piwik no script img

Deutschland siegt im Laster-VergleichRauchen, saufen, fressen ohne Ende

In keinem Land der EU kann man so ungestört seinen Lastern nachgehen wie in Deutschland. Das zeigt der neue „Nanny-Index“.

Deutsche Auswahl: In keinem anderen EU-Land kann man so gut trinken, essen und rauchen Foto: ap

Berlin taz | Deutsche sind humorlos, spaßbefreit, langweilig. Ernst ist hierzulande schließlich nicht nur Programm, sondern auch ein Vorname. Überraschend wenig nüchtern sind daher die Ergebnisse des „Nanny State Index 2019“, auf dem die Bundesrepublik den ersten Platz belegt. In ganz Europa könne man sich nirgendwo so ungestört betrinken, essen und rauchen wie in Deutschland, heißt es im Länderprofil.

Seit März 2016 erscheint der „Nanny State Index“, zu deutsch „Bevormundungsstaats-Index“, jährlich und wird vom European Policy Information Center herausgegeben, einem Zusammenschluss von neun europäischen marktliberalen Denkfabriken. Der Index vergibt hohe Punktzahlen an EU-Mitgliedsländer, wenn der Konsum von Alkohol, Nikotin und Lebensmitteln wenig staatlich reguliert wird.

Punktabzug gibt es etwa bei steuerbedingten Preiserhöhungen, Einschränkung der Produktauswahl und dem Eingrenzen von verfügbarer Produktinformation durch Werbeverbote. Federführend verantwortlich ist Christopher Snowdon, Head of Lifestyle Economics des Institute of Economic Affairs, einer marktliberalen englischen Denkfabrik.

Die AutorInnen der Studie machen kein Rätsel daraus, welchen Akteuren sie sich verpflichtet fühlen. Regulierungen der Lebensmittel-, Nikotin- und Alkoholindustrie würden die Lebensqualität reduzieren, zu viel Bürokratie verursachen und den Wettbewerb einschränken. Politische Ressourcen würden unnötigerweise verschwendet, das Gastgewerbe durch Rauchverbote geschädigt und der Schwarzmarkt durch zu hohe Preise angekurbelt. In dieser Art und Weise wird auf insgesamt 84 Seiten der Teufel des bevormundenden Staats an die Wand gemalt, inklusive Fallbeobachtungen der einzelnen EU-Länder.

Steuern auf Bier und Schnaps unter EU-Durchschnitt

Dort sind auch lobende Worte für Deutschland zu finden: Es sei das beste Land in der EU um zu rauchen, zu essen und zu trinken, weil es keine Zuckersteuer gebe, der Werbemarkt sehr liberal sei und Steuern auf Bier und Schnaps unter dem EU-Durchschnitt lägen. Außerdem seien Auflagen für Nikotinprodukte je nach Bundesland weniger streng als in anderen EU-Ländern, meistens würden Rauchverbote lediglich dazu führen, dass separate Räume eingerichtet werden würden. TrinkerInnen würden ebenso wenig verdrängt wie Raucherinnen: Eine Sperrstunde gebe es vielerorts in der Bundesrepublik nicht.

Eines stört die AutorInnen trotzdem: Das freiwillige Abkommen zwischen Industrie und Regierung, Rezepturen von Lebensmitteln neu zusammenzustellen, um den Zucker-, Fett- und Salzkonsum zu reduzieren. Konkret soll die Industrie bis 2025 die Zuckeranteile in Erfrischungsgetränken sowie in Frühstückszerealien und Joghurts für Kinder signifikant reduzieren. Bei der Umsetzung sollen sie von einem Beratungsgremium unterstützt werden.

Kritik an der deutschen Verbraucherpolitik kommt auch vom Verbraucherzentrale Bundesverband. „Deutschland hat noch einiges nachzuholen“, sagt Vorstand Klaus Müller zur taz. Dass Deutschland auf dem „Nanny State Index“ auf dem ersten Platz landet, sei kein Anlass zur Freude. Diese Studie ist für Müller ein „Kampfinstrument“, um Werbung für Produkte zu machen, die zwar Spaß machten, aber auch Verantwortung an zahlreichen Folgekosten für die Gesellschaft trügen.

Nachweislich falsch nennt Müller die Behauptung der StudienautorInnen, es gebe zu wenige Beweise, dass Bürger streng regulierender Staaten gesünder lebten. Die Mehrheit aktueller Studien spreche dagegen. „Die Tabaksteuer funktioniert, auch gesellschaftlich ist das Rauchen nicht mehr cool. Es gibt also eher eine Korrelation in die andere Richtung“, sagt Deutschlands oberster Verbraucherschützer.

Müller warnt zudem davor, die drei Themen Rauchen, Trinken und Essen in einen Topf zu werfen. Am schwierigsten sei es im Bereich der besonders zucker- und fetthaltigen Lebensmittel, ein Problembewusstsein zu entwickeln. Hier ist es für Müller besonders wichtig, in Bildung zu investieren: „Wir brauchen eine gute Verbraucherinformation, die Orientierung gibt.“

Mehr Skandalisierung als Sachlichkeit

Die lässt der „Nanny Index“ tatsächlich vermissen. Allein die Wortwahl im Titel deutet darauf hin, dass es den AutorInnen eher um Skandalisierung als um Sachlichkeit geht. „Nanny“ ist das englische Wort für Kindermädchen. Dass es in der Gesundheitspolitik nicht um Kinderbetreuung, sondern um den Ausgleich der Folgekosten geht, die sich Gesellschaften mit einer ungesunden Lebensweise selbst aufbürden, sollte eigentlich offensichtlich sein. Das Institute of Economic Affairs und das European Policy Information Center sind da wohl anderer Meinung. Der Lobby der Nikotin-, Alkohol- und Lebensmittelindustrie dürfte das gelegen kommen.

Also doch schlechte Nachrichten für Deutschland? Durch den „Nanny Index“ werden wir nicht cooler. Stattdessen ist die Erstplatzierung auf der Liste ein Hinweis darauf, wie die Politik mit ihren Regulierungen in der Gesundheits- und Verbraucherpolitik auf Kuschelkurs mit der Industrie geht. Es liegt also noch ein weiter Weg vor uns.

Wie es besser geht, verraten auch diejenigen EU-Mitgliedsländer, die im Ranking schlechter abschneiden, also mehr regulieren. In Frankreich gibt es zum Beispiel ein Gesetz, das es verbietet, Menschen zum Komasaufen zu ermutigen. Im Bereich der Lebensmittelkennzeichnung haben EU-Staaten wie Großbritannien, Belgien und Spanien schon einen länderübergreifenden Vorstoß gewagt. Die Lebensmittelampel findet sich auf zahlreichen verarbeiteten Lebensmitteln und soll auf den Gehalt von Zucker, Salz und Fett in den Produkten aufmerksam machen.

