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EU-Länder im Streit um FlüchtlingspolitikKeine Lösung in Sicht

Bereits seit 2015 versucht die EU, den Streit um die Asyl- und Flüchtlingspolitik beizulegen. Bisher ohne Erfolg. Beim EU-Gipfel droht der Offenbarungseid.

Die EU steht nicht wirklich hinter Merkel, vielmehr herrscht Panik Foto: dpa

Brüssel taz | Wie könnte eine europäische Lösung im Streit um die Asyl- und Flüchtlingspolitik aussehen? Diese Frage stellt man sich nicht nur in Berlin, wo Kanzlerin Angela Merkel (CDU) im Clinch mit ihrem Innenminister Horst Seehofer (CSU) liegt. Auch in Brüssel wird verzweifelt nach einem Ausweg gesucht – denn sonst droht beim EU-Gipfel am 28. und 29. Juni der Offenbarungseid.

Schließlich suchen die 28 EU-Staaten bereits seit dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise im Herbst 2015 nach einer europäischen Lösung. Merkel hatte damals eine „Koalition der Willigen“ um sich geschart, die sich zur Aufnahme einer bestimmten Anzahl von Flüchtlingen bereiterklären sollten – doch das Notbündnis fand keinen Ausweg. Am Ende behalf man sich mit dem umstrittenen Flüchtlingsdeal mit der Türkei, den die Kanzlerin ohne EU-Hilfe eingefädelt hatte.

Doch dieser Deal hat sich als brüchig erwiesen. Er brachte zwar Griechenland und den Ländern der westlichen „Balkanroute“ spürbare Entlastung. Doch Italien hat er nicht geholfen – im Gegenteil: Seither kommen mehr Flüchtlinge über das Mittelmeer. Auch das Problem der Lastenteilung wurde nicht gelöst. Polen, Ungarn und Tschechien verweigern jede Mithilfe, beim letzten Treffen der EU-Innenminister gab es keine Einigung.

Zwei Wochen vor dem Gipfeltreffen in Brüssel steht die EU also mit leeren Händen da. Schlimmer noch: Italien hat angefangen, seine Häfen zu sperren und den Schwarzen Peter nach Frankreich und Spanien weiter zu geben. Dass nun auch noch Deutschland darüber diskutiert, die Grenzen dicht zu machen, könnte das Fass zum Überlaufen bringen. Wenn sich Seehofer durchsetzt, hätte nicht nur Merkel verloren – auch die EU müsste bei Null anfangen.

Brüssel hat es die Sprache verschlagen

Die Lage ist so ernst, dass es der EU-Kommission in Brüssel glatt die Sprache verschlagen hat. Sie will die Vorgänge in Deutschland und Italien nicht kommentieren. Nicht einmal zu der Frage, ob das EU-Recht die Abweisung von Asylbewerbern an der deutschen Grenze erlaubt, möchte die EU-Behörde Stellung nehmen. Kommissionschef Jean-Claude Juncker will sich nicht die Finger verbrennen.

Das ist bemerkenswert – denn 2015 war Juncker nicht so vorsichtig. Seinerzeit stellte sich der Luxemburger hinter Merkel und ihre Politik der offenen Grenzen, obwohl sie auch damals umstritten war. Die Kanzlerin habe die Dublin-Verordnung und die darin enthaltenen EU-Regeln für die Aufnahme von Asylbewerbern ausgehebelt, hieß es. Doch Juncker stützte Merkel gegen ihre Kritiker, zu denen auch damals schon Seehofer zählte.

Drei Jahre später beschränkt sich die Hilfe für die Kanzlerin auf vage Andeutungen. Die EU-Kommission habe eine Agenda entworfen, die alle Bestandteile eines möglichen Kompromisses enthält, sagte ein Sprecher. Er sei „für gut durchdachte, schnelle europäische Lösungen“, erklärte Juncker. „Man kann nicht ewig auf europäische Lösungen warten“, fügte er hinzu. Doch wie diese schnellen Lösungen aussehen sollen, blieb unklar.

Auch Merkel lässt sich nicht in die Karten schauen. Bis zum EU-Gipfel wolle sie bilaterale Abkommen mit anderen EU-Staaten für die Rücknahme aushandeln, heißt es vage in Berlin. Als Vorbild gilt Frankreich, das bereits ein solches Abkommen mit Italien hat. Doch eine echte europäische Lösung wäre das nicht – eher eine deutsche Notlösung. Und zur Beruhigung der Lage dürfte es auch kaum beitragen.

