Demonstration gegen rechts in München: Es werde Licht
Am Sonntagabend soll in München ein Lichtermeer erstrahlen – gegen Hass und Hetze. Ähnlichkeiten mit einer Aktion vor 30 Jahren sind nicht zufällig.
![Menschen stehen mit brennenden Fackeln auf der Straße - Lichterkette 1992 in München Menschen stehen mit brennenden Fackeln auf der Straße - Lichterkette 1992 in München](https://taz.de/picture/6815960/14/34616819-1.jpeg)
Aus der Luft betrachtet ergab sich ein sternförmiges Bild. 400.000 Frauen, Männer und Kinder sollen es gewesen sein. Senta Berger war dabei, Thomas Gottschalk, Mehmet Scholl – die Münchner Prominenz der damaligen Zeit eben. Aber vor allem – so überstrapaziert und instrumentalisiert die Vokabel mittlerweile sein mag – die ganz normalen Münchner. Eine größere Demonstration hat es im Nachkriegsmünchen nicht gegeben. Wären nicht so viele in der S-Bahn steckengeblieben, wären es noch viel mehr gewesen, heißt es.
„München – eine Stadt sagt nein“, lautete das Motto der längst legendär gewordenen Münchner Lichterkette. Ein Nein zu Rassismus und Fremdenfeindlichkeit war gemeint. Der Mordanschlag gegen türkische Familien in Mölln lag gerade mal zwei Wochen zurück, wenige Monate zuvor hatten Rechtsextreme unter dem Beifall Tausender ein von Vietnamesen bewohntes Wohnheim in Rostock-Lichtenhagen in Brand gesetzt.
Eine Handvoll Privatleute, darunter der heutige Zeit-Chef Giovanni di Lorenzo, hatte die Lichterkette organisiert. Die Aktion setzte den mörderischen Attacken, die damals in ganz Deutschland verübt wurden, kein Ende, der Anschlag von Solingen etwa fand im Folgejahr statt. Aber sie setzte sich im kollektiven Gedächtnis der Stadt fest, prägt bis heute. Nicht wenigen älteren Münchnern schwillt noch immer stolz die Brust, wenn sie an diesen Abend denken.
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„Lichtermeer für Demokratie“
„Wir wollten eine Demonstration organisieren für Menschen, die sonst nicht auf Demonstrationen gehen“, wurde di Lorenzo später in der Welt zitiert. „Wir wollten wissen, wo die schweigende Mehrheit steht.“
Darum geht es auch in diesen Tagen wieder. Wo steht die schweigende Mehrheit? Und so war es nicht völlig überraschend, dass sich so manche an die erfolgreiche Aktion von vor über 30 Jahren erinnerten. Am Sonntag nun sollen die Münchnerinnen und Münchner wieder zu den Kerzen greifen. Ein „Lichtermeer für Demokratie“ soll am Abend die Theresienwiese überfluten, die Organisatoren erhoffen sich ein eindrückliches Zeichen gegen Rassismus, Antisemitismus und Hetze.
Mit 20.000 bis 30.000 Menschen rechnet das Kreisverwaltungsreferat derzeit. In derselben Größenordnung lagen die Schätzungen allerdings auch vor drei Wochen für die „Demo gegen Rechts“ am Siegestor. Am Ende wurden es über 100.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, manche Schätzungen gehen sogar von 300.000 aus. Weil es zu viele waren, musste die Demo schließlich vorzeitig abgebrochen werden.
Und das Lichtermeer auf der Theresienwiese soll nur der Anfang sein. Ähnliche Aktionen sind im Anschluss in ganz Bayern geplant. Zu den Initiatoren gehört – wie bei der Demo am Siegestor – Fridays for Future. Der Ansatz soll allerdings ein völlig anderer sein. Wie seinerzeit bei der Lichterkette sollen Menschen zusammenkommen, die sich trotz sehr unterschiedlicher politischer Meinungen auf einen Grundkonsens in Sachen Anstand, Moral und Respekt einigen können.
Bei der Demo am Siegestor gab es am Ende kontroverse Diskussionen, da sich etliche Teilnehmerinnen und Teilnehmer für eine allzu linke Sache vereinnahmt fühlten. Als „gegen rechts“ war die Veranstaltung angekündigt worden; aber während die meisten unter „rechts“ in diesem Fall den Rechtsextremismus meinten, der gerade durch den Erfolg der AfD einen massiven Aufwind erfährt, subsumierten andere unter dem Begriff auch die Union oder sogar die Ampelparteien.
Musik und Licht für ein breites Bündnis
„Aiwanger kommt nicht zur Demo #GemeinsamGegenRechts am Sonntag – gibt’s ne bessere Werbung?“, postete etwa die Linksaktivistin Lisa Poettinger auf X. „Aber was wollen CSU-Politiker:innen vor Ort? Als Versammlungsleiterin kann ich sagen, dass ich gar keinen Bock auf Rechte jeglicher Couleur habe!“ Auf der Bühne hielt sie dann noch ein Schild mit der Aufschrift „AfD hetzt * Ampel setzt um“ in die Höhe.
Schließlich wurden die Demonstrantinnen und Demonstranten, die gekommen waren, um ihre Stimme gegen Hass und Hetze zu erheben, von den Organisatoren auch noch aufgefordert zu skandieren: „Ganz München hasst die AfD.“ Ein Ansinnen freilich, dem die wenigsten nachkamen.
Auf der Theresienwiese nun soll so etwas nicht mehr vorkommen. Man wolle „ein Meer aus Licht gegen das Dunkel von Hass und Hetze, Rassismus und Antisemitismus“ bilden, heißt es in dem Demonstrationsaufruf. „Wir lassen nicht zu, dass Menschen in unserem Land ausgegrenzt und verfolgt werden. Wir wehren uns gegen Rechtsextremismus und widerwärtige Deportationsfantasien. Die schweigende Mehrheit schweigt nicht länger!“
Der größt mögliche Minimalkonsens
Und Luc Ouali von Fridays For Future erklärt in der Abendzeitung: „Es geht darum, den größten möglichen Minimalkonsens herauszustellen: dass die Menschenwürde unantastbar ist.“ Die Reminiszenz an die Lichterkette von 1992 ist allerdings beabsichtigt: „Wir wollen genauso ein Zeichen setzen, die ganze Stadt soll ein Zeichen setzen.“
Entsprechend sollen diesmal auch keine Reden im Mittelpunkt stehen. Stattdessen gibt es Musik und Licht. Unter den weiteren Veranstaltern befinden sich auch das Bellevue di Monaco, der Verein „München ist bunt“ und – Lichterkette e. V., der Verein, der sich aus der ursprünglichen Lichterkette gegründet hatte und weiterhin für Projekte gegen Rassismus und Rechtsextremismus einsetzt.
Ursprünglich war auch diesmal eine Lichterkette ganz im Stil der früheren Aktion angedacht. Doch dann verwarfen die Initiatoren die Idee wieder und entschieden sich für das „Lichtermeer“. Unter den FAQ auf der Website von Lichterkette e. V. findet sich auch die Frage: „Warum organisiert der Verein keine Lichterketten-Demonstrationen mehr?“ Die Antwort lautet: „Wir finden, dass ein so großes und bewegendes Zeichen nicht wiederholbar ist und für sich stehen bleiben sollte.“
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