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Die SPD, Gesine Schwan und Ralf StegnerEin selbstloser Akt

Anna Lehmann
Kommentar von Anna Lehmann

Mit Gesine Schwan und Ralf Stegner kandidieren nun zwei Außenseiter für den SPD-Vorsitz. Beide wollen die Partei tendenziell nach links führen.

Feige sind sie nicht: Ralf Stegner und Gesine Schwan Foto: dpa

E in riesiger Tanzsaal, die Kapelle spielt. Aber auf der Tanzfläche drehen sich nur drei tapfere Paare. Und Hunderte Gäste schauen ihnen dabei zu, kichern über jeden Patzer, blicken verschämt zu Boden oder schielen zur Tür, ob nicht vielleicht noch ein glamouröses Paar auftaucht.

Das etwa ist das Bild, welches die SPD derzeit bei der Suche nach ihren neuen Parteivorsitzenden abgibt. Nun reiht sich also ein weiteres Paar ins öffentliche Vortanzen ein: Gesine Schwan und Ralf Stegner. Sie, Grande Dame der SPD, ist die bisher prominenteste Bewerberin, er ist immerhin der Erste aus der derzeitigen Parteiführung, der sich traut, zu kandidieren.

Der Beifall hält sich gleichwohl in Grenzen. Beide sind AußenseiterInnen in ihrer Partei, ihre Chancen, am Ende zum Spitzenpaar gekürt zu werden, sind eher gering. Gerade Stegners Kandidatur provoziert einige zu witzig gemeinten Kommentaren.

Aber billiger Spott ist unangebracht. Ja, Ralf Stegner hat die SPD als Spitzenkandidat in Schleswig-Holstein in neue Tiefen geführt, er schafft es, notorisch schlecht gelaunt zu wirken. Obwohl er eigentlich ganz umgänglich ist und klug dazu. Aber da geht es ihm ähnlich wie seiner Partei, die ebenfalls Schwierigkeiten damit hat, zu kommunizieren, was sie Gutes für die Menschen tut oder vorhat zu tun.

Die SPD neigt dazu, solche und andere Probleme als Personalprobleme zu behandeln. Es läuft nicht? Putsch

Die SPD neigt dazu, solche und andere Probleme als Personalprobleme zu behandeln. Es läuft nicht? Putsch. Auf diese Weise hat die Partei seit der Jahrtausendwende acht Vorsitzende verschlissen, die kommissarischen nicht eingerechnet. Die CDU kam im selben Zeitraum auf drei. Es ist erbärmlich, dass niemand von jenen, die in den Führungsetagen des Willy-Brandt-Hauses große Reden schwingen oder im Stillen zündeln, jetzt den Mumm hat, die SPD auch führen zu wollen.

Dass sich Stegner und Schwan gemeinsam zur Kandidatur entschlossen haben, kann man als Akt der Aufopferung ihrer Partei gegenüber sehen. Wenn man dem Spiegel glaubt, dann tun sie es wider besseres Wissen: Sie sind sich demnach einig, dass sie sich politisch zu sehr ähneln und nicht jugendlich genug wirken. Beide wollen sie die SPD tendenziell nach links führen und auch gern in ein Bündnis mit Grünen und Linkspartei. Beide stehen für Umverteilung und für eine Besinnung der Partei auf ihre Grundwerte.

Gesine Schwan hat der taz zu Jahresbeginn gesagt: Vielleicht werde man einmal sagen, dass die sozialdemokratische Führung nicht mutig genug gewesen sei. Eines kann man Schwan und Stegner jedenfalls nicht vorwerfen: dass sie feige sind.

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Anna Lehmann
Leiterin Parlamentsbüro
Schwerpunkte SPD und Kanzleramt sowie Innenpolitik und Bildung. Leitete bis Februar 2022 gemeinschaftlich das Inlandsressort der taz und kümmerte sich um die Linkspartei. "Zur Elite bitte hier entlang: Kaderschmieden und Eliteschulen von heute" erschien 2016.
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21 Kommentare

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  • Was ich bei der SPD nicht nachvollziehen kann, ist, dass sie nicht offen sagt, Hartz IV war eine Fehlentscheidung, die, sollten wir die Mehrheit erlangen, zurückgenommen wird. Das wäre aus meiner Sicht ein Anfang. Zumal es Deutschland wirtschafltich mittlerweile wieder so gut geht, dass wir zum System der früheren Arbeitslosenhilfe zurückkehren könnten.

    Ausserdem wäre es aus meiner Sicht ein Gewinn, wenn sich die SPD wieder mehr für Frauenrechte, ganz besonders das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung für Frauen mit und ohne Migrationshintergrund, einsetzen würde und religiöse Zugeständnisse/Rechte einschränken würde. Notfalls zusammen mit anderen Parteien durch Änderung des Grundgesetzes.