Fest steht auch für Klaus Müller, dass übertriebene Eingriffe in das Konsumverhalten der Verbraucher vermieden werden sollten. Dazu müsse Ernährungspolitik, anders als von den MacherInnen der Studie nicht wirtschaftlich, sondern sozial gedacht werden. „Wir wollen gerade Menschen erreichen, die noch nicht überzeugt sind.“, so der Verbraucherzentralenchef.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

74 Kommentare

 / 
  • Landsberg



    Frage : Hat der Mensch das Recht bzw



    die Freiheit sich



    duch sein unterstelltes Fehlverhalten zB ..Rauchen ...Saufen



    Fressen ...Drogen usw selbst zu schaden. ???

    08 02 2021

  • 4G
    4813 (Profil gelöscht)

    Ja, hier darf man öffentlich trinken, rauchen, fressen. Und komisch, in den USA, wo man in Bars draußen sitzen darf, sein Bier aber über ein Fenster in der Kneipe trinken muss, sind die Menschen fetter, und voll mit Drogen.

  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    Die Verlogenheit wird klar, wenn die Illegalisierung gewisser Pflanzen, Pilze und Substanzen wie Marijuana und Haschisch, Methamphetaminen, Opiaten etc. gar nicht thematisiert wird.

    • @85198 (Profil gelöscht):

      Nur zu wahr. Aber im Gegensatz zu diesen Mitteln ist Alkohol ja primär auch ein Genuß- und kein Rauschmittel. So die verlogene Argumentation. Und Alkohol ist hier kulturell verwurzelt, weshalb man damit hierzulande umgehen kann und weiteres blabla.

  • 9G
    970 (Profil gelöscht)

    Alkoholkonsum in Zügen würde ich auch gerne verboten sehen. Wäre aber während des Oktoberfests verhängnisvoll auf allen Strecken ab München Hbf.

  • Problematisch ist nicht das eine Bier dann und wann sondern der regelmäßige, exzessive Konsum und seine negativen Auswirkungen.



    Gerade dann, wenn die Droge enthemmend wirkt, ist der Konsum jener Drogen gesamtgesellschaftlich gesehen vor dem Hintergrund von Sexismus, Rassismus ... usw. problematisch. Betroffen von Gewalt, Übergriffen sind meist weniger Privilegierte - bspw. Frauen, Kinder. Und in diesen Beziehungen wirken einige Drogen befeuernd. Profiteure sind die Alkoholindustrie und deren Eigentümer*innen.



    Neben der Bekämpfung von Rassismus, Sexismus usw. sehe ich es als Vorteil an, wenn Drogenkonsum bspw. nicht beworben würde und wenn es mehr explizit drogenfreie Orte gäbe.



    Zu hinterfragen ist m.E. auch die Drogengesellschaft als Normalzustand, sind auch gesellschaftliche Normalitäten, in denen Drogen für Kontaktsuche genommen werden. Was hält Menschen davon ab, bspw. ohne vorigen Alkoholkonsum auf andere zuzugehen? Warum trifft mensch sich zum gemeinsamen Drogenonsum? Warum wird ein Nichtkonsum in solchen Runden befremdend wahrgenommen? Würden sich Menschen, für denen der Konsum zentral ist, sich auch ohne auch ohne Drogenkonsum treffen? Was herrscht für ein Männlichkeitsbild vor? usw.



    Zur Ernährung: da finde ich es wichtig, Bildung und Kochen in Schule zu fördern und gesundes Mensaessen und Getränke anzubieten und ungesunde Getränke und Essbares eben nicht. Dann fände ich bspw. Zuckersteuer und leicht verständliche Zutatenhinweise gut. Naja, solche Vorschläge gibt es ja bereits. Allein interessensbedingt wurden diese hierzulande (noch) nicht umgesetzt. Letztlich ginge es mir nicht an sich nicht um bloße Symptombekämpfung sondern um tiefgreifendere, strukturelle Veränderungen wie Abbau gesellschaftlicher Hierarchien und Subjektivierung.

    • @Uranus:

      Sie schmeißen alles in einen Topf. Sexismus, Rassismus, Alkoholismus, wahrscheinlich auch Sozialismus. Undifferenzierter gehts nimmer.



      Brot und Spiele, Saufen und Besoffensein (heute wird das Partymachen genannt), ist doch nur ein Teil unserer Konsumgesellschaft, weil das Leben anscheinend für viele so sinnlos ist. Da kommen Sie mit Ihren Moralvorstellungen nicht weiter.



      Fragen Sie doch einmal nach den Ursachen für "Rauchen, Saufen, Fressen ohne Ende". Glauben Sie im ernst, dass solche Probleme mit mehr Verbraucherschutz und Moralpredigten zu beseitigen sind? Oder mit Bekehrungen über gesunde Ernährung?



      Die Regale in den Supermärkten sind voll gestopft mit Nahrungsmüll in Form von z.B. Tierprodukten aus verbrecherischer Massentierhaltung. Warum? Wer will das so?



      In vielen Schulmensen ist der Tag mit den meisten Essenausgaben der Pommestag. Warum wohl?

      • @Rolf B.:

        Lasen Sie meinen Text auch zu Ende? Ich zitiere mich mal selbst. Da z.B.: "Letztlich ginge es mir nicht an sich nicht um bloße Symptombekämpfung sondern um tiefgreifendere, strukturelle Veränderungen wie Abbau gesellschaftlicher Hierarchien und Subjektivierung."

        • @Uranus:

          Sorry, das hatte ich wirklich unterschlagen. Ich werde mich bessern.

          • @Rolf B.:

            Okay. Ich würde Ihre Fragen dennoch aufgreifen wollen. Meine Vorschläge zielen darauf ab, die Präsenz schädlicher Substanzen zu verringern und Leute in Teilen zu empowern (Bildung). Die paar genannten Vorschläge wären nicht die einzigen und bloß realpolitisch. Sie können Symptome allenfalls abmildern, nicht jedoch die Ursachen beseitigen. Ich hätte noch HartzIV-Abschaffung, hohe Mindestlohn und- rente o.ä aufführen können, um materielle Bedingungen zu adressieren. Aber das würde das Gefühl der Sinnlosigkeit, das Sie aufwerfen, auch nicht adressieren - genausowenig Sexismus und Rassismus. Mensch müsste bspw. auch Stadtteilzentren begründen, Selbstorganisation, Menschen sozial/politisch aktivieren ... und klar sind das alles schwer erreichbare Sachen, da sie wirtschaftlichen Interessen entgegenstehen, auf die Sie anhand Ihrer Problematisierungen ja hinauswollen.

