untergräbt durch das ständige Verfehlen des Inflationsziel aber sämtliche Bemühungen der EZB zur Stabilisierung der Eurozone. Denn das Inflationsziel muss jedes Land einhalten. Die EZB kann allenfalls den Mittelwert über alle Länder kontrollieren. Nur löst das nicht das Problem, das mit dem Inflationsziel gelöst werden soll: das Auseinanderdriften der Preise.

      • @Reno Zeh:

        Inflationsziel`HÄ ?`Das lag bei 2 Prozent (schlimm genug). Jetz ham wir 8. Ihr VWL-Referat is also leider ausm letzten Semester .... À propos Stanzen ausm Grundstudium: Chikago hat im Übrigen noch nie etwas abgebildet, das irgendwas mit der Realität zu tun gehabt hätte.