Denn um solche Abkommen zu schließen, müsste Merkel Druck auf Rom oder Athen ausüben. Griechenland und Italien reagieren jedoch allergisch auf Pressionsversuche. Zuletzt musste dies Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron erfahren. Als er die neue italienische Regierung wegen deren Weigerung kritisierte, die Flüchtlinge an Bord des Seenotrettungsschiffs „Aquarius“ aufzunehmen, bestellte Rom prompt den französischen Botschafter ein. Die Nerven liegen blank – nicht nur in Berlin, sondern in ganz Europa.

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6 Kommentare

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  • 9G
    97088 (Profil gelöscht)

    Ja - ja: Die Nerven liegen blank.

    Vielleicht einmal ein alternativer Ansatz gefällig? Wir reden immer gern von Asylbewerbern (schon das Wort „Bewerber“ - na ja), Flüchtlingen, etc.

    Was, wenn das, was wir derzeit erleben der Beginn einer Völkerwanderung ist? Ca. 500 Millionen (!) Afrikaner sind „wanderungsbereit“, dazu kommt Asien, Indien und der nahe (und ferne) Osten. Wer genau hält diese Menschenmenge auf? Mit was? Völkerwanderungen sind weder neu noch haben sie jemals vor Grenzen halt gemacht. Schlau wäre es, sich dieser Wanderungsbewegung intelligent zuzuwenden. Besser, als langfristig zu verlieren.

  • Es kann keine europäische Lösung bezüglich der fairen Verteilung der Flüchtlinge geben.

     

    Die Aufnahmebereitschaft - auch von früher willigen Staaten wie Schweden oder Dänemark - tendiert immer mehr gegen Null. Von den ganzen osteuropäischen Ländern will ich gar nicht reden.

     

    Am Ende des Tages kann die Lösung nur sein, Europa so gut es geht abzuschotten. Dann gibt es auch weniger Flüchtlinge auf dem Kontinent, über deren Verteilung man sich den Kopf zerbrechen muss.

  • Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) befürchtet weitreichende Folgen, falls der CSU-Plan zur sofortigen Zurückweisung von Flüchtlingen an der Grenze umgesetzt würde.

     

    "Es lässt sich unschwer ausmalen, dass andere Länder auf eine solche Maßnahme regieren werden, indem sie die Flüchtlinge schlicht nicht mehr registrieren", sagte der CDU-Politiker der "Welt" (Online/Print Samstag). "Das wäre dann die Rückkehr zu einer Lage, die wir bereits 2015 hatten. Und das will niemand."

  • Merkels Alleingang rächt sich jetzt.

  • 8G
    82236 (Profil gelöscht)

    Das bilaterale Abkommen zwischen Frankreich und Italien beinhaltet auch, dass Frankreich seine Quota erfüllt, nämlich etwas über 7000 Flüchtlinge aus Italien zu übernehmen. Frankreich hat etwas über 600 Flüchtlinge aufgenommen. Die Italiener und nicht nur die Salvini-Anhänger fühlen sich zurecht verschaukelt. Die osteuropäischen Staaten in die EU aufzunehmen, war eh ein Fehler, die haben mit Lohndumping und billiger Leiharbeit das Arbeitsrecht in den hochentwickelten westlichen EU- Staaten kaputt gemacht und bringen mit ihren rechtsnationalistischen Regimen auch noch die Demokratie in Europa in Gefahr!

  • 8G
    87233 (Profil gelöscht)

    Einfach traurig.

    Was ist in wenigen Jahren aus uns geworden? Wo sind die Menschen mit Mut, Weitsicht und die Bereitschafft die Probleme die wir haben anzupacken?

    Wie kann es passiert sein dass wir auf einen Haufen Politiker angewiesen sind, die sich nur treiben lassen und keinen einzigen Vorschlag haben wie die Ursachen unsere Probleme zu packen sind?

    Ich wünsche Frau Merkel und Herr Macron viel Geduld, eine glückliche Hand und Schützenhilfe aus Spanien.

    Wenn der Wind anders weht baut manche Windmühle und manche baut Mauern. Die Mauerbauer sind überall und die begreifen nicht dass diese Vorgehensweise auch die Mauern die die nicht regeln oder steuern können um sich gebaut werden.