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Deutscher Diskurs für und gegen IsraelMan wird ja wohl noch warnen dürfen

Die Hamas ist kein Meinungsbeitrag, sondern eine Mörderbande. Der Rest muss in der demokratischen Öffentlichkeit verhandelbar sein. Sonst wird es eng.

Szene am Rande einer Pro-Palästina-Demo am 04.11. in Berlin Foto: Florian Boillot

A us dem beklagten „dröhnenden Schweigen“ ist mittlerweile „dröhnendes Erz und eine lärmende Pauke“ (Bibel, 1 Kor, 13) geworden.

Von deutschen Kultureinrichtungen und Aktivisten aller Couleur war nach dem Pogrom der Hamas am 7. Oktober anfänglich wenig zu hören. Mittlerweile wird gebrüllt. Der Maileingang ist zugeballert mit Aufforderungen, für oder gegen Israel zu unterschreiben. Mal eine Aufforderung an irgendeinen Laden, sich zu Israel zu bekennen, mal Sorge über Rassismus, Abschiebe- und Sippenhaftstimmung teilen.

Es kursieren Listen, auf denen Menschen und Institutionen stehen, deren Haltung zu Israel als zu unkritisch gesehen wird. Es werden Veranstaltungen, Ausstellungen, Preisverleihungen mit Teil­neh­me­r*in­nen abgesagt, deren Haltung zu Israel als zu kritisch gesehen wird. Vereinsmitglieder treten aus Vereinen aus, weil ihnen andere Vereinsmitglieder zu kritisch über Israel reden. Vereinsmitglieder treten aus Vereinen aus, weil ihnen andere Vereinsmitglieder zu kritisch über den Islam reden. Die einen meinen, dass man schon nicht mal mehr fragen dürfe, was an diesem oder jenem antisemitisch sei. Die anderen meinen, dass man schon nicht mal mehr sagen dürfe, dass man Mitleid mit den Menschen in Gaza habe. Die einen bemängeln Empathie mit den Opfern der Hamas, die anderen die Empathie mit den Zivilisten in Gaza. Die einen leiten aus Nichtgesagtem Komplizenschaft mit der Hamas ab, die anderen mit durch Israel begangenem Unrecht.

Die einen suchen in der Volkspsychologie der Deutschen nach Schuldgefühlen, um zu erklären, warum israelische Verbrechen kontextualisiert würden, palästinensische aber nicht. Die anderen suchen in der Volkspsychologie der Deutschen nach Schuldgefühlen, um zu erklären, warum palästinensische Verbrechen kontextualisiert würden, israelische aber nicht.

Reinheitsgebot im diskursiven Komplex

Die einen wittern McCarthyismus, weil der Verdacht, antisemitisch zu sein, schon mitschwinge, wenn jemand Waffenstillstand fordere. Die anderen wittern die Regierungsübernahme der Hamas, weil in der U6 Palischal getragen wird.

Die Hamas ist kein Meinungsbeitrag, sondern eine Mörderbande. Sie will Israel und die Juden auslöschen und gehört deswegen – Netanjahu hat Recht – ausgelöscht. Hinsichtlich der Hamas gibt es nichts zu relativieren. In dem Punkt sollte Reinheitsgebot herrschen. Das Reinheitsgebot aber, das den diskursiven Komplex Israel/Palästina prägt, bringt außer Verdachtsförderung wenig Erhellendes. Die NRW-Antisemitismusbeauftragte Sabine Leutheusser-Schnarrenberger fordert nun allen Ernstes, bei Kulturschaffenden das „Bekenntnis zum Existenzrecht Israels abzufragen“. Super Idee! Würde das ganze dann gleich noch mit der Abfrage verknüpfen, wie man es mit dem Existenzrecht der Ukraine und Armeniens hält und wenn man schon dabei ist, auch gleich noch mit dem Bundestagsbeschluss zur verschärften Einwanderungspolitik.

Ich hielt den BDS-Beschluss des Bundestages damals für nachvollziehbar. Mittlerweile muss ich zugeben, dass er ein Riesenfehler war. Nicht, weil ich den BDS nicht für antisemitisch hielte. Sondern, weil dieser Beschluss dafür sorgt, dass der Verdacht staatlich subventioniert wird. Hinter all den seltsam kryptischen Begründungen für die Absagen von Veranstaltungen steht die Angst, zukünftig keine staatliche Förderung mehr zu erhalten.

