Die Verständnisfrage: Klimakrise? Sorry!
Ältere haben es versäumt, mehr gegen die Klimakrise zu tun. Sollten sie sich bei jungen Menschen entschuldigen?, fragt ein Leser. Ein Azubi antwortet.
In der Verständnisfrage geht es jede Woche um eine Gruppe, für deren Verhalten der Fragesteller_in das Verständnis fehlt. Wir suchen eine Person, die antwortet..
Alfred Abels, 84, Rentner aus Bremen fragt:
Liebe junge Menschen, wollt ihr die Entschuldigung von uns Älteren für die Klimakrise überhaupt hören?
***
Tjalf Eydeler, 21, Azubi aus Passau antwortet:
Nein, wollen wir nicht. Denn was bringt uns das? Wir sitzen mittlerweile zu tief in der Scheiße, als dass Entschuldigungen noch etwas helfen. Und du als einzelne Person kannst ja auch gar nichts dafür. Die Menschen eurer Generation wussten ja lange selbst nicht, was für fatale Auswirkungen Treibhausgase haben. Es ist nicht die Aufgabe der Bevölkerung, im Auge zu behalten, was die Wissenschaft sagt, und das eigene Leben daraufhin anzupassen. Dafür haben wir ja eine Regierung, die auf die Expert:innen hören soll. Solange du nicht in einer wichtigen Regierungsposition warst und dich aktiv dagegen entschieden hast, auf die Wissenschaft zu hören, gibt es keinen Grund, sich zu entschuldigen.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Wenn es jemanden gibt, der sich entschuldigen sollte, dann sind das die CDU und die SPD. Aber nicht dafür, dass die Klimakrise begonnen hat, sondern dafür, wie damit umgegangen wird. Wir haben ja nicht mehr einfach nur Angst vor einer ungewissen Zukunft, wir steuern auf eine Katastrophe zu. Als junger Mensch wird man trotzdem noch belächelt: Wir sollen nicht so extrem sein und es sei ja absolut verwerflich, dass sich Leute auf die Straße kleben und andere dadurch fünf Minuten später zur Arbeit kommen. Dieses Egalsein, das ist etwas, wofür man sich wirklich entschuldigen kann.
Man könnte argumentieren, dass ältere Menschen schuld sind, weil sie diese Parteien gewählt haben. Doch viele ältere Menschen haben erst in den letzten paar Jahren die Konsequenzen des Klimawandels verstanden. Die haben ihre Leben gelebt, das hatte bestimmte Folgen, die sie aber nicht einschätzen konnten. Als der Klimawandel dann zum Thema wurde, hieß es, man muss Eigenverantwortung zeigen: auf Plastik verzichten und Müll trennen. Dabei ist nicht die Bevölkerung das Problem, sondern Unternehmen. Aber die Firmen haben natürlich die krassere Lobby, mit der sie die Politik und die öffentliche Meinung beeinflussen können. Das hat die Wissenschaft nicht und sollte sie auch nicht haben müssen, denn eigentlich liegt es in der Verantwortung der Politik, auf diese zu hören und nicht auf die Lobbys.
Klar stehen alle ein bisschen mit in der Verantwortung, auch wir junge Wähler:innen. Die FDP war ja bei uns zweitstärkste Kraft. Es sind nicht nur die älteren Generationen schuld. Aber letzten Endes hat vor allem die Politik ihren Job nicht gemacht. Der Anteil der Schuld der Bevölkerung ist meiner Meinung nach vernachlässigbar.
Wenn du dich dennoch schuldig fühlst, dann helfen uns Taten mehr als Worte. Es gibt überall vor Ort Gruppen, die sich mit Klimagerechtigkeit auseinandersetzen, auf lokaler wie auf Bundesebene. Wenn man da hingeht und sagt: Ich bin zwar nicht 7, sondern 70 oder auch 84 Jahre alt, aber ich will helfen, was kann ich tun?, dann freuen sich die Menschen in diesen Gruppen ein Loch in Bauch. Denn du hast vielleicht ganz andere Möglichkeiten als Leute, die zur Schule gehen oder studieren, bringst andere Erfahrungen und Wissen mit. Es gibt sehr viele kleine Aktionen und jeder Einzelne hilft. Ich glaube, dass es wichtig ist, aktiv zu werden, indem man eben nicht nur Plastikmüll trennt, sondern auch für politische Veränderungen auf großer Ebene wirkt.
Haben Sie manchmal auch diese Momente, wo Sie sich fragen: Warum, um alles in der Welt, sind andere Leute so? Wir helfen bei der Antwort. Wenn Sie eine Gruppe Menschen besser verstehen wollen, dann schicken Sie Ihre Frage an verstaendnis@taz.de.
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