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Debatte um andere ImpfreihenfolgeStur bürokratisch

Simone Schmollack
Kommentar von Simone Schmollack

Es ist typisch deutsch: Immer schön der Reihe nach impfen. Doch dieses Prinzip verhindert fatalerweise eine schnellere „Durchimpfung“ der Bevölkerung.

Bevor kostbarer Impfstoff vergammelt, impft doch bitte die, die geimpft werden möchten Foto: dpa

A straZeneca sofort und für alle, die den Impfstoff gespritzt haben möchten, auch wenn sie noch nicht an der Reihe sind! An dieser Stelle könnte der Kommentar auch schon zu Ende sein. Denn Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, der diesen Vorschlag gemacht hat, liegt völlig richtig. Bevor über eine Million AstraZeneca-Impfdosen ungenutzt in den Kühlhallen vergammeln, sollten sie jenen Menschen zugutekommen, die sich damit impfen lassen wollen – und das jenseits der vorgegebenen Impfreihenfolge.

Man könnte dem CSU-Mann populistischen Stimmenfang vorwerfen. Oder den Pragmatismus anerkennen, der hinter diesem Vorstoß liegt. Was spricht gegen einen geänderten Impfplan, wenn der alte zu unnötigen Impfverzögerungen führt? Hierzulande haben noch nicht einmal 5 Prozent der Menschen die erste Spritze erhalten. Im internationalen Vergleich ist das lächerlich wenig. In Israel ist bereits über die Hälfte der Ein­woh­ne­r:in­nen ein erstes Mal geimpft worden. Auch in den Vereinigten Arabischen Emiraten, in den USA und in Großbritannien wird geimpft, was das Zeug hält. Selbst auf den Seychellen hat mehr als die Hälfte der Be­woh­ne­r:in­nen die erste Anticoronaspritze erhalten.

Hierzulande gibt es Impfpriorisierungen: erst die ganz Alten in den Pflegeheimen, dann die etwas weniger Alten sowie medizinisches- und Pflegepersonal, dann die chronisch Kranken und so weiter und so fort. Das ist grundsätzlich richtig, um soziale Ungerechtigkeiten zu vermeiden und Leben zu retten. Aber es ist auch typisch deutsch und vor allem stur bürokratisch: Immer schön der Reihe nach, schließlich muss alles seine Ordnung haben! Dieses Prinzip verhindert allerdings eine schnellere „Durchimpfung“ der Bevölkerung.

Aber was, wenn es jetzt einen Run auf Impfzentren gibt, ein heilloses Chaos entsteht und auch noch Impf­vor­dräng­le­r:in­nen Schwächere zur Seite schubsen? Diese Angst ist vermutlich unbegründet. Bislang haben sich die Bür­ge­r:in­nen ziemlich deutsch und bürokratisch verhalten.

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Simone Schmollack
Ressortleiterin Meinung
Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.
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24 Kommentare

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  • Nicht das Einhalten der Reihenfolge verhindert eine schnellere Durchimpfung, sondern mangelnde Organisation. Würde man bei der Terminvergabe nachfragen, ob man bereit ist, sich mit dem İmpfstoff von Astrazenica impfen zulassen, dann könnten die verfügbaren Termine an diejenigen vergeben werden, die mit diesem Impfstoff keine Probleme haben. Am Besten sollte das schon bei der Online-Registrierung abgefragt werden.

  • Ich habe interessehalber mal bei www.impfterminservice.de in etlichen Impfzentren bundesweit durchgeklickt ob ich als aktuell Impfberechtigter einen Impftermin mit dem Astrazeneca-Impfstoff bekommen würde (Alterseingabe unter 65).

    Ergebnis: in ca. 90% meiner Versuche sind aktuell keine Termine verfügbar.

    Also, man sollte hier mal genauer hinschauen, wo überhaupt das Problem ist, und was dann die Lösung sein kann.

  • Bürokratismus und "Vorschrift".. das gibt es z.Z. auch woanders zu beobchten. Ab 1.3.2021 dürfen ja teils Firseure öffnen. Und was machen die: Den ersten Termin gibt es - schön in Sachbearbeitermentalität - exakt(!) um 00:01h.

  • Deutsch...herrlich, unsere Bürokratie und alles was darüber steht ist mittlerweile schon lächerlich. Das fällt mir nix zu ein. Aber, bevor das irgendwann mal Thema wird und eine Veränderung eintritt, vorher wir die AfD Ausländerfreundlich. Traurig.

    • @Merke:

      Du hast ja leider so recht, nur herrlich, oder amüsant ist das schon lange nicht mehr. Wenn Deutschland es nicht bald schafft, diese toxische alles erstickende Bürokratie abzuschaffen, was bedeuten würde, dass Beamte durch lebensbejahende, kreative, fähige, und mutige Angestellte ersetzt werden müssten, wird unser Land an diesen kleinkrämerischen narisstisch motivierten, der absoluten Kontrolledienenden Zwangshandlungen dieser unbeweglich Betonköpfe zugrunde gehen. Wie man an den Impfstoffbestellungen von Uschi und ihren Beamten sieht, kann ein - was Innovation und kreativen Erfindergeist anbelangt- vormals in der Welt führendes, vorbildliches Land durch Kaputtsparen in die letzten Reihen abgedrängt werden.

    • @Merke:

      Die heiligste Schrift der Bürokraten ist die Dienstvorschrift ;-)



      In Sachen Dogmatismus kommt da nicht mal die katholische Kirche mehr ran.

  • Betroffene reden selbst:



    #Risikogruppe



    twitter.com/search...pe&src=typed_query

  • In Großbritannien wird der Impfstoff von Astrazeneca auch an Ü65 verimpft. Eine Studie aus Schottland mit 5,4 Mio. Teilnehmern ergab über alle Altersgruppen bei der Vermeidung schwerer Verläufe (Krankenhauseinweisungen) bei Impfstoffen von Astrazeneca und Biontec hervorragende Ergebnisse, sogar mit leichten Vorteilen für AZ. Vermutlich müsste man für eine Beschleunigung der Impfungen an den Priorisierungen hierzulande gar nichts ändern, es reichte, wenn man die Altersrestriktion aufgeben würde, zumal deren Argument, es lägen zu wenige Daten vor, durch den Impffortschritt in GB hinfällig wurde. Irgendwann wird das auch passieren, hat der Chef der Ständigen Imfkommission schon angedeutet. Warum passiert es eigentlich nicht bereits morgen früh? Der Astrazeneca Impfstoff könnte auch problemlos von Hausärzten geimpft werden, aber offensichtlich will man die Kontrolle nicht abgeben. Warum bloß? Angesichts einer möglichen dritten Welle wäre jetzt nichts so wichtig wie Schnelligkeit.

  • Ach ja, noch einen Nachtrag zu meinem vorausgehenden Kommentar:



    Woher Frau Schmollack ihren Optimismus nimmt, dass es keine (relevante Anzahl) Impfvordrängler geben würde, ist mir ein Rätsel.

    Schon vergessen?:



    Vor genau einem Jahr begann die Toilettenpapierhamsterei. Danach war tagelang in den meisten Supermärkten gar kein Klopapier mehr verfügbar und dann wochenlang nur noch das ganz teure. Klingt erstmal nicht so dramatisch, aber für Hartz IV Empfänger und Kleinrentner nicht lustig!

    • @DHM:

      Der Unterschied zu Impfung ist, die erfolgt nur einmal. Keiner geht sich 10x impfen (es bringt auch nix), und Dosen für andere kann man auch nicht bekommen. Und diese Drängler sind dann auch weg.



      In den USA gibt es Impfung per Drive-in, im Supermarkt oder Möbelhaus. Das ginge alles auch hier, man müsste es nur wollen!

  • 4G
    4813 (Profil gelöscht)

    Wäre ziemlich doof wahllos zu impfen und die nächsten Risikogruppen zu übergehen, die dann die Krankenhäuser verstopfen und dann müssen junge Leute sterben.

  • Die Priorisierung bei den Impfungen aufzugeben wäre katastrophal für das Impfprogramm und fatal (im wörtlichen Sinn) für viele Betroffene aus den Risikogruppen. Dieser Vorschlag ist wirklich gefährlicher Quatsch! Mit Verlaub: Bild-Niveau!

    Es gäbe ein Haufen altbewährter Methoden, um zu verhindern, dass in den Impfzentren Impfdosen liegenbleiben, z. B.:



    Die Termine einfach mal überbuchen!



    Machen Fluggesellschaften schon seit Jahrzehnten (sehr erfolgreich). Sollten dann eines Abends wirklich noch Leute in der Warteschlange stehen, aber keine Impfdosen mehr vorhanden sein, dann gibt es eben einen großen Fresskorb oder einen werthaltigen Gutschein als Kompensation für die vergebliche Anfahrt. Und natürlich wird für diese Personen gleich ein Ersatztermin reserviert.

