Die Dürre und die Landwirtschaft: Es fehlt an Grün, an Matsch, an allem
In ganz Deutschland leiden die Bauern unter dem trockenen Wetter. Auch ihre Rinder müssen sie früher schlachten, weil es an Futter mangelt.
Hermine soll nicht hungern. Sie muss sterben, diesen Montag. Denn es fehlt Futter für die noch nicht ganz ausgewachsene Kuh – und irgendwie fehlt es an allem auf dem Hof von Bernd Schmitz, Biobauer im nordrhein-westfälischen Hennef, am Rande des Bergischen Landes.
Bestes Badewetter. Laue Sommerabende. Der Sommer hat für viele sein Gutes. Für Schmitz, 52, Vater von fünf Kindern, nicht. Ein Anruf bei ihm, er erzählt seine radikale Sicht auf diese dürren Zeiten.
Ihm fehlt es an Grün. „Die Wiesen am Hang sind braun.“ Ihm fehlt es an Matsch, an feuchtem Boden. „Selbst die Füchse werfen Staub aus ihren tief gebuddelten Bauten.“ Ihm fehlt es an Sorglosigkeit. „Die Fichten produzieren panikartig Zapfen zur Fortpflanzung, damit sie überleben.“ Und Schmitz muss zehn seiner hundert Tiere zum Schlachter bringen – früher als geplant.
Alles ist anders, nichts normal auf seinem Hof und Feld. Klar, Bauern reden immer viel über das Wetter. Sie können es nicht ändern, sind ihm ausgeliefert. Aber so?
Nur zwei Gewitter seit April
Diese Trockenheit. Sie beschäftigt alle auf dem Hof. Die Eltern von Schmitz sagen, das haben sie nie erlebt. Sicher, da war der Sommer 1976. Da platzten die Straßendecken, schwitzten die Bürger, darbte die Natur auch. Aber das war nur der Juni. In diesem Jahr hat es bei den Schmitz seit April nur zwei Mal gewittert, und der Regen rauschte die Hänge einfach runter, in den Boden sickerte dabei kaum was. Das belastet.
Tochter Luisa, 13, hat das aufgemalt: Auf der einen Seite ein sorgenreicher Bauer, also mit Fragezeichen in einer Gedankenwolke über ihm, darunter eine Wetterkarte – nur mit Sonnen. Auf der anderen Seite derselbe Mann, glücklich, dieselbe Wetterkarte, diesmal nur mit Regenwolken. So ein Hof, das ist immer auch Familiensache.
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Also hat Vater Schmitz mit den Kindern, wie er sagt, „gedealt“, wann die Tiere getötet werden. Sie haben alle ihre Lieblingstiere. Hermine ist das von Paula. Die sagte: „Sie muss bis nach meinem 9. Geburtstag bleiben.“ Der war am vergangenen Dienstag. An diesem Montag holt der Schlachter Hermine ab.
Erst gehen die männlichen Tiere, dann die weiblichen, die noch kein Kalb geboren haben und darum keine Milch geben, dann die älteren Kühe, die nicht mehr produzieren. Das ist die übliche Reihenfolge der Milchbauern in solchen Zeiten, erklärt Martin Hofstetter. Er hat Landwirtschaft studiert, heute ist er bei Greenpeace, kümmert sich um Agrarpolitik, beobachtet den Markt.
Mehr Schlachtungen als sonst
In der Woche vom 9. bis zum 15. Juli sind laut dem Verband der Fleischwirtschaft gut 49.000 Rinder in Deutschland geschlachtet worden – 4.000 mehr als in derselben Zeit ein Jahr zuvor. Seit Juni macht der Verband bei den Rinderschlachtungen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum insgesamt ein Plus von 11 Prozent aus. Dort heißt es, die Dürre sei ein „nachvollziehbarer Grund“.
Bernd Schmitz ist nicht der Einzige, dem das sonnige Wetter zusetzt, auch wenn nicht jede Region Hänge hat oder sandige Böden, die das Wasser nicht halten, auch wenn etwa die Winzer auf einen guten Jahrgang hoffen. Der Deutsche Raiffeisenverband rechnet damit, dass die Getreideernte einbricht und bei 41,4 Millionen Tonnen liegen wird. Das wären fast 7 Millionen Tonnen weniger als im Schnitt üblich. Ist die Nahrungsmittelversorgung in Gefahr?
„Nein, das nicht“, sagt Hofstetter. Die Lager seien weltweit gut gefüllt, und eigentlich sei genug da, wenn es richtig verteilt werde. Er beruft sich auf die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Die hat zusammen mit der Welternährungsorganisation FAO erst vor wenigen Tagen den „Agricultural Outlook 2018–2027“ vorgelegt.
Darin liest man: „Die Produktion ist bei allen Agrarrohstoffen stark gestiegen und erzielte 2017 Rekordwerte für die meisten Getreidesorten, Fleischarten, Milchprodukte und Fisch, während die Getreidevorräte zugleich ein Allzeithoch erreichten.“ Zugleich nehme die Nachfrage weniger zu. Die Chinesen – das sei ein Grund – hätten nicht mehr so einen Appetit auf Schinken, Schulter, Füße vom Schwein. So werde weniger Getreide als Futter gebraucht.
