Die Linke nach Debakel in NRW: Auf Tierschutzpartei-Niveau
Die Linkspartei ist in NRW untergegangen. Die Vorsitzende Wissler gibt nun die Parole aus: Alle sollen nur noch positiv über die eigene Partei sprechen.
Im bevölkerungsreichsten Bundesland wählten am Sonntag nur 2,1 der Wähler:innen die Linke. Im Vergleich zu 2017, als der Linken nur 8.600 Stimmen für den Einzug in den Landtag fehlten, büßte sie nunmehr die Hälfte ihrer Wähler:innen ein – und zwar über alle Milieus verteilt. Unter den Arbeiter:innen wählten sogar nur noch 1 Prozent Linkspartei.
„Die Linke hat ihren dramatischen Verfallsprozess fortgesetzt“, konstatiert Thomas Falkner von der parteinahen Rosa-Luxemburg-Stiftung. Die selbstzerstörerischen Vorgänge und die inhaltlichen Blockaden in der Partei hätten voll durchgeschlagen.
„Klare Botschaften senden“
In der Tat belauern sich Partei- und Fraktionsvorstand der Linken seit Jahren mit gegenseitigem Misstrauen. Dieser Stellungskrieg führt dazu, dass die Linke zu keiner gesellschaftlich relevanten Frage – ob es um Corona, den Krieg in der Ukraine oder den Klimawandel geht – eine schlüssige Antwort hat. Das Problem ist nicht, dass es der Partei nicht gelingt, gemeinsame Positionen zu entwickeln, sondern dass diese von prominenten Mitgliedern aus der Bundestagsfraktion sofort wieder kassiert werden.
So verurteilt die Linkspartei etwa den russischen Überfall auf die Ukraine und fordert auch Wirtschaftssanktionen. Der Bundestagsabgeordnete Klaus Ernst aber kritisiert das Ölembargo als Bumerang, die Ex-Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht gibt den USA sogar eine erhebliche Mitschuld am Krieg und behauptete im NRW-Wahlkampf, der Westen blockiere einen Waffenstillstand.
Empfohlener externer Inhalt
Der Spitzenkandidat der Linken in Nordrhein-Westfalen, Jules El-Khatib, bezeichnete diese „Vielstimmigkeit“ zwar am Montag in Berlin als „nicht hilfreich“ – bedankte sich aber gleichzeitig für die Unterstützung auch von Wagenknecht im Wahlkampf. Ihr Auftritt sei völlig okay gewesen. Wissler sieht das nicht ganz so locker und fordert: „Wir müssen wieder klare Botschaften senden.“ Vor allem aber gelte nun für alle: „Jetzt nur noch positiv über die eigene Partei zu sprechen.“
Als wenn das so einfach wäre. Für den Parteitag Ende Juni hoffen viele auf einen Neuanfang. In Erfurt wird der gesamte Parteivorstand einschließlich der Parteispitze neu gewählt. Die Attraktivität des Amtes hält sich in Grenzen, bislang gibt es nur fünf offizielle Kandidaturen für den Vorstand, darunter eine für den Parteivorsitz. Immer wieder fällt der Name Sören Pellmann, der unter anderem von Wagenknecht unterstützt wird. Als Gegenkandidat wird Jan van Aken ins Spiel gebracht. Wissler selbst lässt offen, ob sie wieder antritt.
Die Berliner Landesvorsitzende Katina Schubert hält aber als Konsequenz aus den jüngsten Wahlniederlagen auch Veränderungen in der Bundestagsfraktion für notwendig. „Ich erwarte dringend, dass auch die Fraktion Verantwortung übernimmt, die derzeit einer Ansammlung von Ich-AGs gleicht, in der jeder sein eigenes Ding macht“, sagte sie der taz. Das zeige sich etwa am Ukrainekrieg, wo Wagenknecht, aber auch die abrüstungspolitische Sprecherin Sevim Dağdelen, eine völlig andere Linie als der Parteivorstand verträten. „Das muss aufhören.“
Schubert fordert, dass die Fraktion verstärkt Lösungsvorschläge für die tägliche reale Politik entwickelt. Ein Sofortprogramm für Energiesicherheit, Energiesouveränität und ökologische Transformation, wie es die Fraktionsvorsitzenden der Länder jetzt vorgeschlagen haben, hätte sie eigentlich von der Bundestagsfraktion erwartet. „Das ist ihr Job.“ Wäre also auch ein Wechsel an der Fraktionsspitze, wo derzeit Dietmar Bartsch und Amira Mohamed Ali die Geschäfte führen, nötig? „Die Fraktionsführung muss sich diese Frage selbst stellen“, meint Schubert. Fakt sei: „Wenn die Partei implodiert ist jeder der 39 Abgeordneten-Arbeitsplätze und der gesamten Mitarbeiter:innen gefährdet.“
Und nicht nur dort.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Tod des Fahrradaktivisten Natenom
Öffentliche Verhandlung vor Gericht entfällt
Wahlprogramm der FDP
Alles lässt sich ändern – außer der Schuldenbremse
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
Energiewende in Deutschland
Erneuerbare erreichen Rekord-Anteil