Stellen wir uns vor, die Parteien bewegen sich weiter auf die AfD zu und der Bundestag kommt auf die Idee, andere politische Bewegungen wie „die Antifa“ oder „die Linke“ politisch zu verurteilen, weil es da ja auch Probleme mit dem Bekenntnis zu Israel gibt. Man möge mir entgegenhalten, dass wir hier nicht in Russland leben, wo seit einigen Tagen die „LGBTQ-Bewegung“ verboten wurde. Ja, aber man wird ja wohl noch warnen dürfen.

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Doris Akrap
Redakteurin
Ressortleiterin | taz zwei + medien Seit 2008 Redakteurin, Autorin und Kolumnistin der taz. Publizistin, Jurorin, Moderatorin, Boardmitglied im Pen Berlin.
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10 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • "Das Reinheitsgebot aber, das den diskursiven Komplex Israel/Palästina prägt, bringt außer Verdachtsförderung wenig Erhellendes." - So ist es. Danke!

  • Gelungene Darstellung der brodelnden, undurchsichtigen Gemengelage. Die Meinungsfreiheit ist von mehreren Seiten bedroht durch massiven und emotional befeuerten Bekenntnisdruck (nicht Zwang, wie viele meinen, die keinen echten Zwang erlebt haben). Das führt bei unsicheren Menschen zu vorauseilender (Selbst)- zensur, die eigentlich gar nicht nötig ist, sofern man ein einigermaßen gefestigter , unabhängiger und selbst denkender Mensch ist. Meinungsfreiheit meint ja vor allem auch, sich in aller Ruhe die Zeit nehmen zu können, genug Information zu sammeln, abzuwägen und zu beurteilen, bevor man sich eine Meinung bildet, die weiterhin ständig überprüft, revidiert und erneuert werden sollte. Bekennen sollten wir uns dauerhaft zu den universellen Werten der Zivilisation, dem Schutz menschlichen Lebens, der menschlichen Würde und seiner Lebensgrundlagen. Die Behauptung von angeblichen Sprech- und Denkverboten ist häufig eine ideologisch-strategische Lüge, die wie alle anderen Lügen durch beständige Wiederholung wirkt. www.idz-jena.de/ne...-zivilgesellschaft



    Gegen die Wirkung emotional aufgeladener, wiederholter Lügen ist das Gehirn relativ machtlos. Anders ist es kaum zu erklären, dass die PR-Profis der AfD mittlerweile die ganze restliche Parteienlandschaft vor sich hertreiben.

  • > die Angst, zukünftig keine staatliche Förderung mehr zu erhalten.



    Frau Akrap ist zuzustimmen. Sie beschreibt das Phänomen sehr treffend, scheut sich aber, es beim Namen zu nennen. Das, genau das, ist Totalitarismus -- natürlich nicht in seiner voll ausgeprägten Reinform, weit entfernt davon, aber doch schon deutlich jenseits der ersten Anfänge.



    Es kann darauf nur eine einzige wirklich wirksame Antwort geben, die ersatzlose Streichung aller staatlichen Förderung. Das klingt erschreckend, aber anderswo geht es mit privatem Mäzenatentum und geringerer Steuerlast auch. Ja, das macht Künstler abhängig von einzelnen reichen Mäzenen. Abhängig sind sie aber jetzt auch schon und Mäzene gibt es mehrere -- sie sind alle verschieden und sich untereinander selten einig, im Gegenteil. Und das Ergebnis?



    Kunst als Auftragsarbeit reicher Mäzene ist heute international bekanntes Reiseziel für Besucher aus aller Welt, seien es Altstädte, Rathäuser oder Exponate in Museen. Und die andere Kunst? Diejenige, die von Kulturausschüssen der Stadträte für fremdes Geld als Ergebnis von Architektur- und anderen Wettbewerben ausgewählt wurde und jetzt im Zentrum öffentlicher Plätze steht? Im besten Fall ist sie nur peinlich, in aller Regel ging visuelle Effekthascherei mit mangelnder Planung der Substanz einher und die unmäßigen Erhaltungsaufwendungen tragen erheblich zur Finanzmisere der Kommunen bei. Ich sage hier aus der Nähe nur Kölner Oper, Stadtbücherei und Römisch-Germanisches Museum aber auch zerbröselnde Betonstelen in Berlin. Der Dom steht fest und sein Erhalt bleibt im Vergleich spottbillig.