            • @Uranus:

              Sie sprechen viele Dinge an, die alle diskussionswürdig sind. Letztendlich ließe sich das individuelle Konsumverhalten womöglich reduzieren auf die Frage, unter welchen Umständen Menschen mehrheitlich willens und in der Lage sind, so zu leben und zu handeln, dass sie weder für sich selbst noch für andere zur Gefahr werden. Ich befürchte allerdings, dass diese Frage unsinnig ist, nachdem ich entgegen jahrzehntelanger Überzeugung nicht mehr der Meinung bin, dass sich durch die Veränderung der Produktionsverhältnisse auch die Lebensbedingungen verbessern, indem der Mensch sich endlich den wichtigen Fragen der Lebensgestaltung jenseits des Konsums zuwenden kann. Bildung, so wichtig sie wäre, ist absolut kein Garant für soziales und verantwortliches Verhalten.



              Vielleicht ist der Mensch eine soziale Fehlkonstruktion. Wäre er sonst auf die Idee gekommen, Reichtum auf Kosten anderer anzuhäufen und das Privateigentum zur Religion zu machen?

              • @Rolf B.:

                "Ich befürchte allerdings, dass diese Frage unsinnig ist, nachdem ich entgegen jahrzehntelanger Überzeugung nicht mehr der Meinung bin, dass sich durch die Veränderung der Produktionsverhältnisse auch die Lebensbedingungen verbessern, indem der Mensch sich endlich den wichtigen Fragen der Lebensgestaltung jenseits des Konsums zuwenden kann."



                Mich würde interessieren, was Sie zu dieser Positionsveränderung bewog.



                "Bildung, so wichtig sie wäre, ist absolut kein Garant für soziales und verantwortliches Verhalten."



                Da gebe ich Ihnen recht. Sonst würden u.a. Akademiker*innen die Verhältnisse schon längst vorangetrieben haben.



                "Vielleicht ist der Mensch eine soziale Fehlkonstruktion..."



                Mh, Macht und Privilegien korrumpiert Menschen. Während Sie wohl auf die Begründung des Kapitalismus hinauswollen, könnte mensch auch unzählige Schritte weiter zurückgehen und fragen, wie der Mann auf die Idee kam, die Frau zu unterdrücken (>Patriarchat) ...

              • @Rolf B.:

                „Vielleicht ist der Mensch eine soziale Fehlkonstruktion. Wäre er sonst auf die Idee gekommen, Reichtum auf Kosten anderer anzuhäufen und das Privateigentum zur Religion zu machen?“

                „Der Mensch“ ist die Konstruktion, als die er bis an diesen Punkt gekommen ist.



                Evolution hat bekanntlich kein Ziel, das der Lebensqualität für alle schon gar nicht. Trotzdem kann man es natürlich anpeilen, in der Hoffnung, dass die menschliche Konstruktion sich als hinreichend flexibel erweist, um Gemeinwohl-Ziele aus eigenem Entschluss zu verfolgen.

                Aber vieles spricht dagegen, dass die Ausrüstung dafür genügt.

      • 9G
        970 (Profil gelöscht)
        @Rolf B.:

        Weil Kartoffeln Vitamin C enthalten.

  • Wenn die beglückende Freiheit andere in der Freiheit einschränkt dann frage ich mich um welche Freiheit es geht.



    Neulich auf meiner Zugfahrt von Düsseldorf nach Hamburg haben sich eine freiheitsliebende Reisegruppe mit dem erlaubten Alkohol so dermaßen die Kante gegeben, daß man vor dem Gekröle die Flucht ergreifen mußte. Der Wagon sah danach aus wie eine Müllhalde. So etwas Peinliches habe ich noch nie auf meinen vielen Bahnfahrten im Ausland erlebt. Leider nur in Deutschland.



    Ein Alkoholverbot wäre in vielen Bereichen ein Segen und für die Mehrheit ein Freiheitsgewinn.



    Das ist wie beim Autofahren. Als einziges europäisches Land darf auf Autobahnen gerast werden, wie es es der freiheitsliebende Autofetischist mag. Das Raserei auf Kosten der Mehrheit geht, die sich vor Rasern fürchten, ist dem Gesetzgeber scheins völlig egal.



    Eine sinnvolle staatlich Lenkung kann Friheit für die Mehrheit bedeuten und ist absolut demokratisch. Den Staat zu verteufeln zeigt eher politische Naivität.

    • @Traverso:

      Radikallösungen sind wie üblich in beide Richtungen abzulehnen, und die Argumentation mit der jeweils betroffenen Mehrheit führt zu Radikallösungen.

      Denn genau betrachtet gibt es kaum noch individuelles menschliches Verhalten, das NICHT irgendwie eine Mehrheit von Mitmenschen (mit-)betrifft. Insofern wäre die Konsequenz, dass zur Gewährleistung der Freiheit Aller keiner mehr irgendwo unreguliert machen darf, was er will. Dann wäre "Freiheit" vor allem eines: Spaßfrei.

      Die Frage ist daher, wo man die Grenze zieht und wie man sie effektiv reguliert. Die demokratische Mehrheit dürfte da kompromissbereiter sein, als manchem Mitglied einer gerade konkret unter einem Geschehen leidenden, lokalen Mehrheit lieb ist: Zum Beispiel gibt es unzählige Verhaltensweisen Einzelner, die zwar immer eine Mehrheit konkret beeinträchtigen, aber die sich trotzdem generell eine ebensolche Mehrheit vielleicht dann und wann auch mal rausnehmen dürfen möchte. Für deren Verbot wird es schwerlich Mehrheiten geben.

      Und das ist nur die rein demokratische Überlegung. Dazu kommt noch der Freiheitsaspekt, dass Verbote immer ein recht grobes Werkzeug sind, das, wenn es weit genug geht, um seinen Zweck wirklich zu erfüllen, fast immer eigentlich ZU weit geht (Beispiel: Rote Ampel bei menschnenleerer Straße, oder auch Spontanfeier im Zug, OHNE dass sich jemand der übrigen Anwesenden gestört fühlt). Dieser Grobheit muss man ebenfalls Rechnung tragen - im Zweifel zugunsten der individuellen Freiheit.

