Reaktionen auf Trumps Äußerungen: Bloß nicht provozieren lassen
Von Nervösität bis Augenrollen: Trumps Äußerungen treffen bei Brüsseler Diplomaten auf Ablehnung. Doch viele verstehen sie auch als Weckruf.
Das soll sich nicht wiederholen – auch wenn Trump schon wieder zündelt. Am Wochenende deutete der republikanische Präsidentschaftsbewerber an, unter seiner Führung könnten die USA säumige Nato-Länder „nicht beschützen“. Er würde Russland „sogar dazu ermutigen, zu tun, was auch immer zur Hölle sie wollen“, sagte er unter Verweis auf Gespräche in seiner Zeit im Oval Office.
Geht das schon wieder los, fragten sich die Alliierten in Brüssel. Trump spiele mit dem Feuer, hieß es in der Nato-Zentrale. „Jede Andeutung, dass die Verbündeten sich nicht gegenseitig verteidigen werden, untergräbt unsere gesamte Sicherheit, einschließlich der der USA“, warnte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg.
Die Nervosität war mit Händen zu greifen, Trump hatte die Militärallianz kalt erwischt. Wilde Verschwörungstheorien machten die Runde. Der unberechenbare Republikaner habe sich mit Tucker Carlson und Kremlchef Wladimir Putin abgesprochen, munkelten Analysten. Gemeinsam wollten sie US-Präsident Joe Biden und die Nato mürbe machen.
Begrenzt anstrengungsbereit
Doch die Aufregung legte sich schnell, am Montag gab Stoltenberg eine neue Erklärung ab. Die USA würden „ein starker und engagierter Nato-Verbündeter bleiben“ – egal, wer die Präsidentschaftswahl im November gewinnt. Er versicherte, die Nato sei bereit, alle Alliierten zu verteidigen – unabhängig von den Verteidigungsausgaben.
Bloß nicht provozieren lassen, heißt die neue Devise in Brüssel. Trumps Äußerungen seien zwar „wahnsinnig gefährlich“, formulierte ein Diplomat. Allerdings seien die Europäer derartige Ausfälle schon gewöhnt. Mehr noch: Man habe vorgebaut und die Verteidigungsausgaben massiv erhöht. Trumps Provokationen liefen daher ins Leere.
Tatsächlich liegen die meisten Nato-Mitglieder mittlerweile bei oder über der Zwei-Prozent-Schwelle, die vor zehn Jahren in Wales vereinbart worden war. Deutschland kommt in diesem Jahr auf 2,0 oder 2,1 Prozent der Wirtschaftsleistung, Polen peilt 4 Prozent an, das Neumitglied Finnland gibt 2,4 Prozent aus.
An der gesamten Ostflanke der Nato werde das Ausgabenziel übererfüllt, geben sich Insider optimistisch. Bis zum Jubiläumsgipfel im Juli in Washington rechnen sie mit noch mehr guten Nachrichten. Das lange umstrittene „Burden sharing“, also die Lastenteilung, werde dann kein Streitthema mehr sein. „Europa liefert“, so die Message.
Kein Bündnis à la carte
Europa will auch künftig liefern – und sich so von unsicheren Kantonisten wie Trump unabhängig machen. Allerdings ist umstritten, wie das gehen soll. So setzt Frankreich auf „strategische Autonomie“, zur Not auch ohne die USA. Polen hingegen will auf jeden Fall an der Zusammenarbeit mit Washington festhalten, und sei es bilateral.
Und was sagt die EU? „Die Nato kann kein Militärbündnis „à la carte“ sein“, sagte Chefdiplomat Josep Borrell am Montag in Brüssel. Es könne nicht „jetzt ja, morgen nein“ heißen. Das Bündnis existiere oder es existiere nicht. Wie sich die Europäer besser aufstellen und zur Not auch ohne die USA verteidigen könnten, sagte er nicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Ex-Mitglied über Strukturen des BSW
„Man hat zu gehorchen“
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Kohleausstieg 2030 in Gefahr
Aus für neue Kraftwerkspläne
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins