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Deutscher in Kamerun inhaftiertPetition fordert Freilassung

Wilfried Siewe, ein Deutscher mit kamerunischen Wurzeln, sitzt in seinem Geburtsland in Haft. Die Lage in Kamerun unter Präsident Biya ist kritisch.

Im Februar wurde Wilfried Siewe festgenommen, seitdem sitzt er in der Hauptstadt Yaoundé in Haft Foto: imago images / robertharding

Cotonou taz | Mittlerweile sind online über 66.000 Unterschriften für Wilfried Siewe gesammelt worden. Der Deutsche ist am vergangenen Donnerstag in Kamerun, seinem Geburtsland, zu drei Jahren Haft wegen angeblichen Fluchtversuchs während einer Gefängnismeuterei verurteilt worden; das schriftliche Urteil steht noch aus. Zuvor hatte er sechs Monate lang in Untersuchungshaft gesessen.

„Wir sind traurig und entsetzt“, sagt seine Frau Layoko Siewe, die mit den zwei Kindern in Erlangen lebt. Mit den Unterschriften, die über die Onlineplattform change.org gesammelt werden, soll die Freilassung des Ingenieurs erreicht werden.

Verhaftet wurde Siewe, weil er in Kamerun im Rahmen eines Familienurlaubs zur Erinnerung verschiedene Gebäude fotografierte. Als „Gefahr für die Regierung“ stuften die Behörden in der Hauptstadt Yaoundé das ein und klagten ihn an.

„Heute ist man in Kamerun zur falschen Zeit am falschen Ort und wird verhaftet“, kritisiert in Kameruns größter Stadt Douala die Rechtsanwältin und Menschenrechtsaktivistin Alice Nkom. Ihrer Einschätzung nach ist Siewes Verhaftung illegal gewesen, und im Verfahren seien geltende Gesetze missachtet und verletzt worden. Eine Ausnahme sei das nicht, merkt sie an: „Hier gilt nicht mehr das Recht, sondern das Gesetz des Stärkeren.“

Schwere Ausschreitungen in anglophonen Provinzen

Erst vor zwei Wochen hatte ein Militärgericht zehn Separatisten aus dem anglophonen Westen Kameruns, darunter Anführer Sisiku Ayuk Tabe, zu lebenslangen Haftstrafen und Geldstrafen von umgerechnet knapp 400 Millionen Euro verurteilt. Ihnen wurden Terrorismus und separatistische Bestrebungen vorgeworfen. Seitdem ist es in den anglophonen Provinzen Nordwest und Südwest, in denen seit mehreren Jahren faktisch Bürgerkrieg herrscht und Hunderttausende in die Flucht gezwungen wurden, wieder zu schweren Ausschreitungen gekommen.

Beide Provinzen an der Grenze zu Nigeria waren während der Kolonialzeit britisches Gebiet und fühlen sich seit der Eingliederung ins frankophone Kamerun benachteiligt. Ein Teil der Bevölkerung sieht die Teilung des Landes als letzten Ausweg. Es wird geschätzt, dass durch die neuen Kämpfe mindestens 40 Menschen ums Leben gekommen sind.

Für Einschüchterung sorgen jedoch nicht nur die Regierungstruppen. Auch die Separatisten üben Druck aus. Zum Schuljahresbeginn an diesem Montag haben sie eine Kampagne „Villes mortes“ – „Tote Städte“ – ausgerufen. Per Generalstreik sollen der Alltag lahmgelegt und Kinder vom Schulbesuch abgehalten werden.

Petition für Siewes Freilassung

In Haft sitzt aktuell auch Kameruns wichtigster Opposi­tionsführer Maurice Kamto, der bei der Präsidentschaftswahl im Oktober 2018 hinter Amtsinhaber Paul Biya Zweiter geworden war. Es heißt, dass sein Prozess Ende dieser Woche beginnt. Versuche, ihn vom Militärgericht zu einem Zivilgericht zu verlegen, schlugen in der vergangenen Woche fehl.

Für Rechtsanwältin Alice Nkom zeigt all das, dass es in Kamerun keine Gewaltenteilung mehr gibt und alle Macht beim 86 Jahre alten Präsident Biya liege, der seit 1984 regiert. Für das Justizsystem sei das katastrophal. „Es gibt kein Recht mehr. Deshalb planen wir Rechtsanwälte, vom 16. bis 20. September zu streiken, um darauf aufmerksam zu machen.“

In Erlangen wünscht sich Layoko Siewe derweil eins: „Ich möchte, dass mein Mann nach Hause kommt.“ Change.org plant, die Unterschriften unter seine Petition für Siewes Freilassung am Mittwoch während des „Round Table Kamerun“ des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft an den deutschen Botschafter in Kamerun, Hans-Dieter Stell, zu übergeben.

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1 Kommentar

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  • Danke für den Artikel und auch den Hinweis, dass man bei chance.org für Herrn Siewe unterschreiben kann.

    Ich fände es gut und vorteilhaft, wenn die taz in ihren Artikeln öfter auf entsprechende Unterschriftssammlungen hinweisen würde, um solche Anliegen zu unterstützen.