      Diese letzte Bemerkung hat übrigens nichts mit "Verteufelung" des Staates zu tun. Es ist nur die Erkenntnis, dass so ein Staat mit den gegenläufigen Ansprüchen, Allen gegenüber gleich und gerecht vorzugehen, dabei aber eine unendliche Vielzahl von immer nur partiell wirklich gleich gelagerten Einzelfällen regeln zu müssen, zwangsläufig überfordert ist.

      • @Normalo:

        Typisch deutsch wenn Kommentatoren gleich mit der "Spaßfreikeule" kommen wenn es um Regularien geht.



        Unser ganzes Grundgesetz besteht aus Regularien. Es kommt auf die Qualität an.



        Das Strafgesetzbuch ist voller Verbote.



        Und das nennen Sie dann grobes Werkzeug ? Oh weia.....

        • @Traverso:

          Dass es Regeln und Verbote grundsätzlich geben muss, habe ich nirgends bestritten. Also nochmal: Auf das Maß kommt es an.

          Mit den Querverbindungen zum Gemeinwohl kann man wirklich so ziemlich ALLES an menschlichem Verhalten dem staatlichen Regelungszugriff öffnen - nennen wir es "die Gemeinwohlkeule", wenn ihnen diese Art von Terminologie so behagt. Das geht mir zu weit, und deshalb ist mir dieses Argument suspekt.

          "Spaßfrei" bot sich als Wortspiel mit "Freiheit" an. Man hätte es auch länger ausdrücken können: Grundsätzlich sehe ich Freiheit als ein Geben und Nehmen. Die Freiheit des Einzelnen mag durch Handlungen einzelner Mitmenschen eingeschränkt werden, aber eben auch das kollektive Bestehen der Mitmenschen darauf, solche Handlungen unbedingt zu unterlassen (=Verbot), ist eine Einschränkung. Freiheit heißt daher, dass es im Idealfall von BEIDEM "wenig genug" gibt.

          Und was die Grobheit betrifft: Es ist eben verdammt schwer, feste, für Alle und Alles geltende Regeln aufzustellen, die in diesem Ausmaß auch wirklich in jedem eizelnen Anwendungsfall nötig sind. Wer nachts um drei auf der erwähnten menschenleeren Kreuzung die rote Ampel ignoriert, verstößt gegen ein Verbot, ohne dass es IRGENDWEN schert (außer natürlich dem Polizisten der es vielleicht zufällig mitkriegt...). Warum ist das Verbot trotzdem akzeptiert? Nur weil Regeln eben auch dann zu befolgen sind, wenn sie gerade KEINEN Sinn haben, oder?

          Wenn Sie auf der Welt herumfragen, werden Sie übrigens überwiegend zu hören bekommen, dass DIESE Einsicht "typisch deutsch" ist. Als ein Volk von hedonistischen Verbotsverächtern werden wir hingegen kaum je verrufen sein (außer vielleicht auf Malle).

          • @Normalo:

            Sie drücken sich sehr allgemein aus und wir liegen bestimmt gar nicht weit auseinander.



            Konkret habe ich ein Beispiel von einer Zugfahrt genannt.



            Sie nennen Geben und Nehmen. Richtig. Das heißt nichts anderes als gegenseitige Rücksichtsnahme. Viele Betrunkene benehmen sich aber schlichtweg assozial. Sie nehmen anderen die Freiheit. Genau diese freiheitsliebenden Trunkenbolde provozieren doch geradezu Verbote. In Hamburg ist das Alkoholtrinken in U- und S- Bahnen deswegen nicht mehr erlaubt. Dadurch haben sich die Zustände massiv verbessert.



            Mein anderes Beispiel mit der Raserei auf Autobahnen. Der Staat wird irgendwann durchgreifen müssen. Wie in den meisten Ländern der Erde.



            In stillem Gedenken an die tausenden Tote, die durch freiheitsliebende Raserei verursacht wurden. Alles nur eine Frage der Zeit. Nicht der Staat, sondern die Raser sind schuld an den Toten.

            • @Traverso:

              Wir liegen wahrscheinlich wirklich nicht soo weit auseinander. Was in Ihrer Abwägung aber (augenscheinlich) untergeht: Auf jeden besoffenen Rüpel in der Bahn kommen im Zweifel zehn oder auch hundert Zeitgenossen, die z. B. gerne mal auf dem Weg zu den Partymeilen in der S- oder U-Bahn ganz friedlich ein Bierchen "vorglühen", das aber jetzt nicht mehr dürfen. Auf jeden tödlichen Unfall aufgrund von Autobahnraserei kommen von Hundertausenden zügig, aber aufmerksam abgespulte Abermillionen Autobahnkilometer, auf denen nichts passiert und denen Sie jetzt insgesamt Zügel angelegt sehen wollen. Sagt Ihnen das Wort "Sippenhaft" etwas?

              Daher zwei Punkte:

              1. Die Notwendigkeit einer persönlichen Freiheit nur von Jenen beurteilen zu lassen, die sie selbst aus freiem Willen nicht nutzen (würden) und daher allenfalls von einem etwaigen Missbrauch dieser Freiheit betroffen sind, führt in die Unfreiheit.

              2. Der Unterschied zwischen Eintritt und Eintrittsrisiko ist - rechtsstaatlich betrachtet - ein wesentlicher. Null Risiko geht nicht. Also ist auch die bloße Existenz eines Risikos (das sich immer wieder, aber halt in Einzelfällen, verwirklicht) noch keine hinreichende Rechtfertigung für generelle Verbote des entsprechenden risikogeneigten Verhaltens. Dazu bedarf es stärkerer Argumente (wie z. B. beim Rauchen die Effekte JEDER Zigarette auf Passivraucher), sonst landen wir in der Schikane.

              ps. Die jährliche Anzahl Verkehrstoter auf Autobahnen ist weit davon entfernt, in "Tausenden" gemessen zu werden, der davon auf "Raser" als Schuldige entfallende Teil erst recht. Land- und Stadtstraßen sind deutlich gefährlichere Pflaster - trotz Tempolimit.

    • @Traverso:

      In Deutschland starben 2017 pro Millionen Einwohner 38 Menschen im Straßenverkehr, der Durchschnitt in der EU beträgt 49. In unserem Nachbarland Frankreich starben im gleichen Zeitraum 53 Menschen, also 15 mehr und da herrscht auf der Autobahn ein Tempolimit von 130 und auf der Route Nationale 90.

      ec.europa.eu/germa...assensicherheit_de

      Warum sehen Sie Betrunkene nur in Deutschland in der Bahn. Liegt vielleicht daran wo sie so unterwegs sind oder einfach daran, das z.B. in Wien, Prag oder Warschau ein Alkoholverbot in der Bahn herrscht, in Prag und Warschau auch in der Öffentlichkeit. Das die Leute sicher mit der Bahn nach Hause kommen, ist mir zehn mal lieber, als das sich da nur einer besoffen ins Auto setzt und noch jemand umfährt.

      Eine "sinnvolle staatlich Lenkung " wenn ich sowas höre, rollen sich mir schon die Fußnägel hoch. Das setzt immer voraus, dass der deutsche Staat es besser könnte, das glauben Sie doch selber nicht.

      "Ich bin ein leidenschaftlicher Liebhaber der Freiheit, die ich für das einzige Milieu halte, in welchem die Intelligenz, die Würde und das Glück der Menschen sich entwickeln und wachsen können; - nicht jener ganz formellen, vom Staat aufgezwungenen, zugemessenen und reglementierten Freiheit, vom Staat der ewigen Lüge, die in Wirklichkeit nie etwas anderes vertritt, als das Vorrecht einzelner, gegründet auf die Sklaverei aller; - nicht jener individualistischen, egoistischen, kleinlichen und fiktiven Freiheit, welche die Schule J. J.Rousseaus und alle anderen Schulen des Bourgeoisliberalismus lobpreisen und welche das sogenannte Recht aller, das der Staat vertritt, als Grenze des Rechts jedes einzelnen betrachtet, was Notwendigerweise immer das Recht des einzelnen auf Null reduziert." Michail Bakunin 1923

      • @Sven Günther:

        "Eine "sinnvolle staatlich Lenkung " wenn ich sowas höre, rollen sich mir schon die Fußnägel hoch...."



        Eine sinnvolle staatlich Lenkung war z.B. das Rauchverbot in Restaurants.



        Ihnen scheinen sich die Fußnägel hochzurollen, eine große Mehrheit der Deutschen freute sich daß die Zeit der rauchverpesteten Luft in Restaurants beendet war.



        Genau darum geht es mir. Daß Sie mit Polemik reagieren ist lächerlich.

        • @Traverso:

          Nicht nur in Restaurants. Heute wundern sich viele, dass sich die Nichtraucher das asoziale Verhalten der Raucher so lange gefallen ließen.

        • @Traverso:

          Beim Rauchen schränkt aber die Ausübung der Freiheit des Rauchers die Freiheit der Menschen in der Umgebung ein und darum ist auch eine Regulierung möglich.

          Nur mal so am Rande, in meinen Lieblingsrestaurants wurde auch vor dem Rauchverbot nicht geraucht. Die Inhaber hatten das einfach mit dem Hausrecht durchgesetzt und das auch ganz offen gegenüber den Gästen verteidigt und die die hingingen haben das ganz bewusst getan.

          Aber gut das Vater Staat da eingeschritten ist, die Wirte könnten sagen, der Staat zwingt uns dazu und die Politik konnte sagen, wir tun was für den Gesundheitsschutz.

          Veränderungen nur auf staatliche Anordnung, am Ende müsste man sonst noch selbst die Initiative in seiner Umgebung ergreifen.

  • 7G
    7363 (Profil gelöscht)

    Ich bin grundsätzlich einverstanden mit dem Fazit dass Lobbys auf die Gesetzgebung in Deutschland agieren, und der Autor deutet hier ganz klar auf den kapitalistischen Kontext und einer Kritik im Sinne von:



    Die kapitalistische Industrie biegt Gesetze Konsum/Profit-orientiert und pfeift auf unsere Gesundheit.

    Aber mal ein herausfordernder Gedanke (Den ich im Umkehrschluss auch gerne ausgehebelt sehe):

    Konsum ist ist auch ein Element des Lebens und des sozialen Zusammenseins. Ein Land wie Schweden was stark reguliert ist halt auch in vielen Lebensbereichen normierender im kulturellen Sinne. Man darf den "Konsumliberalismus" nicht völlig entköppelt vom dem eigenen Gesellschaftsansatz und Kulturgeschichte sehen. Und das ist worin jedes Land (in Europa) kleine und größere aber eben entscheidende Unterschiede macht. Und hier muss eine Gesellschaft eben auch sehen ob und wir sie mit Überzeugung "anders" sein will, und warum. Letztlich gibt es nicht den einen richtigen Ansatz. Was fehlt in Schland ist eigentlich oft eine Geschichte des, ja so machen wir es, weil xyz . Das ist worin Länder wie Frankreich oder Skandinavien eben verdammt gut sind, so krass verschieden auch deren kulturelle Geschichte und gesellschaftliche Ansätze sind. Dass in D diese Erzählung fehlt ist ein Anzeichen von Politikversagen. Wie in vielen anderen Ländern.

    Erwähnenswert und beobachtungswürdig ist auch Portugal mit seiner Drogen-Entkriminalisierungs-Politik.

    Vielleicht gibt es Schland diese Erzählung des Ja-wir-machen-es-so-weil aber eben auch vor allem nicht, weil unser Ansatz nichts von etwas hat was man mit Überzeugung tragen möchte. Denn genau darum geht es bei Erzählungen ja.

  • "Nachweislich falsch nennt Müller die Behauptung der StudienautorInnen, es gebe zu wenige Beweise, dass Bürger streng regulierender Staaten gesünder lebten. "



    Ach ja? Mal kurz gegoogelt, und die Lebenserwartungen gefunden (de.statista.com/st...paeischen-region/).



    Die 7 Staaten, die im "Nanny Index" als "least free" eingestuft werden, haben eine durchschnittliche Lebenserwartung



    von 78.6



    Die als "freest" eingestuften sieben kommen hingegen auf eine Durchschnitt von 81.1.

    • @yohak yohak:

      Das ist kein Gegenbeweis, da immernoch die Frage ist, ob es sich um eine Kausalität oder eine Korrelation handelt. Wenn die "freisten" Staaten im Schnitt ein besseres Gesundheitssystem haben, kann die Lebenserwartung trotz ungesunderer Lebensweise deutlich höher sein.

      • @sart:

        Ob Spanien ein so viel besseres Gesundheitssystem hat als Finnland???

        • @Age Krüger:

          Das weiß ich nicht. Aber zwei Einzelbeispiele herauszuziehen ist eh nicht hilfreich, genauso wie das Gesundheitssystem nur ein Beispiel war, wieso man auf due Unterscheidung zwischen Korrelation und Kausalität achten muss.

  • Können alle mal aufhören ständig ihre Argumente mit YouTube Links zu unterfüttern? 1) verbrauchte es noch mehr Strom. 2) ist es ein Zeitfresser, ist man erst mal drin. 3) gehörts zu google. Kann man sich nicht mal ohne das auseinandersetzen?

    • @Maria Burger:

      Danke für diesen Kommentar. Der Energieverbrauch ist sicher sehr viel höher als allgemein bekannt, wär gut, wenn die TAZler das mal recherchierten und dann gegebenenfalls diese Links nicht mehr zuließen. Bis dahin kann man nur hoffen, dass möglichst wenige Leute auf die Idee kommen diese anzuklicken.

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @Maria Burger:

      Ganz ohne youtube: Nee - oder?

      • 8G
        88181 (Profil gelöscht)
        @76530 (Profil gelöscht):

        Da schließe ich mich mal sowas von an.

        1. Manchmal fällt mir gar nichts anderes als ein YouTube-Link ein.

        2. Wie soll eine Diskussion über freudlose Lebensweisen ohne Musik funktionieren.

        3. Wir sind im taz-Forum und nicht in einem verkniffenen Proseminar (falls es so etwas noch gibt).

        4. Und wir wollen doch alle happy sein, oder:

        www.youtube.com/watch?v=ZbZSe6N_BXs

        • @88181 (Profil gelöscht):

          Oh yeah, danke! Triggert eine meiner schönsten Urlaubserinnerungen der letzten Jahre. Und dass meine verkniffenen Musikchauvi-Kumpels mich für das Pop-Gedüdel geschmäht haben, war mir sowas von wurscht.

        • 7G
          76530 (Profil gelöscht)
          @88181 (Profil gelöscht):

          "Nee, nee, nee" (De Maulwurf'n, auch bei youtube).

          Nimm diesen:

          * Gegen die Freudlosigkeit,



          * gegen die Musiklosigkeit,



          * gegen das plumpe Happy sein.

          Mir geht es vor allem dann gut, wenn es mir schlecht geht.

        • @88181 (Profil gelöscht):

          Bitte... wenn, dann:

          www.youtube.com/watch?v=d-diB65scQU

          • 7G
            76530 (Profil gelöscht)
            @sart:

            Der Eine sagt so, der Andere so.

            Bitte ... wenn, dann ... SO NICHT.

  • Ich bin für ein Punktesystem in den Krankenkassen. Soll jeder essen und trinken was er will. Das ist okay. Nur eventuelle Schäden bitte dann selbst begleichen. Und dabei meine ich als Grenze: mehr als eine Flasche Wein die Woche was schon viel ist, mehr als eine Tüte Chips, zuviel Fleisch, keine Bewegung. Und das gesamte (!) Convenience food.



    Die perfekte Ernährung kann man hingegen nicht vorschreiben. Gerade das Essen, dass momentan angeblich gesund ist, ist oft großer Schrott. Smoothies, powerfood und der ganze Mist. Auf das Level sollte man sich nicht begeben.

    • @sachmah:

      Mal von dem von Herrn Günther richtig angesprochenen Überwachungsaufwand in Stasi-Dimensionen abgesehen: Wir würden dann von einer ganz erheblichen Privatisierung der Vorsorgerisiken im elementaren Bereich reden. Wer sich nicht leisten kann, die Kosten seiner Unvernunft zu bezahlen, der wird im Zweifel mit Leistungseinschränkungen oder mit entsprechenden (untragbaren) Schulden zu rechnen haben. Das ist in etwa so, als würde die Arbeitslosengeld nur noch gezahlt, wenn der Verlust des Arbeitsplatztes "Schuld" des Arbeitgebers ist.

      Davon abgesheen merken Sie vielleicht selbst, wie schwer die Grenze zu ziehen ist: Man kann sicherlich auf ganz viele Arten ungesund leben, die nicht katalogisiert werden können. Was ist mit der Wahl eines stressigen oder gefährlichen Berufs? Was ist mit sehr viel risikoarmem Sport, der erst in der Summe ein großes Risiko darstellt (z. B. kaputte Knie durch Joggen)? Das als grundgesetzkonforme Gleichbehandlung aller "Gemeinschädiger" hinzubekommen, ist nahezu unmöglich.

    • @sachmah:

      Und wie bitte sollen die raucher ihren Schaden begleichen, den sie an den Nichtrauchern angerichtet haben - sprich: zum passiv rauchen gezwungen?

      • @Mainzerin:

        Wenn der Raucher jemanden entführt hat und den Nichtraucher somit seiner Bewegungsfreiheit beraubt hat, dann ist das schon jetzt strafbar. Der müsste sowieso dem Entführten schadensersatzpflichtig sein.

    • @sachmah:

      Und wie bekommen die Krankenkassen raus, was die Leute essen und trinken oder ob die Leute sich bewegen?

      Das würde nur mit flächendeckender Überwachung funktionieren.

      • 7G
        76530 (Profil gelöscht)
        @Sven Günther:

        Wieso so überrascht und zurückhaltend?

        Wie einzelne Nachbarschaftsfehden bereits zeigen, die vor deutschen Gerichten landen, ist hier noch reichlich ungenutztes Potenzial vorhanden. Und was Überwachung angeht, sollten wird nicht so zimperlich sein: unsere Väter, Großväter, Ur-Großväter (und entsprechende Mütter) hatten das doch auch drauf.

        Die Reste werden - bei sorgfältiger Pflege - noch in den Genen zu finden sein. Bei der Generation "Selber schuld" sehe ich ein enormes Reservoir. :-)

        • @76530 (Profil gelöscht):

          Überrascht bin ich, sowas in den Kommentarspalten der Taz zu lesen. Zurückhaltend nun ja, war heute morgen schon joggen und heute Abend spielt die Eintracht und ich habe Karten, der Tag kann nur schlecht werden, wenn Chelsea uns 0:4 aus dem Stadion schießt, so Aussagen bringen mich nicht aus der Ruhe.

          Meine Großeltern sind über den Chemin de la Liberté abgehauen und die einen ab nach Kanada und die anderen ins Mandatsgebiet Palästina, ich seh da nicht so viel Potenzial bei mir und die Generation "Selber schuld" interessiert sich in der Regel nicht für die eigenen Nachbarn.

  • Mich ärgert immer wider die Überheblichkeit der jenigen, die sich gegen staatliche Gesundheitspolitik ausprechen.