    • @*Sabine*:

      "Was ich bei der SPD nicht nachvollziehen kann, ist, dass sie nicht offen sagt, Hartz IV war eine Fehlentscheidung, die, sollten wir die Mehrheit erlangen, zurückgenommen wird."



      Das kapier' ich auch nicht. Die hätten sofort 6,5 Mio. Wähler*innen mehr…



      Aber dann kriegen die soooo viel Ärger mit den Medien und den wahren Herrschenden, dass sie keine Chance haben dürften… So weit sind wir nämlich schon… will nur keine|r sehen, könnte mehr als ernüchtern.

  • Das sind also die Hoffnungsträger der SPD. Gesine Schwan, 76 Jahre, die den pfandflaschensammelnden Rentnern mir ihrem 'Pippi Langstrumpf-Lächeln' wohl das Elend der Rentnerarmut erträglicher machen soll und natürlich die 'Stimmungskanone' Ralf Stegner, der das unwürdige System Hartz IV nicht wirklich abschaffen will, sondern es durch eine "Alternative zu Hartz IV" ersetzen möchte - wie er sich letztes Jahr äußerte. Auf gut deutsch, es bleibt alles wie es ist, nur das man dem Kind dann einen anderen Namen gibt.

    taz: "Beide wollen sie die SPD tendenziell nach links führen und auch gern in ein Bündnis mit Grünen und Linkspartei". - Tendenz bedeutet ja „Richtung“ oder „Neigung“. Die SPD ist also geneigt, eine Richtung nach links einzuschlagen. Links steht aber schon die Linkspartei und wo die Grünen momentan stehen, das wissen die Grünen wohl selbst nicht so genau. Das sind doch alles nur wieder Wortspiele der SPD ohne wirklich endlich mal einen Schlussstrich unter der Schröder-Agenda-2010-Politik zu ziehen. Es ist doch eigentlich schon total egal, wer die SPD anführt, denn solange diese Partei keine Kehrtwende um 180 Grad vollzieht, wird das alles nichts mit der 'Auferstehung' der SPD werden. Das Willy-Brandt-Haus hat doch schon seit Jahren einen anderen Namen und zwar 'Schröder-Agenda-2010 Haus'. So lange die SPD sich weiterhin weigert, die Agenda-2010-Politik endlich in den Mülleimer zu werfen, wird diese Partei sicherlich nicht 'auferstehen'.

    • 0G
      06491 (Profil gelöscht)
      @Ricky-13:

      Aus meiner Sicht treffend analysiert. Vielen Dank für Ihren Beitrag.

  • Zu einer guten Beerdigungsfeier gehören immer aufrichtige Redner, Trostspender und die Sargträger.

    Ralf Stegner und Gesine Schwan besitzen dafür die beste Eignung.

    Es dürfte nur ein Streit unter den SPD-Prominenzabonnenten ausbrechen, wer denn den Sarg zum Grabe tragen darf.

  • Alles quatsch. Die Führung der Partei geht nicht auf diese Weise. Das ist mehr eine Mangement als eine Richtungsrolle. Eine Leitung einer Partei durch eine emeritierte Frau Professorin und ein durch seine Pöbeleien bekannten Politiker an der Pensionierungsgrenze ist eine Schnapsidee.

  • Quassel-Ralle, Meister des guten Tons* - na, das wird bestimmt eine Gaudi-Tour mit vielen Schenkelklopfern. Der SPD wird seine Kandidatur aber nicht helfen.

    www.faz.net/aktuel...weet-14858861.html

  • Liebe SPD, du bist selbst Schuld dass dich keiner mehr führen will.



    Sigmar Gabriel sagte vor nicht all zu langer Zeit, der Parteivorsitz werde wie ein verseuchtes Kleidungsstück behandelt.



    So hat er es doch auch gemacht!



    "Iiiih! Kanzlerkandidatur! Die geb ich lieber dem nächsten Trottel der hier vorbeikommt. Und den Vorsitz gleich mit." Ähnlich war es damals bei Peer Steinbrück der auch beides an den Hals geworfen bekam.



    Aber nicht nur die Vorgänger gehen unfair mit ihren Nachfolgern um, die SPD macht ihre Vorsitzenden auch klein. Franz Müntefering sagte dereinst, er würde den Vorsitz abgeben, sollte Andrea Nahles Generalsekretärin werden. Und die Genossen wählten die Andrea.



    Kurt Beck wurde immer wieder widersprochen. Da waren es dann "gut informierte Kreise aus dem Vorstand" oder "Parteifreunde" die ihm in den Medien annonym eins reinwürgten. Wer will denn so einen Haufen noch anführen?

  • d'accord. Feigheut kann man ihnen nicht vorwerfen. Was man Ralle Stegner aber vorwerfen kann, ist daß er als Aufsichtsrat der HSH Nordbank den allergrößten Wahnsinn stets abgenickt hat - nur um gefühlt Sekunden nach seinem Ausscheiden die Folgen seiner Entscheidungen laut anzuprangern, als Wahlkampftaktik... nur um die Wahl krachend zu verlieren. Muß man auch erst schaffen!

  • Wenn so die Hoffnungsträger aussehen, möchte die Hoffnung lieber zu Fuß gehen.

  • Als die sogen. (rechten) Kanalarbeiter der SPD durch die Seeheimer abgelöst wurden, war Gesine Schwan mit dabei. Die Seeheimer haben die Agenda 2010 erheblich mit geprägt.



    Jetzt soll der Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben werden? Nicht wirklich, oder?



    Allerdings hat die SPD nicht nur inhaltlich, sondern auch personell nicht viel zu bieten. Wo sind denn die Köpfe, die eine programmatische Wende einleiten könnten?

    Im Vergleich zwischen den hippen Grünen und der medialen Anbetung der beiden Spitzengrünen würden Schwan und Stegner wie verkochter Eintopf dargestellt werden. Aber vielleicht schaffen Schwan/Stegner ein Wunder und die Medien entdecken plötzlich den Unterschied zwischen nationalem Klimapopulismus der Grünen und einer womöglich intelligenteren Antwort der SPD, die womöglich deutlich macht, dass wir mehr als ein Problem haben, das gelöst werden muss. Ich glaube das aber nicht.

  • Warum bewerben sich nur SPDler im fortgeschrittenen Alter aus der dritten Reihe? Soll die SPD absichtlich in den Untergang geführt werden? Herr Stegner mit seiner Pöpelei, seiner mitfühlenden und humorvollen Art wird sicher die Massen begeistern...Und eine 76-jährige steht natürlich für den dringend notwendigen Generationswechsel. Unwillkürlich fällt mir da Alfred Tetzlaff ein: Der Sozi ist nicht grundsätzlich dumm, er hat nur sehr viel Pech beim Nachdenken. Das Motto der SPD lautet: "Gestern standen wir vor dem Abgrund, heute sind wir ein Schritt weiter"

    • 0G
      05158 (Profil gelöscht)
      @Vordenker112:

      Lachen!



      An Alfred habe ich schon gar nicht mehr gedacht.



      Sehr gut!

  • Es ist eine Tragödie. Die Es Pe De rennt den Parolen der Grünen und der Linkspartei hilflos hinterher, ohn zu spüren, was die Basis, die Basis eines Brandt, Wehner und Schmidt von ihnen erwartet.

    • @Günter:

      Ist das so? Ich war soooo lange Sozi, ich denk mit Melancholie an dei sozialliberalen Zeiten zurück, ich konnte sogar Helmut Schmidt gut leiden, trotz Nato-Doppelbeschluß... aber ich höre auch immer noch am liebsten The Who oder Fischer Z, ich find Spotify unangenehm und komme mit Online-Banking nicht zurecht. Wenn also so alte Damen und Herren die Basis bilden, die noch da ist, dann...auweiowei. Wir werden vom Arbeitskreis für Arbeitnehmerfragen berichten wie unsere Opas vom Krieg.

  • Schön und gut.



    Nur:



    Was tun, mit all dem Mut?

  • 8G
    80576 (Profil gelöscht)

    Mit der Galionsfigur gewinnt die SPD wieder Wahlen. Hahahahahahahahahah

  • Ralf Stegner macht klare Ansagen, ist rhetorisch auf der Höhe und kann gut mithalten. Wird schon als 'sehr links' verschrieen, was nun wirklich nicht stimmt, er ist solide Sozialdemokratie und dabei vom alten Schlag. Persönlich ist er mir sympathisch, weil er einfach kein dauerlächelnder Leichtmatrose ist.



    Mit einer "Deutschland sucht den Superstar"-Mentalität kriegt man solche Probleme natürlich nicht gebacken, damit kriegst du Leute wie Scheuer und Klöckner. Angela Merkel war auch nie ein Superstar. Wenn die Programmatik stimmt und es einigermaßen rüberkommt, bin ich zufrieden. Selbst Willy Brandt konnte manchmal ziemlich langweilig sein, wenn er mit seiner singenden Stimme so vor sich in philosophierte.



    Also sehen wir das Positive: Sie werden einen wichtigen Beitrag zur Debatte leisten, auf den diversen innerparteilichen Konferenzen und in der Öffentlichkeit. Allein das ist der Versuch wert.

    • @Ataraxia:

      Stegner ist bestimmt kein Schlechter, aber eins hat er leider nicht - positives Charisma, Wenn ich so an die 70er denke Wehner Strauß etc - da hätte Stegner gut rein gepasst.

    • @Ataraxia:

      "Yes Scotty, beam him up"!!!