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Deutsch-russische BeziehungenAustausch mit Russland? Ist nicht mehr!

Spätestens mit Putins Invasion in der Ukraine liegen auch Austauschprogramme mit Russland auf Eis.

Sowjetisches Ehrenmal im Treptower Park, Berlin Foto: Schöning/imago

Dresden taz | Drei Jahre nach dem russischen Überfall auf die Ukraine gibt es praktisch keine staatlich oder durch Nichtregierungsorganisationen (NGOs) veranstalteten Begegnungen zwischen deutschen und russischen Bürgern mehr. Die den Austausch fördernden Einrichtungen haben sich entweder aufgelöst oder ihre Schwerpunkte in andere, noch zugängliche osteuropäische Regionen verlagert.

Das Putin-Regime erschwerte lange zuvor schon die Zusammenarbeit. Unter dem Vorwand, Terrorismus und Geldwäsche einzudämmen, wurde bereits 2006 von der Duma das sogenannte NGO-Gesetz verabschiedet. Es lieferte mit schwammigen Formulierungen zur Verteidigung der nationalen Sicherheit Möglichkeiten, russische NGOs zu verbieten oder von Geldspenden aus dem Ausland abzuschneiden. 2012 folgte das Gesetz über „ausländische Agenten“, das mit Beginn der russischen Invasion 2022 nochmal drastisch verschärft wurde. Es ermöglicht Repressionen gegen Organisationen allein wegen „ausländischer Beeinflussung“. Beide Gesetze sind sowohl Ausdruck der traditionell tief verwurzelten russischen Xenophobie als auch der immer radikaleren Rückkehr Russlands zu einer gleichgeschalteten Diktatur.

Bereits 2021 wurde der Deutsch-Russische Austausch e.V. (DRA) als eine der ersten in Russland zur „unerwünschten Organisation“ erklärt, also faktisch verboten. Russische Partnerorganisationen machen sich somit strafbar, wenn sie weiter mit der DRA kooperieren. Der Zweite Geschäftsführer Jacob Riemer sah damals darin die logische Eskalation der repressiven und isolationistischen russischen Gesetze. Angesichts der Vorgeschichte seit 2014 und der bereits stattfindenden Truppenbewegungen war man beim DRA überzeugt, dass dieser Durchgriff zum Vorspiel der „Vollinvasion“ gehöre, wie mehrere NGOs es formulieren.

Sehr bald nach dem russischen Einmarsch änderte der DRA seinen Namen in „Austausch“, ohne Zusätze. Russland habe alle „Traditionsstränge“ der 1992 in Sympathie gegründeten NGO zerschlagen, erklärt Jacob Riemer. Heute gibt es keine direkten Kooperationen mehr. Projekte und Veranstaltungen unterstützen die Ukraine, fördern die Zusammenarbeit mit Osteuropa, Zentralasien und der Kaukasusregion. In aller Vorsicht agiert der „Austausch“ als Teil des Netzwerkes von Exilrussen. Die haben Angst vor dem weit über russische Grenzen hinausreichenden Durchgriff des Geheimdienstes FSB.

Petersburger Dialog? War da was?

Dazu kommt die prekäre Finanzierung. Den Rückgang der Förderung durch das Auswärtige Amt sieht Riemer nicht nur als Reaktion auf AfD-Anfragen im Bundestag an. Man müsse sich die schrumpfenden Fördertöpfe inzwischen mit mehr profilierten Exilorganisationen teilen.

Mehr öffentliche Aufmerksamkeit als der DRA genoss das 1993 gegründete Deutsch-Russische Forum. Aushängeschild war der 2001 begonnene und stets mit Spitzenpolitikern besetzte „Petersburger Dialog“, begründet vom damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder (immer noch SPD) und seinem Liebling Wladimir Putin. Dass der Dialog 2021 von den Russen ebenfalls auf den Index gesetzt wurde, änderte zunächst nichts an seinem Ruf, Teil einer vor allem wirtschaftlich orientierten „Moskau-Baku-Connection“ zu sein.

Im April 2023 löste er sich sang- und klanglos auf. Ein halbes Jahr später wehrte sich das Forum in einer Vorstandserklärung gegen den Vorwurf, weiterhin russische Interessen zu vertreten. Es lasse sich „von friedensethischen Aspekten leiten“, heißt es auf der Homepage. Die bestätigt auch, dass seit Kriegsbeginn „die gesellschaftliche Projektarbeit, insofern sie eine Beteiligung russischer Stellen erfordert, bis auf weiteres ausgesetzt ist“.

Eine Sonderstellung nimmt die Stiftung Deutsch-Russischer Jugendaustausch in Hamburg ein. Sie beruht auf einem Regierungsabkommen von 2004. Bis zu 17.000 junge Menschen und pädagogische Fachkräfte reisten jährlich von der Stiftung gefördert hin und her, bevor sich die vier Gesellschafter 2022 entschlossen, jegliche Zusammenarbeit einzustellen.

Gesellschafter springen ab

Man will nicht alle Türen zuschlagen, sagt Geschäftsführer Philipp Stemmer-Zorn, beschränkt sich aber auf Aktivitäten mit jungen Russen aus der Exil-Community, um sie als zukünftige Brückenbauer zwischen beiden Ländern zu gewinnen. Gleichzeitig plant man, sich neue Zielregionen in Osteuropa zu suchen. Die Stiftung braucht bald einen neuen Vertrag. Die Bosch-Stiftung ist als Gesellschafter schon ausgestiegen. Das Bundesjugend- und Familienministerium äußerte sich noch nicht zur Absicht, dem zu folgen. Bleiben noch die Stadt Hamburg und der Ostausschuss der Deutschen Wirtschaft.

Während bei all diesen NGOs das Attribut „russisch“ aus dem Namen verschwindet, ist die deutsche Komponente beim Deutsch-Russischen Kulturinstitut Dresden nahezu bedeutungslos geworden. Mehr als zuvor ist hier die russische Community unter sich. Die Stadt hat die institutionelle Förderung eingestellt und fördert mit 10.000 Euro nur noch einzelne Projekte.

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9 Kommentare

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  • Es ist eine schwerer Fehler, den deutsch-russischen Kulturaustausch von Jugendlichen zu beenden. Russland wird so zu einem Phantom und diejenigen Russen, die sich für Deutschland interessieren, werden in Stich gelassen. Dass die russische Sprache an deutschen Schulen kaum gelehrt wird, verstärkt das Unwissen über das Riesenland. Russland wird noch in Jahrhunderten Nachbar der EU sein.

  • Gäbe es irgendeinen Grund sich mit Massenmördern auszutauschen ?

    • @Aldi Wolf:

      Normalerweise wird dem rechten Spektrum vorgeworfen zu verallgemeinern. Dass sie aber alle Russen als Massenmörder bezeichnen ist toll. Ich wette alle Deutsche (inklusive ihrer Wenigkeit) sind auch Massenmörder.

    • @Aldi Wolf:

      Also bei uns wird aus Russland finanzierte politische Einflussnahme ja auch verboten. In Rumänien wurde deshalb eine Präsidentenwahl annulliert. Da empfinde ich die Empörung über adäquate Gesetze in anderen Ländern schon als Doppelmoral.

  • Das ist das sowjetische Ehrenmal in Treptow, nicht das „russische“.

  • Eine gute aktuelle, und wahrscheinlich auch zukünftige, Situationsbeschreibung.



    Ein Austausch soll der Verständigung dienen, der Vertrauensbildung und gegenseitigen geistigen Befruchtung. Dies ist vorbei. Und die Schuld liegt nicht bei den am Austausch interessierten auf beiden Seiten, und auch nicht an der Ukraine oder dem Westen allgemein. Hier ist nur einer schuld.



    Wer sich die Mühen einer Reise nach Russland über die Türkei oder Dubai aussetzt, und dort dann Kontakt zur Bevölkerung hat/aufnimmt (Tourismus existiert ja eigentlich nicht mehr) erlebt einen so nicht für möglich gehaltenen Kulturschock. War ja selbst im Sommer noch dort. Eine andere Meinung als die verlogene Kreml-Propaganda bekommt man in der Öffentlichkeit eh nicht mehr, und auch in der Sicherheit der eigenen Wohnung wird dieses Weltbild weiter gepflegt. Nur noch einige wenige wagten sich unter vier Augen, Kritik am System, der Regierung und der "Spezialoperation" zu äußern. Durch die fast vollständige Kontrolle aller öffentlich zugänglichen Informationen erfolgt eine immer tief gehendere Gehirnwäsche der Menschen. Und selbst die Schulkinder dürfen/können nicht mehr frei denken und reden.

    • @Oleg Fedotov:

      Meine völlige Zustimmung

    • @Oleg Fedotov:

      Oleg Fedotov: "Hier ist nur einer schuld."



      Kissinger im ZEIT-Interview: "Ich sehe Putin nicht als den Alleinschuldigen."



      Ich glaube, der Kulturschock ist für den zu uns reisenden Russen so ziemlich derselbe und aus analogen Gründen. Und ein Inder/Südamerikaner wird sowohl bei Reisen nach Russland als auch nach Europa sagen: "Die spinnen allesamt."

    • @Oleg Fedotov:

      "Nur noch einige wenige wagten sich unter vier Augen, Kritik am System, der Regierung und der "Spezialoperation" zu äußern"

      In den letzten 10 Jahren konnte man eine Menge darüber lernen, wie der Faschismus hier in D funktioniert hat. Sowohl durch Russland und russische Bürger, als auch durch die USA, durch Trump und MAGA.