EU genehmigt Biontech-Vakzin: Kein Wundermittel
Mit der EU-Zulassung des Impfstoffs von Biontech/Pfizer steigt die Hoffnung auf Normalität. Was der Impfstoff bewirken kann und was nicht.
M onatelang nährte die Aussicht auf einen Impfstoff die Hoffnung auf Normalität. Jetzt kommt auch in Europa die Zulassung für das Biontech-Produkt – Zeit für eine differenziertere Sicht auf das, was die Immunisierungskampagne bewirken kann.
Der Impfstoff schützt die allermeisten Geimpften vor Krankheit und Tod durch Covid-19. Die neu aufkommende Mutation wird daran vermutlich nichts ändern. Alles spricht dafür, dass der Impfstoff auch gegen Varianten von Sars-CoV-2 wirkt. Er greift den charakteristischen Stachel auf der Oberfläche der Viruskugel an, der sich bei Anpassungen wohl nicht groß verändern wird. Die Nachrichten von einer Mutation sind daher keineswegs Vorboten einer Katastrophe. Ein Virus, das sich an den Menschen anpasst, wird immer mehr wie ein Erkältungserreger: leichter ansteckend, aber weniger tödlich.
Doch werden die Impfungen wohl erst im Lauf eines Jahres ihre Wirkung entfalten. Und mit dem neuen Wirkstoff kommt eine neue Unsicherheit: Verhindert er nur den Ausbruch der Krankheit oder unterbindet er bereits die Infektion? Dazu liegen noch zu wenige Daten vor. Wenn die Geimpften sich anstecken und das Virus weitergeben können, dann ist nur geschützt, wer die Spritzen erhalten hat.
Im Frühjahr und Sommer wird der Impfstoff zudem eine neue, beunruhigende Situation bringen. Wenn die Alten und Anfälligen geschützt sind, dann wird der wirtschaftlich-gesellschaftliche Druck übermächtig werden, den Seuchenschutz wieder zurückzufahren. Kann sich das Virus unter den Ungeimpften dann recht ungehemmt verbreiten, werden bei ihnen auch mehr schwere Verläufe sichtbar werden.
Der Impfstoff wird also keine Wunder bewirken. Aber mit etwas Glück sinkt die Vermehrungszahl R unter 1. Dazu müssen sich allerdings möglichst viele impfen lassen. Und das braucht Zeit: Es wurde zwar noch nie so schnell geimpft, aber Herstellung und Auslieferung brauchen ebenso ihre Zeit wie die sorgfältige Vergabe der empfindlichen Substanz.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste