Debütalbum von Danger Dan: Antilope auf der Couch
Der Rapper Danger Dan verarbeitet in „Reflexionen aus dem beschönigten Leben“ eine Therapie. Auf dem Album zeigt er sich als Feminist.
Mehr Erholung wäre schlau gewesen“, sagt Daniel Pongratz alias Danger Dan im Gespräch mit der taz. „Ich halse mir gerade zu viel auf.“ Gemeinsam mit seinem Kumpel Koljah und seinem Bruder Panik Panzer mischt das Trio als Antilopen Gang seit einiger Zeit die hiesige Musikszene auf, clasht HipHop mit Punk, Humor und ernsten Anliegen. Ihr Album „Anarchie und Alltag“ eroberte 2017 Platz eins der deutschen Charts, eine halbe Ewigkeit waren sie danach auf Tournee. Jetzt, während der schöpferischen Pause vor ihren Auftritten im Festivalsommer, lehnt sich Danger Dan nicht zurück, sondern veröffentlicht sein Soloalbumdebüt.
„Reflexionen aus dem beschönigten Leben“ veröffentlicht der Aachener Rapper an seinem 35. Geburtstag. Panik Panzer gab den Songs als Koproduzent den letzten Schliff, Koljah fungierte als eine Art Lektor. Auslöser für das Album war eine Psychotherapie, die Danger Dan vor einem Jahr begonnen hat. „2013 hat sich mein Freund Jakob, der als NMZS Teil der Antilopen Gang war, umgebracht“, erzählt er. „Seitdem habe ich Probleme im Umgang mit depressiven Menschen, ich mache mir ihretwegen ständig Sorgen. Das war der Anlass für die Therapie, aber da war mehr: Durch den Erfolg der Antilopen Gang hat sich mein Leben krass verändert. Ich fand es angebracht, mal innezuhalten.“
Nach den ersten Therapiesitzungen verarbeitete er einige Gedanken zu Songs. Diese Selbstbespiegelung hätte deprimierend ausfallen können, ist sie aber nicht. Dafür hat Danger Dan vermutlich zu viel Humor und eine ausreichende Distanz zu sich selbst. Auch geht es bei ihm trotz der subjektiven Ausrichtung um Gefühle und Erfahrungen, die vielen Menschen bekannt vorkommen werden. Etwa wenn er im kraftvoll-wutschnaubenden „Piss in den Käfig“ von der Ohnmacht des Individuums erzählt, die sich in Zerstörungswut entlädt. Oder wenn er in dem Song „Wir lachen uns tot“ durchaus selbstkritisch den Trend zur permanenten Ironie angreift und sich in „Eine aufs Maul“ vorstellt, wie er den destruktiven Teil seines Ichs vermöbelt.
Insgesamt hat er zwölf durchweg großartige Stücke komponiert, alle laden sie zur intensiven inhaltlichen Auseinandersetzung ein. Die meisten Songs sind intellektuell fordernd, aber nicht anstrengend verkopft geraten, man kann zu ihnen auch tanzen, mit dem Kopf nicken und wütend die Fäuste ballen.
Danger Dan: „Reflexionen aus dem beschönigten Leben“ (JKP/Warner).
Musikalische Basis ist HipHop, aber Danger Dan ist unorthodox, lässt hier und da Pop, Rock, Singer-Songwriter-Anleihen und Reggae-Elemente einfließen. Besonders eigenwillig ist „Die Prinzentragödie“: ein Duett mit „Die Prinzen“-Sänger Sebastian Krumbiegel, vorgetragen im A-Cappella-Stil der Leipziger Band. Irritierend: Krumbiegel war einer der prominentesten Fürsprecher des Reichsbürger-nahen Mannheimer Sängers Xavier Naidoo. Wie passt das zum dezidiert antifaschistischen Danger Dan, der sich mal unter dem Pseudonym „Baron Totschild“ in einem Song über Naidoos gefährlich-wirres Weltbild lustig machte?
„Sebastian und ich haben viele Gespräche geführt“, erklärt Danger Dan. „Grundsätzlich haben wir dabei zwischen uns mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede festgestellt. Aber beim Thema Naidoo kommen wir nicht zusammen. Ich denke, Sebastian hat viele Äußerungen von Naidoo nicht auf dem Schirm und ist generell für das rechtsradikale Denken nicht sensibilisiert. Aber er ist kein verbohrter Ideologe, sondern interessiert und offen. Die Auseinandersetzung mit ihm macht mir Spaß.“
Vater einer Tochter
Für eine Debatte im Internet und in Danger Dans Umfeld sorgte die erste Single-Auskopplung „Sand in die Augen“. In dem Song verrät Danger Dan erstmals öffentlich, dass er Vater einer Tochter ist, und kritisiert mit einem Blick auf sie die zahlreichen Diskriminierungen von Frauen: „In der Schule, auf der Straße, in der Supermarktfiliale / Jeden Tag wird sie mal irgendwer begutachten wie Ware / Im Vorbeigehen wird sie eingeteilt in sexy oder hässlich / Jede Frau wird im Verlauf des Lebens sexuell belästigt.“ Der dazugehörige Videoclip ist im Stile einer prototypischen Gangsta-Rap-Produktion gestaltet. Inklusive leicht bekleideter Frauen, die sich vor Autos räkeln.
Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.
Wiederholt wurde kritisiert, dass Danger Dan damit sexistische Stereotype reproduziere. „Klar sind das in dem Clip widerliche Bilder, die Abscheu hervorrufen“, sagt er. „Genau das war die Idee. Mit dieser Text-Bild-Schere zeige ich Abscheulichkeiten, die von anderen Künstlern als schöne Ästhetik gefeiert werden. Dieser ironische Kniff ist offenbar nicht bei allen angekommen. Das muss ich anerkennen, aber ich würde es vermutlich nochmal genauso machen.“
Er war auf eine andere Kritik vorbereitet: „Ich habe erwartet, dass der Song als bloßer väterlicher Schutzmechanismus kritisiert wird, der dadurch sexistische Obertöne bekommt und weniger feministisch ist, als er zunächst klingt.“ Er hätte es spannend gefunden, diese Debatte zu führen.
„Ich war zwar schon Feminist, als ich noch keine Tochter hatte“, sagt er. „Aber ich muss zugeben, dass mir dieses Thema emotional deutlich näher geht, seitdem ich mich erstmals so intensiv mit einer weiblichen Biografie auseinandersetzen darf. Ich erlebe zum ersten Mal aus der Nähe, wie frauenfeindliche Mechanismen bereits im Kindergarten greifen – und das löst heftige Gefühle in mir aus.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste