EU-Kommissionspräsidentin: Von der Leyen wiedergewählt
Ursula von der Leyen bleibt weitere fünf Jahre Präsidentin der mächtigen EU-Kommission. Dabei geben wohl die Stimmen der Grünen den Ausschlag.
Das Ergebnis sei „ein starkes Signal des Vertrauens“ und „viel besser“ als vor fünf Jahren, freute sich die 65-Jährige. Damals war die Wahl äußerst knapp; diesmal erhielt sie 41 Stimmen mehr als nötig. Mit der Bestätigung durch das Parlament ist der Weg für eine zweite Amtszeit von fünf Jahren frei. Von der Leyen war 2019 in ihr Brüsseler Amt gekommen, ohne sich an der EU-Wahl beteiligt zu haben. Diesmal war sie zwar Spitzenkandidatin der konservativen Europäischen Volkspartei EVP, stand jedoch auf keinem Wahlzettel. Die Staats- und Regierungschefs hatten sie im Juni nominiert; nur Italien und Ungarn zogen nicht mit.
Ausdrücklich bedankte sich von der Leyen bei den Grünen, die offenbar den Ausschlag gegeben haben. Im Wahlkampf hatte die CDU-Politikerin noch mit italienischen Rechten geflirtet, die Grünen haben sie wegen ihres Schlingerkurses in der Klimapolitik kritisiert. Nun steht der „Green Deal“ wieder auf dem Programm, die Rechten sind isoliert.
Dass sie von der Leyen gerettet haben, bringt die Grünen in Erklärungsnot. Schließlich hatten sie im Streit um den Rechtsstaat und geheime Impfstoffverträge sogar Klagen gegen die EU-Kommission eingereicht. Zudem waren die Grünen zunächst kein Teil der informellen großen Koalition aus Konservativen, Sozialdemokraten und Liberalen.
„Klare Kante gegen Orbán“
Von der Leyen habe sich glaubwürdig zum „Green Deal“ bekannt und „klare Kante“ gegen Ungarns Regierungschef Viktor Orbán gezeigt, rechtfertigte der Grünen-Abgeordnete Daniel Freund seine Zustimmung. „Wir übernehmen Verantwortung“, so Freund weiter. Allerdings haben von der Leyens EVP und die Sozialdemokraten im neuen Bündnis am meisten zu sagen. Sie haben sich auch bereits wichtige Posten im neuen Parlament gesichert. So stellen CDU und SPD mit Sabine Verheyen und Katarina Barley jeweils eine Vizepräsidentin.
Um ihre Wiederwahl zu sichern, hatte von der Leyen am Vormittag ein 31-seitiges Arbeitsprogramm vorgelegt und eine fast einstündige Regierungserklärung abgegeben. Um ihr Programm mit dem erstaunlichen Titel „Europa hat die Wahl“ (die Europawahl liegt fünf Wochen zurück) hatten die EU-freundlichen Parteien bis zuletzt gerungen. Konservative, Sozialdemokraten, Liberale und schließlich auch die Grünen wollten sicherstellen, dass ihre Prioritäten berücksichtigt und ihre personellen Wünsche erfüllt werden.
Entsprechend groß war die Spannung, als von der Leyen um acht Uhr morgens ihr Programm vorlegte und eine Stunde später zur Bewerbungs-Rede ansetzte. Würden „Buzzwords“ wie „Green Deal“, „Verbrenneraus“ oder „Wohnungsnot“ auftauchen? Würde sie eine politische Strategie für die kriselnde EU aufzeigen?
„Die nächsten fünf Jahre werden den Platz Europas in der Welt für die nächsten fünf Jahrzehnte festlegen“, erklärte die ehemalige Verteidigungsministerin. Jetzt gehe es um den Kampf zwischen Demokratien und Autokratien, zwischen überzeugten Europäern und „Extremisten und Beschwichtigern“. Was dann kam, war ein populistisches Wünsch-dir-Was.
Das wichtigste Thema der nächsten EU-Kommission soll die Wettbewerbsfähigkeit sein – wie von Konservativen und Liberalen gewünscht. Der „Green Deal“ wird zum „Clean Industrial Deal“ umgemodelt. Das umstrittene Verbrenner-Aus bleibt, wird aber um eine Ausnahme für synthetische Kraftstoffe (E-Fuels) ergänzt, für die sich vor allem die FDP stark gemacht hatte. Immerhin will von der Leyen an den EU-Klimazielen festhalten. Der Fokus liege aber „voll und ganz darauf, die richtigen Bedingungen für Unternehmen zu schaffen“, heißt es im Regierungsprogramm.
Neu sind ein Verteidigungs- bzw. Rüstungskommissar (für die Konservativen), ein Kommissar für den Wohnungsbau (für die Sozialdemokraten) und ein Mittelmeer-Kommissar, den Malta gefordert hatte. Außerdem will von der Leyen sich noch stärker als bisher um den Kampf gegen Desinformation und ausländische Einmischung kümmern. Dazu soll es einen „Europäischen Schutzschild für die Demokratie“ geben.
Kritiker bemängeln, dass sie mit diesen Versprechen ihre Kompetenzen überschreite. Die Verteidigung ist ebenso eine nationale Aufgabe wie der Wohnungsbau. Zudem drohen nun mehr Eingriffe aus Brüssel in die Presse- und Meinungsfreiheit.
Mit keinem Wort ging von der Leyen auf ein Urteil des EU-Gerichts ein. Es hatte erst am Mittwoch entschieden, dass die Geheimhaltung von Beschaffungsverträgen für Corona-Impfstoff teilweise gegen EU-Recht verstoße. Die Linke und das BSW forderten deshalb, die Wahl zu verschieben – konnten sich jedoch nicht durchsetzen und stimmten mit „Nein“.
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