EU besiegelt Verbrenneraus: Europas neuer Autopilot
Die EU stellt mehrere Weichen beim Straßenverkehr: Ab 2035 sind Verbrennungsmotoren verboten. Schädliche Abgase sollen schon vorher weniger werden.
Das Ende des Verbrenners ist Teil des „Fit for 55“-Pakets. Das ist der Plan für die erste Etappe auf dem Weg zur Klimaneutralität: Um mindestens 55 Prozent sollen die klimaschädlichen Treibhausgasemissionen bis 2030 sinken, im Vergleich mit dem Niveau von 1990. Der Beschluss zum Verbrennungsmotor solle die Produktion von klimafreundlichen Fahrzeugen ankurbeln, sagte der Berichterstatter Jan Hitema, ein niederländischer Liberaler.
Im Grunde galt das aber schon seit dem vergangenen Jahr als beschlossene Sache, als Unterhändler von EU-Parlament und dem Ministerrat der EU-Staaten sich darauf einigten. Jetzt ist der Kompromiss aber auch formal in trockenen Tüchern. 340 Abgeordnete stimmten dafür, 279 dagegen, 21 enthielten sich.
Die deutschen Grünen feierten das Votum als Erfolg. „Die Verbrennertechnologie ist passé, das gilt auch für E-Fuels“, sagte der grüne Europaabgeordnete Michael Bloss. Auch die Sozialdemokraten zeigten sich zufrieden. „Der Beschluss sichert den Weg zur Umstellung auf Autos ohne Verbrennungsmotor ab“, sagte SPD-Klimaexperte Tiemo Wölken. Zudem werde sichergestellt, dass Schlüsselkompetenzen wie die Fertigung von Batteriezellen in der EU verbleiben.
CDU und FDP sorgen sich um Automobilindustrie
Ganz anders klang es bei CDU und FDP. „Die europäische Ampel untergräbt den Automobilstandort Deutschland und bugsiert damit die chinesische Konkurrenz in die Pole Position“, sagte der CDU-Europaabgeordnete Dennis Radtke. Damit seien 1,4 Millionen Arbeitsplätze in Europa gefährdet.
Die FDP wollte sich bis zuletzt eine Hintertür offenhalten. Der Text enthält denn auch die Bitte an die EU-Kommission, sich noch einmal mit E-Fuels zu befassen. Doch der Zug sei abgefahren, der Klausel komme keine praktische Bedeutung zu, heißt es in Brüssel. „Das endgültige Aus des Verbrennungsmotors ist mit der Annahme wahrscheinlich“, räumte auch der FDP-Abgeordnete Jan-Christoph Oetjen ein.
Umso heftiger tobt der Streit über die neue Euro-7-Abgasnorm für die immer noch marktbeherrschenden Verbrenner. Sie soll 2025 in Kraft treten. Das Europaparlament will sich damit erst nach dem Sommer befassen, aber schon jetzt läuft die Industrie Sturm. Die Hersteller warnen, dass mit Euro-7 einige Kleinwagentypen vom Markt verschwinden könnten. Mit noch höheren Auflagen lohne sich die Produktion einfach nicht mehr, heißt es vom Verband deutscher Automobilhersteller. Auch der deutsche Autokonzern Mercedes-Benz steht auf der Bremse. Der Zeitplan sei unrealistisch, sagte Betriebsratschef Ergun Lümali.
Streit bahnt sich auch um Lastkraftwagen und Busse an. Die EU-Kommission schlug am Dienstag vor, dass neue Stadtbusse ab 2030 keine Abgase mehr ausstoßen sollen. Bei Lkw will Brüssel bis 2040 warten; der CO2-Ausstoß soll bis dahin um 90 Prozent reduziert werden. So könne auch die Luftqualität in den Städten verbessert werden.
Uneinigkeit über „grünen“ Wasserstoff aus Atomkraft
Die 90-Prozent-Vorgabe für Lkw bleibt allerdings hinter dem zurück, was die Benelux-Länder verlangt hatten. Andere EU-Staaten vertreten dagegen die Auffassung, das Jahr 2040 sei für Lkw-Produzenten zu früh für eine Umstellung auf alternative Antriebe. Umweltgruppen kritisieren, dass mit dieser Vorgabe auch im Jahr 2050 immer noch Diesel-Lkw unterwegs sein würden – wenn die EU ja klimaneutral sein will.
Über den Vorschlag der Kommission müssen nun Parlament und Mitgliedstaaten beraten. Die Grünen winken schon ab: „Too little, too late“, sagte Klimaexperte Bloss. Demgegenüber warnt der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber vor kumulativen Effekten beim Klimaschutz im Verkehr: „Koppelt man das Verbrennerverbot für Pkw mit der vorgeschlagenen Euro-7-Abgasnorm und den Plänen für CO2-Flottengrenzwerte für Lkw, könnte man den Eindruck bekommen, dass Mobilität bald zum Luxusgut verkommt.“
Auf Widerstand stößt auch der Vorschlag der Kommission, den als Zukunftstreibstoff gehandelten Wasserstoff auch dann noch als „grün“ einzustufen, wenn er mit Atomstrom erzeugt wurde. Atomkraft zählt allgemein nicht als erneuerbare Energiequelle. Die Kommission sieht in ihrem Vorschlag jedoch vor, dass unter bestimmten Umständen lediglich der CO2-Ausstoß betrachtet werden kann.
Nun droht neuer Streit zwischen Berlin und Paris: Atomkraft sei „keine erneuerbare Energie“, sagte ein Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums zu den Plänen aus Brüssel. Deutschland möchte in erster Linie „grünen Wasserstoff“ nutzen, der ausschließlich mit erneuerbaren Energien produziert wird. Demgegenüber setzt Frankreich auch beim Wasserstoff auf Atomkraft.
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