Demo für Erhalt der Roten Flora: Gewalt ohne Vorwarnung
Schlagstöcke, Faustschläge und Wasserwerfer: In Hamburg kam es zu schweren Ausschreitungen zwischen Polizei und Demonstranten.
HAMBURG taz | Keine zehn Meter. In Hamburg stoppte die Polizei am Samstagnachmittag die Demonstration „Die Stadt gehört allen! Refugees, Esso-Häuser und Rote Flora bleiben“. Mehr als 7.500 Menschen waren zum Auftakt der internationalen Demonstration vor dem besetzten autonomen Zentrum in Hamburg gekommen. Kaum hatten sich die ersten Reihen auf der erlaubten Route bewegt, traten ihnen Polizeikräfte entgegen. Ohne Vorwarnung gingen die Beamten mit Schlagstöcken und Faustschlägen gegen die Demonstranten vor. Zur Unterstützung setzen sie Wasserwerfer ein. Der Auftakt einer Eskalation.
An der Roten Flora im Schanzenviertel waren zuvor gegen 15 Uhr verschiedene Redebeiträge zu der Situation der Flüchtlinge aus Lampedusa und den Räumungsdrohungen gegen das Zentrum gehalten worden. Bunte Feuerwerksraketen stiegen in den Himmel, Transparente wie „Es geht ums Ganze“ flatterten im Wind. Nach dem Stopp flogen Steine, Flaschen und Feuerwerkskörper auf die Polizisten.
Die Polizei erklärte, dass Beamte schon gleich zu Beginn von einer Brücke aus mit Steinen beworfen worden seien. Doch ganz offensichtlich war es die Strategie der Einsatzleitung, diese Demonstration nicht aus dem Viertel zu lassen. Keine 30 Minuten nach dem Beginn, gegen 15.30 Uhr, erklärte die Polizei über den Lautsprecher eines Wasserwerfers die Demonstration für aufgelöst.
Viele Demonstranten im hinteren Bereich wanderten in Richtung Hamburger City, für die ein Demonstrationsverbot verhängt worden und die zum Gefahrengebiet erklärt worden war. Dort standen 2.000 Beamte bereit, um die demofreie Zone durchzusetzen. Dennoch kam es zu Spontandemos gegen den SPD-Senat. An die 4.000 Polizisten waren nach taz-Informationen insgesamt im Einsatz.
Heftige Schlägereien
Auf dem Schulterblatt kam es zwischen den ersten Reihen von Demonstranten und der Polizei unter „Haut ab“-Rufen zu heftigen Schlägereien. Kaum waren sie wenige Meter voneinander entfernt, setzte die Polizei sofort Wasserwerfer ein. Die Demonstranten warfen verstärkt Steine und Flaschen. Vom Lautsprecherwagen sagte die Demoleitung in Richtung Polizei: „Die gewalttätigen Angriffe auf eine erlaubte Demonstration sind zu unterlassen." Auf der Straße gingen aber immer wieder Polizeigruppen mit Schlagstöcken und Pfefferspray gegen Demonstranten vor, die die Beamten nun mit allem beschmissen, was auf der Straße war.
Kleine Einheiten der Polizei rannten in die Demo, Autonome schlugen sie zurück. Vor der Roten Flora gingen sich Beamte und Demonstranten direkt an. Polizeikräfte fielen über hingeschmissene Mülleimer und Bänke, Demonstranten sackten durch den Einsatz von Pfefferspray zusammen. „Es gab mehrere Verletzte auf beiden Seiten“, sagte Polizeisprecher Mirko Streiber der taz. Genaue Zahlen waren noch nicht bekannt.
Sprechchöre von Vermummten
Gut eine Stunde standen mehrere Tausend Menschen auf dem Schulterblatt eingekesselt. Besucher von Restaurants an der Straße durften nicht aus dem Viertel.
Dass die Polizei aggressiv aufgetreten war, hatte einen Grund: Bereits am Freitag war es nach dem Heimspiel des FC St. Pauli gegen den Karlsruher SC zu Protesten gegen die Flüchtlingspolitik des SPD-Senats gekommen, die in Krawalle mündeten. Mit Sprechören wie „Feuer und Flamme den Abschiebebehörden“ zogen 300 vermummte Personen über die Reeperbahn und griffen die Davidwache mit Steinen und Feuererwerkskörpern an. Scheiben gingen zu Bruch und mindestens vier Streifenwagen wurden demoliert. Laut Polizei wurden vier Personen festgenommen.
Am Samstag konnten die Demonstranten dann kurz nach 16.30 Uhr Richtung in Pferdemarkt gehen. Dort wurden sie erneut von mitgezogenen Polizeikräften einkesselt. Am späten Samstagnachmittag war die weitere Entwicklung am letzten verkaufsoffenen Samstag vor Weihnachten unübersichtlich.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen