Drohendes Aus der US-Hilfe für Ukraine: Wahlkampf blockiert Vernunft

Herausforderer Trump kann US-Präsident Biden im Wahlkampf keinen Erfolg gönnen. Das gefährdet nicht nur die Ukraine, sondern die gesamte Nato. Ein vager Ausweg bleibt.

US-Präsident Biden im Profil

Versucht seit Monaten ein Hilfspaket für die Ukraine durch den Kongress zu bekommen: US-Präsident Joe Biden Foto: Samuel Corum/epa

Nach monatelangen Verhandlungen schien der US-Kongress nun endlich eine Lösung für die ins Stocken geratene Unterstützung der Ukraine gefunden zu haben. Doch innerhalb weniger Stunden hat sich das Blatt gedreht. Am Mittwoch stimmte der US-Senat schließlich gegen das von Demokraten und Republikanern ausgehandelte Ausgabenpaket, welches mehr als 60 Milliarden Dollar zur Unterstützung der Ukraine beinhaltet hat. Das Paket galt als bislang beste Option, um das Land im Osten Europas in seinem Verteidigungskrieg gegen Russland weiterhin zu unterstützen.

Letztlich waren es die Realitäten der amerikanischen Politik, die das Paket torpediert und am Ende versenkt haben. Trotz der Gefahr, die von einem möglichen Stopp von Hilfsleistung an die Ukraine ausgehen, ist der Kongress in der Ukrai­ne-­Frage wie gelähmt. Das Resultat könnte nicht nur katastrophale Folgen für die Ukraine selbst haben, warnte der demokratische US-Senator Michael Bennet.

Denn: Ein Sieg Russlands stelle eine direkte Gefahr für Europa, die Nato und somit auch die USA selbst dar, so der Sprecher des nationalen Sicherheitsrats John Kirby Ende vergangenen Jahres. Doch knapp zwei Monate später ist der Status unverändert. „Wenn der Westen es dem russischen Präsidenten Wladimir Putin erlaubt, mit der Ukraine zu tun und zu machen, was er will, wo wird es dann enden? Es könnte zu einer Bedrohung der Nato-Verbündeten kommen. Es könnte sogar zum Auslösen von Artikel 5 kommen, und das hieße, dass dann auch US-amerikanische Truppen und Truppen der Nato-Verbündeten aktiv in den Krieg involviert werden würden“, so Kirby.

Im Moment zahlen nur die Menschen der Ukraine mit ihrem Blut für die Fehler des Westens, die bis ins Jahr 2014 zurückreichen. Doch die Vorstellung, dass am Ende amerikanische Söhne und Töchter in einen Krieg ziehen könnten, reicht nicht aus, um die Abgeordneten im Kongress davon zu überzeugen, sich für eine weitere Unterstützung Kyjiws einzusetzen.

Kurzsichtige Sturköpfigkeit

Biden versucht seit Monaten ein Hilfspaket für die Ukraine durch den Kongress zu bekommen. Zwar zeigten sich Senatoren aus beiden Parteien zumindest kompro­missbereit. Doch am Ende sind es stets die republikanischen Hard­liner, die alles zunichtemachen. Und nun kommt erschwerend hinzu, dass sich die USA in einem Wahljahr befinden. In einer politisch so bri­santen Zeit ist manchem Politiker das Risiko einer Zusammenarbeit mit Kollegen aus dem anderen politischen Lager zu groß. Das klingt paradox im Angesicht der potenziellen Alternative: einer ­territorialen Ausweitung des Kriegs.

Die republikanische Partei hat noch ein weiteres Problem: Donald Trump. Der Ex-Präsident und ak­tuel­le Topfavorit auf die erneute Nominierung seiner Partei gibt klar den Ton an. Er will zurück ins Weiße Haus, koste es, was es wolle. Ein politischer Erfolg für Joe Biden, was dieses Paket bedeutet hätte, kommt daher nicht infrage. „Es ist an der Zeit für Republikaner im Kongress, ein wenig Mut und Rückgrat zu zeigen … und der amerikanischen Bevölkerung klarzumachen, dass sie für sie arbeiten“, plädierte Biden – vergeblich.

Legislative Siege könnten ein Ausweg sein

Die EU hat Anfang Februar ein neues Hilfspaket über 50 Milliarden Euro zur Unterstützung der Ukraine verabschiedet. Damit hat sie zumindest kurzfristig die Führungsrolle eingenommen. Bundeskanzler Olaf Scholz ist für Gespräche mit Kongressabgeordneten und Präsident Biden nach Washington gereist. Sein Appell: Es braucht weiterhin auch die USA.

Doch warum sollte ausgerechnet Scholz etwas gelingen, was selbst ­Selenskyj während seines letzten Besuchs in Washington nicht erreichen konnte? Wegen der aktuellen Sitzverteilung in Senat und Repräsentantenhaus braucht es die Unterstützung der Republikaner, um Gesetzentwürfe zu verabschieden. Und um die Unterstützung von Republikanern aus dem rechten Lager zu bekommen, braucht es entweder eine große Kompromissbereitschaft oder Trump.

Ein politischer Erfolg für Biden, was dieses Paket bedeutet hätte, kommt für Trump im Wahlkampfjahr nicht infrage

Da Trumps Unterstützung so gut wie aussichtslos ist, bleibt nur die Kompromisswilligkeit. Biden und den Demokraten bleibt nichts anderes übrig, als Republikanern legislative Siege zu ermöglichen. ­Das ist zwar keine perfekte Lösung, aber das, was die Realität der ­amerikanischen Politik derzeit hergibt.

Was republikanische Hardliner allerdings genau wollen, ist unklar: Zuerst wollten sie eine Verschärfung der Grenzsicherung und der Mi­gra­tions­politik, doch nachdem die Demokraten schließlich eingelenkt hatten, war es ihnen doch nicht genug. Eine Reduktion der Staatsausgaben im nächste Fiskaljahr könnte vielleicht ein Startpunkt sein.

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