In Russland tauen die Böden auf
Schlechte Ernte, hohe Preise? Diese Regel setze der Weltmarkt im Grunde außer Kraft, sagt Hofstetter: „Bleibt der Weizen fürs Brot auf deutschen Feldern mickrig, kommt er aus Tschechien oder Kanada, zumeist sogar klimafreundlich mit dem Schiff.“ Und: Länder wie Russland profitierten vom Klimawandel, dort tauten Böden auf, entstünden neue Äcker. Nur, sagt Hofstetter: Wer die Landwirtschaft und die hiesige Kulturlandschaft mit ihren Dörfern, Wiesen, Feldern erhalten wolle, müsse überlegen, wie man die Bauern intelligent unterstützt.
Mit Geld. Sagt der Deutsche Bauernverband. „Keine kluge, keine nachhaltige Idee.“ Sagt Schmitz. Aber nicht nur er, der Biobauer. Auch ein konventioneller Kollege: Ottmar Ilchmann, der im ostfriesischen Rhauderfehn 60 Kühe hält, will nicht einfach mehr Staatsgeld – und dann ein Weiter-so.
Bei ihm sieht es nicht viel besser aus als bei Schmitz. Dieser Tage drischt er den Weizen, er ist notreif, also mit wenig und kleinen Körnern. Eigentlich wäre jetzt die Wintergerste dran, aber die ist schon seit zweieinhalb Wochen ab: 60 Prozent der üblichen Ernte ergab sie. Außerdem fürchtet Ilchmann, nächstes Jahr die Wiesen neu einsäen zu müssen, so kaputt ist das Gras. Mache pro Hektar 1.400 Euro, Pi mal Daumen.
Ab 18 Grad haben die Kühe Stress
Und seine Kühe? Sie leben, geben aber weniger Milch. Die Kuh fühlt sich nur bis 18 Grad Celsius wohl, dann beginnt der Stress. Trotzdem stemmt Ilchmann sich gegen Dürrehilfen, noch vehementer als Schmitz. Sie beide sind in der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, einer Art Opposition zum Deutschen Bauernverband, und haben andere Ideen.
Ilchmann sagt: „Die Bauern karren derzeit jeden Tag, manchmal zweimal extra Futter und Trinkwasser auf die Weiden, haben mehr zu tun und geringere Erträge.“ Die Milch müsste teurer werden, sagt er. „Bei Kartoffeln, manchem Gemüse aus der Region kennen wir das. Das würde doch auch jeder bei der Milch verstehen.“ Die Molkereien müssten das jetzt von den Handelsketten fordern.
10 Cent würden ihm schon „viel helfen“. Nur: Der Discounter Aldi Süd hat erst vor wenigen Wochen den Preis für den Liter Vollmilch um 9 Cent gesenkt – auf 69 Cent. Die Deutschen gelten als, nun ja, preissensibel. Was dann?
Ottmar Ilchmanns Hof liegt nahe der Küste, durch seine Wiesen ziehen sich zahlreiche Gräben. Kann er seine Weiden nicht so bewässern wie Obstbauern ihre Plantagen? „Zum einen sind die Gräben trocken“, sagt er, „zum anderen fehlen das Equipment und die Infrastruktur. Sie müssen in eine Beregnungsanlage investieren und einen tiefen Brunnen anlegen, der muss aber genehmigt werden.“ So was ist nicht schnell zu machen.
Der Mais ist die Hoffnung
Auch das Futter lasse sich nicht einfach umstellen, die Kühe fräßen schon viel Kraftfutter. Das kaufen Bauern von der Industrie. Doch zu viel bringe den Stoffwechsel durcheinander, übersäure den Pansen, mache die Tiere krank, sagt Ilchmann. Ohne Gras und Mais gehe es nicht.
Der Mais – er ist jetzt seine Hoffnung. Denn der stehe „noch gut da“. Noch. Die Stängel sind gewachsen, aber jetzt sind die Kolben dran, die brauchen unbedingt Wasser, Regen, „innerhalb der nächsten zehn Tage“.
Biobauer Schmitz aus Nordrhein-Westfalen hat gar keine Maisäcker. Gerade schlägt er sich mit den nordrhein-westfälischen Behörden herum. Er will, nein, er muss Futter zukaufen. Seine Vorräte sind fast weg.
In seinem Umkreis gibt es aber keine Biobauern, und weite Wege sind zu kostspielig. Also will er eine Ausnahmegenehmigung, damit er Heu oder Grassilage von einem Bauern in der Nähe kaufen kann. Der hat etwas übrig, weil er sich verkleinert hat, stellt aber gerade erst auf Bio um. Das macht es schwierig. Schmitz würde sich das unbürokratischer, ohne die 50 Euro Bearbeitungsgebühr wünschen – und auch gerne Grundsätzliches ändern.
Seit einiger Zeit geht er wieder zu Demos, gegen klimaschädliche Kohlemeiler, gegen die Erdüberhitzung. „Wenn die Tiere nicht mehr satt werden, müssen wir uns umstellen“, sagt er. Er meint seine Familie und den Hof. Aber nicht nur.
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