    Wer raucht denn heute in Deutschland noch? Klar, auch ein paar gesunde und wohlhabende Menschen, die einfach aufs Risiko scheißen, aber vorwiegend doch Menschen mit beschissenen Arbeitsbedingungen, chronischem Stress und fehlenden Alternativen mit diesem umzugehen. Dann schafft man sich halt ne Sucht an, die langfristig überhaupt nicht hilft aber ne Menge Geld kostet, von dem man eh zu wenig hat. Dann ist auch bei vorliegender COPD aufhören keine realistische Option mehr.



    Wie kann es z.B. sein, dass in unserem Land Fußballspiele, welche z.T. von Millionen Menschen geguckt werden, hauptsächlich von Biermarken gesponsort sind? Da geht es nicht darum, dass Alkoholtrinken erlaubt ist, weil jeder Mensch für sich entscheidet, sondern dass hohe Beträge investiert werden, um Menschen dahin zu beeinflussen, MEHR zu trinken. Wenn es sich nicht lohnen würde, gäbe es solche Werbung nicht. Und dann wird auf Alkoholabhängige Menschen herabgeschaut im Sinne von "Tja, die habens halt nicht unter Kontrolle, sind doch selbst Schuld".



    Ich bin nicht gegen Verbot von Suchtmitteln, aber aus meiner Sicht darf der Kapitalismus in solch sensiblen Bereichen keine freie Fahrt haben.

  • 9G
    95692 (Profil gelöscht)

    Was Paternalismus ist ist den gesundheitsbewußten Gesund- und Verbotsmenschen sicher ein Begriff.



    de.wikipedia.org/wiki/Paternalismus Mensch kanns auch übertreiben.



    Wer auf Alkohol, Drogen und Sex verzeichtet lebt auch nicht länger, es kommt ihm nur so vor. ( S.Freud ? )

    • 8G
      88181 (Profil gelöscht)
      @95692 (Profil gelöscht):

      Die Frisur sitzt, Ian Dury hat es gewusst:

      www.youtube.com/watch?v=erGNSQMJ79Q

    • @95692 (Profil gelöscht):

      Aus " Sex And Drugs And Rock n´Roll " wurde



      "Frauenquote, Rauchverbot und Laktose Intoleranz " ( Hugo Egon Balder)

    • @95692 (Profil gelöscht):

      Und was für ein Leben ist das dann überhaupt noch...

      • 7G
        76530 (Profil gelöscht)
        @Sven Günther:

        ... womit wir bei der Gretchenfrage wären. Aber die scheint offenbar kaum einen wirklich zu interessieren.

        Das Mainstream-Lebensmotto heute: Dem Leben Tage hinzufügen. Geht aber auch andersrum: Den Tagen Leben zufügen.

        In Rehas habe ich gerne darüber gekalauert: im Mittelalter musste zur Folter noch Gewalt angewandt werden. Neuzeitliche Menschen foltern sich schon freiwillig.

        Das nennt sich dann Zivilisation.

      • @Sven Günther:

        Ja, nu, stellen Sie sich vor, die EU oder die Bundesregierung müsste tatsächlich Gesundheitspolitik machen und z.B. für eine ausreichende personelle Ausstattung für Kranken- und Altenpflege sorgen anstatt irgendwelche dümmlichen Maßnahmen wie Rauchen in Kneipen oder Mentholzigaretten zu verbieten. Das würde ja Geld kosten und ein gerecht finanziertes Gesundheitswesen bedeuten.



        Das wollen die EU und die BRD bestimmt nicht.

        • @Age Krüger:

          Sie werfen hier zwei Dinge zusammen, die erstmal nur mittelbar zusammengehören.

          Hier geht es darum, wie stark der Staat in das Verhalten seiner Bürger eingreifen soll. Die Idee hinter der Lebensmittelampel oder ähnlichen Formaten ist immer das Gleiche.

          Der normale Bürger ist uninformiert, dumm oder beides gleichzeitig. Nur mit unserer Anleitung kann er ein besseres Leben führen.

          Glauben Sie ernsthaft, dass die Leute nicht tief in ihrem Inneren selbst wissen, daß der Dosenfraß von Maggi und Knorr Schrott ist, oder das jeden Tag 3 Mettbrötchen ungesund sind. Zucker und Salz sind nunmal gute Konservierungsmittel und wie mit allem ist Zuviel ungesund, wenn das Zeug 6 Monate haltbar ist, was wird da wohl ordentlich drin sein? Das wissen die aber auch ohne Lebensmittelampel.

          Nun würde ich auch sagen, das Deutschland ein Problem mit der Gesundheit seiner Bevölkerung hat.

          Nur der Weg den sich Leute wie Klaus Müller vorstellen lehne ich ab, der Mann war übrigens mal Landwirtschaftsminister in SH für die Grünen.

          Die Kosten aus dem Gesundheitssystem sind teilweise nur Folgekosten, natürlich kann jeder mal krank werden, aber Volker Pispers hat das mal auf den Punkt gebracht. Fressen sie weniger, saufen sie weniger und gehen jeden Tag mal neh halbe Stunde spazieren.

          • @Sven Günther:

            Ich werfe da nix durcheinander. Die Behauptungen, warum Einschränkungen der Freiheit erfolgen sollen, ist von Seiten der Politik immer die, dass es denen um Volksgesundheit gehen würde. In einem bestimmten Maß kann das auch so sein, dass Rauchen, Übergewicht und Alkoholismus zu Erkrankungen führt, die Kosten verursachen. Logischerweise kann man daher auf solche Produkte von mir aus Steuern erheben, die den volkswirtschaftlichen Schaden und die Kosten für die Behandlungen ausgleichen.



            Dennoch wird es weiterhin auch ausreichend kranke, behinderte und alte Menschen geben, die einer Behandlung bedürfen. Meine Kritik geht dahin, dass die heutigen Gesundheitspolitiker eben meinen mit solchen Verboten würden sie Gesundheitspolitik betreiben und sie nicht auf die Idee kommen für kranke Menschen ausreichend Mittel zur Verfügung zu stellen.

            • @Age Krüger:

              Das bestreite ich ja auch gar nicht, es wird weiterhin genügend Kranke geben. Ich halte nur nicht viel von staatlicher "Erziehung."

  • In der Studie wird die Werbefreiheit bei weitem überbewertet, es ist also eher eine Studie, die die Freiheit der Produzenten, also die Möglichkeiten des Kapitals, Profit zu erwirtschaften, bewertet anstatt die Freiheit der Menschen.



    Um wirklich Freiheit auch im Bereich der Nutzung von Genußmitteln zu beschreiben, fehlt eine Beurteilung der Drogenpolitik anderer psychotroper Substanzen und auch die Möglichkeiten der Einflußnahme des Einzelnen auf seine Freiheit, diese Mittel zu sich zu nehmen. Und auch die Möglichkeit, sich vor den Schädigungen durch diese Substanzen zu schützen. Würde die Tabak- oder Alkoholsteuer tatsächlich ausschließlich der Bekämpfung und Prävention zugute kommen, dann könnte man wesentlich entspannter über diese Themen debattieren.

    • @Age Krüger:

      Zustimmung!

      Der deutsche Nanny-Staat deckelt auch die Herstellung für den eigenen Bedarf bei den legalen "Genußmitteln". Schwarzbrennen ist ganz böse, bei Wein und Bier gibts Limits, die für den gesellschaftlich noch anerkannten Alki ned übers Jahr reichen. Tabak ebenso, letztes Jahr mal getest, den haben irgendwelche Mücken aufgefuttert, die dann auf den Kohlrabi übergewechselt sind.

      • @Hugo:

        Das sind numal Produkte, deren Konsum bereits über Steuern verteuert werden. Diese Art der "Volkserziehung" hat regelmäßig die Eigendynamik, dass der Staat über kurz oder lang mehr auf die Einnahmen aus der jeweiligen Steuer schielt als auf etwaige gesundheitliche Nutzen der Besteuerung (wir erinnern uns: "Rauchen für die Sicherheit, Vollgas für die Rente!"...). Unter diesem Aspekt würde ich auch den harten Umgang mit (unversteuerter) Eigenproduktion sehen.

        • @Normalo:

          Wegen dieser Eigendynamik sollte eigentlich auf Steuern aus "erzieherischen Gründen" ganz verzichtet werden und stattdessen z.B. beim Kauf von Produkten, die Folgekosten verursachen können, eine Gebühr erhoben werden.



          Afair müssen Gebühren auch für den Zweck verwendet werden für den sie erhoben werden und dürfen nicht für andere Haushaltsposten vermischt werden.

          • @Age Krüger:

            Merkwürdigerweise ist die Kategorisierung von solchen Abgaben meiner Erinnerung nach sehr rigide: Eine Gebühr darf nur als Gegenleistung für eine staatliche Leistung dem Gebührenpflichtigen gegenüber erhoben werden und muss sich auch an den Kosten der Erbringung dieser Leistung orientieren. Alles andere ist Steuer und DARF nicht zweckgebunden erhoben werden. (War zu meinen Studienzeiten mal ein Politikum wegen der "Studiengebühren"). Ich habe jetzt nicht recherchiert, ob da Karlsruhe hintersteckt oder der Fiskus diese "Pflicht zur willkürlichen Verwendung" der allermeisten Abgaben vielleicht einfach zu liebhat, um sie abzuschaffen...

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @Age Krüger:

      Die Abteilung für Genauigkeit meldet: auch Produzenten sind Menschen. Mal mit dem Gegensatzpaar Produzent-Konsument versuchen.

      • @76530 (Profil gelöscht):

        Oder ich hätte besser "Freiheit aller Menschen" geschrieben, um klarzumachen, dass auch Produzenten Menschen sind.



        Oder gleich eher am Anfang statt von Produzenten vom Kapital gesprochen.

  • Die Überschrift kann sich sehen lassen!

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @Grandiot:

      Aber nur die Überschrift.

      Mit der deutschen Realität verhält es sich ein klein wenig anders. Da sind Genussfähigkeit und Effektivität/ Kontrolliertheit nur sehr entfernte Verwandte.

      Die Frage ist deshalb zunächst einmal die der genauen Definition. Wem zum Themenbereich 'Laster und Genuss' Oktoberfest, Fanmeilen und/ oder Fasching einfällt, der wird auch sicher mit den zitierten Ergebnissen übereinstimmen.

      • @76530 (Profil gelöscht):

        Ich dachte, beim Oktoberfest wäre das Rauchen auch schon in den Zelten verboten.

  • Die Nanny sollte sich die Produzenten vorknöpfen und nicht die Verbaucher.



    Nix Zuckersteuer, sondern klare Vorgaben, wie viel Zucker z.B. in Softdrinks sein darf. Oder keine Antibiotika in der Tierhaltung, Gülle als Sondermüll einstufen, etc.



    Der schnelle Hebel liegt eben in der Produktion.

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Als lasterhafter Mensch möchte ich zunächst einmal meiner Empörung Ausdruck verleihen. Als ob Rauchen, Alkohol und Essen die einzigen Laster wären wo gibt.

    Wer sich einmal in die Materie vertiefen möchte, dem sei hier

    * Wolfgang Sofsky, Das Buch der Laster, Verlag C.H.Beck

    empfohlen. Genussvolles Lesen!

    Btw: Sinnliche Genüsse korrelieren häufig mit Maßlosigkeit ...

    • 8G
      88181 (Profil gelöscht)
      @76530 (Profil gelöscht):

      "Komm wir gehn zusammen den Bach runter":

      www.youtube.com/watch?v=Ahwc-ouFeTQ

      Schönen 1. Mai!

      • 7G
        76530 (Profil gelöscht)
        @88181 (Profil gelöscht):

        Danke für die kreative Anregung. Als mehrfacher Hessenmeister des Scheiterns habe ich mein Tagwerk bereits vollbracht - ehe es mir die deutschen Fahrer beim heutigen Radrennen in Frankfurt nachmachen.

        Lissbett, mein Bembel! Und Ihnen auch einen schönen 1. Mai in der Diaspora/ Heimat. (Wie war das nochmal bei Bloch?)

        • 8G
          88181 (Profil gelöscht)
          @76530 (Profil gelöscht):

          So war das mit Bloch:

          "Die wirkliche Genesis ist nicht am Anfang, sondern am Ende, und sie beginnt erst anzufangen, wenn Gesellschaft und Dasein radikal werden, das heißt sich an der Wurzel fassen. Die Wurzel der Geschichte aber ist der arbeitende, schaffende, die Gegebenheiten umbildende und überholende Mensch. Hat er sich erfaßt und das Seine ohne Entäußerung und Entfremdung in realer Demokratie begründet, so entsteht in der Welt etwas, das allen in die Kindheit scheint und worin noch niemand war: Heimat."

          • 7G
            76530 (Profil gelöscht)
            @88181 (Profil gelöscht):

            Danke für den ausführlichen Service. Ich kannte bislang nur knappe und kurze Fassungen. Aber ich stamme ja auch aus Vulgarien ...

            In MR habe ich ihn mal livehaftig Mitte der 1980er im AudiMax erlebt. Ich verstand damals nur Bahnhof, liess mir aber nichts anmerken.

  • Ist das diese freiheit von der immer alle sprechen?