Deutsche Energiepolitik ohne Russland: Nur, was die FDP erlaubt
Deutschland macht Tempo, um sich von russischen Ressourcen zu lösen. Beim Energiesparen jedoch sind wichtige Maßnahmen weiter tabu.
Ein besonders hohes Tempo legen Bundesregierung und Parlament derzeit beim Umstieg auf andere Lieferanten für fossile Energie vor: Ein Gesetz, das für den Bau von Flüssiggasterminals an der Nord- und Ostseeküste Ausnahmen bei Umweltverträglichkeitsprüfung und Beteiligungsrechten schafft, wird gerade innerhalb von nur zehn Tagen durch Kabinett, Bundestag und Bundesrat gebracht. Ebenfalls in Rekordzeit verabschiedet wurde ein Gesetz, das die Enteignung deutscher Töchter von ausländischen Energiekonzernen ermöglicht; dies gilt als Voraussetzung dafür, dass die mehrheitlich zum russischen Rosneft-Konzern gehörende Raffinerie im brandenburgischen Schwedt künftig nichtrussisches Öl verarbeitet.
Beim Ausbau der Wind- und Sonnenenergie macht die Bundesregierung ebenfalls Tempo: Ein umfangreiches Gesetzespaket soll die Ausbauziele deutlich erhöhen und die rechtlichen Bedingungen verbessern. Umgesetzt wird dabei aber nur das, was schon vergangenen Herbst im Koalitionsvertrag vereinbart wurde; eine weitere Beschleunigung aufgrund des russischen Kriegs gegen die Ukraine ist bisher nicht vorgesehen – obwohl vor allem im Solarsektor nach Ansicht von Branchenverbänden kurzfristig noch mehr erreichbar wäre, wenn die Bedingungen verbessert würden.
Auch bei der Effizienz passiert in Deutschland weniger, als möglich wäre. Als Reaktion auf breite Kritik hat Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Dienstag zwar einen „Arbeitsplan Energieeffizienz“ vorgelegt. Aber auch dieser listet keine zusätzlichen Projekte auf, sondern fasst nur zusammen, was die Regierung bereits angekündigt hatte, etwa schärfere Effizienzstandards für Neubauten ab 2023 und 2025, ein weitgehendes Verbot rein fossiler Heizungen ab 2024, mehr Förderung für die Sanierung von Bestandsgebäuden, die Beteiligung der Vermieter am CO2-Preis beim Heizen und eine Ausweitung der Energieberatung.
Kein Tempolimit
Dass die Bundesregierung damit, wie Habeck erklärte, „alle Hebel in Bewegung“ setzt, um unabhängiger von russischer Energie zu werden, stimmt allerdings nicht wirklich. Denn Maßnahmen, die den Energieverbrauch deutlich und sehr kurzfristig senken würden, scheitern bisher am Widerstand der FDP. So hatte das Umweltbundesamt im April berechnet, dass ein Tempolimit von 100 auf Autobahnen und 80 auf Landstraßen knapp 4 Prozent des deutschen Kraftstoffbedarfs einsparen könnte.
Doch das wird von der FDP blockiert. Auch für autofreie Sonntage oder eine Ausweitung von Homeoffice-Arbeit, was den Spritverbrauch ebenfalls reduzieren würde, gibt es in der Regierung keine Mehrheit. Durchgesetzt haben die Liberalen dagegen, dass Benzin und Diesel ab Juni drei Monate lang durch eine Senkung der Energiesteuern deutlich verbilligt werden – was den Verbrauch steigern dürfte, statt ihn, wie politisch gewünscht, zu senken.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Jeder fünfte Schüler psychisch belastet
Wo bleibt der Krisengipfel?
Gespräche in Israel über Waffenruhe
Größere Chance auf Annexion als auf Frieden