    • @Axel Berger:

      Das klingt ein wenig nach "ceterum censeo...". Wenn es um die Unabhängigkeit der Kunst von politischen Vorgaben ihrer jeweiligen Förderer geht, dann sind bei aller Polarisierung, die man dort - wie im Artikel beschrieben - beobachten kann, der Hang und die Pflicht zu Neutralität dort immer noch deutlich stärker, als das bei privaten Mäzenen der Fall wäre. Ein privater Mäzen muss sich überhaupt nicht reinreden lassen, was er von einem zu fördernden Künstler als Vorbedingung verlangt (zumindest diesseits strafrechtlicher Grenzen).

      Dass das künstlerische Ergebnis unter öffentlich-rechtlichem Mäzenatentum eher leidet, mag so sein, ist natürlich auch Geschmackssache, steht aber so oder so auf einem völlig anderen Blatt.

      • @Normalo:

        Das kann man so sehen. Die stetig zunehmende Neigung des Staates, sich in Bereiche einzumischen, die ihn nichts angehen, und die daraus erwachsende Einschränkung der Vielfalt scheinen mir hier durchaus Thema zu sein.



        Und natürlich ist ein privater Förderer sehr restriktiv. Dagegen wird die Neigung eines jeden, sich von den anderen abzusetzen und gegen die anderen zu profilieren. Diese Vielfalt ist das Gegenteil dessen, was Ausschußkompromisse bewirken.

  • "Die Hamas ist kein Meinungsbeitrag, sondern eine Mörderbande. Sie will Israel und die Juden auslöschen und gehört deswegen – Netanjahu hat Recht – ausgelöscht."



    Das ist aber auch schon das einzige gemeinsame,denn der Weg dahin macht die Musik und ist einer der politischen Hauptstreitpunkte,an dem sich die verschiedenen Lager die Köpfe einhauen. Des weiteren muss aber auch das Parteiprogramm von Likut thematisiert werden,das nicht weit entfernt ist von dem der Hamas. Auch hier gibt es keinen Platz für die Palestinenser im Westjordanland. Aus dem Nationalstaatsgesetz :7. Jüdische Siedlungen

    Der Staat Israel sieht im jüdischen Siedlungsbau einen nationalen Wert. Er ermutigt und unterstützt den Bau und die Konsolidierung jüdischer Siedlungen.

    Mit den Rechten im Westjordanland ist es also nicht so weit her geholt. Dieses Gesetz hat Verfassungsstatus. Ist also nicht eine Laune der Regierungsparteien. Das damit die Palestinenser unabhängig von der Hamas ein Problem haben,Staatsrechtler übrigens auch,dürfte nachvollziehbar sein. Wie Netanjahu unter diesen Vorraussetzungen die Ideologie der Hamas aus den Köpfen der Palestinenser bekommen will,wird sein Geheimnis bleiben.

    • @fmraaynk:

      Selbst wenn die Ziele ähnlich wären - die Methoden ja offensichtlich nicht. Oder wann hat Israel das letzte Mal in den Palästinenergebieten Geiseln genommen, Frauen vergewaltigt und Kinder ermordet.

  • Iwo - ... die Parteien bewegen sich doch nicht weiter auf die AfD zu...

  • ... vor allem will ich eine eigene Meinung haben und auch äußern dürfen ohne niedergebrüllt zu werden.



    So nämlich bewegen sich nachher alle nur noch in ihrer eigenen Blase / Algorithmus ohne überhaupt Kenntnis der Antithese zu haben...

  • >Stellen wir uns vor, die Parteien bewegen sich weiter auf die AfD zu und der Bundestag kommt auf die Idee, andere politische Bewegungen wie „die Antifa“ oder „die Linke“ politisch zu verurteilen, weil es da ja auch Probleme mit dem Bekenntnis zu Israel gibt.

    Dann müsste man sich halt positiv zum Existenzrecht Israels erklären. Das sollte doch machbar sein, oder? Wenn nicht, warum nicht?