Desolater Zustand der Bundeswehr: Nicht kaltstartfähig

Der Beschaffungsapparat der Bundeswehr ist schwerfällig. Nicht zuletzt angesichts des Krieges drängt die Zeit, die langwierigen Prozesse abzukürzen.

Boris Pistorius schaut aus dem Fenster eines Trainingspanzers

Bemüht sich um Tempo: Verteidigungsminister Boris Pistorius Foto: Fabian Bimmer/reuters

Die Kasernen sind marode. Fliegerhelme fehlen mancherorts seit zehn Jahren. Zu wenig Gerät, zu wenig Munition, und die Anzahl der Sol­da­t:in­nen geht auch schleichend zurück. Der Zustand der Bundeswehr ist laut der Wehrbeauftragten Eva Högl wenig überraschend desolat. Wäre nicht Krieg in Europa, ihre Bestandsaufnahme würde von den einen mit Häme und von anderen mit Entsetzen zur Kenntnis genommen – und dann wieder auf die To-do-Liste der Bundesregierung geschoben.

Nun ist die Welt seit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine eine andere und die Bedrohung von außen für die Bundesrepublik realer als in den Jahren zuvor. Angesichts der ernsten Lage ist Häme nicht angebracht, bloßes Entsetzen über die Dauerbaustelle Bundeswehr allerdings auch nicht. Am Geld sollte es nicht liegen, damit der Apparat in die Gänge kommt.

Schließlich hat Kanzler Olaf Scholz schon kurz nach Kriegsbeginn ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr klargemacht. Diese Entscheidung lobt die Wehrbeauftragte denn auch, fordert aber gleich den dreifachen Betrag. Für den Verteidigungsetat hätte sie gerne einen deutlichen Aufwuchs: Mehr als 10 Milliarden Euro sollen es schon sein.

Der Apparat blockiert sich selbst

So sehr sich der noch immer recht neue Verteidigungsminister Boris Pistorius auch um Tempo darin bemüht, der Truppe ein Update zu verpassen: Der Beschaffungsapparat bleibt schwerfällig und blockiert sich nach wie vor selbst. Komplizierte interne Vorgaben und Vorschriften für den Einkauf von Gerät oder dessen Zulassung sind lieb gewordene Tradition, von der man sich offenbar nur ungern trennen mag. Wäre das Beschaffungsamt ein Wirtschaftsunternehmen, es würde Kündigungen hageln.

Aber dies ist es nun mal nicht, deshalb wird weiter vor sich hin gewurstelt. In Friedenszeiten mag das funktionieren, aber nicht, wenn die Bedrohung durch den Despoten im Kreml in Europa allgegenwärtig ist. Der Zustand des deutschen Militärs ist auch ein Gradmesser für die Glaubwürdigkeit internationaler sicherheitspolitischer Zusagen der Bundesregierung. Und das Problem verschärft sich sogar. Derzeit arbeitet die Bundesregierung an einer Nationalen Sicherheitsstrategie.

Der große Wurf soll es werden, Leitlinien für einen erweiterten Sicherheitsbegriff schaffen, Ziele setzen, damit das Land „resilienter“ wird. Bei Weitem nicht nur auf militärischer Ebene, sondern auch beim Bevölkerungsschutz, bei der Cyberabwehr, beim Schutz kritischer Infrastrukturen. Aber das Militär bleibt eine Großbaustelle. Um die Bundeswehr aus der Misere zu holen, tritt nun der neue Generalinspekteur Carsten Breuer an. Viel Zeit, sich zu beweisen, hat der Krisenmanager nicht.

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Schreibt seit 2016 für die taz. Themen: Außen- und Sicherheitspolitik, Entwicklungszusammenarbeit, früher auch Digitalisierung. Seit März 2024 im Ressort ausland der taz, zuständig für EU, Nato und UN. Davor Ressortleiterin Inland, sowie mehrere Jahre auch Themenchefin im Regie-Ressort.

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