    Also, wie andere Foristen auch schon zutreffend bemerkten, einfach mehr Pragmatismus und Hirnschmalz! Und Kosten sollten eigentlich keine Rolle spielen, bei dem was gerade an Kompensation für die Wirtschaft täglich rausgeht.

    • @DHM:

      Man muss nicht mal überbuchen. Wenn Impfstoff übrig ist, gibt es am nächsten Tag zusätzliche Impftermine für den übernächsten Tag. Andere Impftermine werden 1 oder 2 Wochen im Voraus vergeben.

      Vor allem muss der Unsinn aufhören, den Impfstoff für den zweiten Termin zur Seite zu legen.

  • Bei uns bekommen Sie keinen Impftermin, auch wenn Sie berechtigt sind. Und Menschen, die schon Termine haben, werden wieder heimgeschickt ohne Impfung, weil doch kein Impfstoff da ist.



    Mich beschleicht der Eindruck, dass die Behörden mit der Umsetzung vor Ort total überfordert sind. Vielleicht sollte man das erst einmal lösen -- z.B. über ein einheitliches professionelles EDV-System, bei dem man sich für eine Impfung vormerken lassen kann und mit dem man diese Vormerkungen dann nach Reservierungseingang und Priorität automatisch abarbeiten kann, sobald der Impfstoff auch tatsächlich da ist.



    Kostet aber wahrscheinlich ein paar Kröten mehr als die 116117.app. Und mehr Hirnschmalz im voraus. Verhindert aber Chaos ...

    • @Libuzzi:

      Und vor allem einmal Leute einsetzen, die sich mit der Erstellung von Software auch auskennen. Bisher scheint die Softwarequalität ja eher nicht so toll.

      • @Bunte Kuh:

        Terminvergabe ist ja nun wirklich eine simple Routine. Es kommt auf die Vorgaben an und nicht auf die Programmierung.

        • @meerwind7:

          @Meerwind7

          Es ist beides relevant. Wenn noch nicht mal die Verbindung zum Server klappt (was oft genug vorkam), dann stimmt die Umsetzung nicht.

  • Wenn alle nach Lust und Laune sich impfen lassen können, nsch dem Motto " wer zuerst kommt, wird zuerst gepiekst", riskieren wir Impfchaos total und eine Vernachlässigung der Ridikogruppen. Erst gehört die Bevölkerung ab 60 geimpft sowie Chronisch Kranke, medizinisches Personal, Polizei und Feuerwehr sowie Erzieher*innen.

  • Ich gehöre zur Priorisierungsgruppe 2. Mir wird eine Impfung verweigert, obwohl ausreichend Impfstoff da ist. Warum?



    Warum sollte man den Impfstoff für alle frei geben, wenn diejenigen, die nach Impfverordnung dran wären überhaupt kein Angebot bekommen?



    Unsere Politiker haben es geschafft, das blanke Chaos und die reine Willkür zur Maxime ihres Handelns zu machen.

  • Es wäre sehr sinnvoll die nächsten Gruppen und weitere Risikogruppen einzuladen.

    Wir müssen zügig die 70+ durchbekommen, der Rest kann warten.

  • Danke. Genau so ist es. So schnell wie möglich so viele wie möglich impfen. Nur so bekommen wir die Pandemie schnell in den Griff.

    • @Gnutellabrot Merz:

      Die Pandemie in den Griff zu bekommen, ist das oberste Ziel, keine Frage. Aber kann man das nicht so machen, dass erst diejenigen geimpft werden, die es am dringendsten brauchen?

      Wenn nun Leute aus der Priorisierungsgruppe 1 einen bestimmten Impfstoff oder die Impfung generell ablehnen und Impfstoff übrig ist, sollte man einfach die nächsten Gruppen drannehmen. Es gibt genug chronisch Kranke, die sich den AstraZeneca-Impfstoff gerne verabreichen lassen würden.

      Es wäre fatal, wenn sich nun junge und gesunde Leute (die einen schweren Verlauf kaum fürchten müssen) impfen lassen würden, weil das möglicherweise das Ticket für den nächsten Urlaub auf Malle sein könnte - während Menschen mit Asthma oder sonstwas noch monatelang ohne Schutz rumlaufen...

      • @zmx52:

        Dito! Zumal sogar zur Risikogruppe zu zählenden Menschen nicht berücksichtigt wurden - wie Menschen mit Behinderungen. Darüber hat u.a. die TAZ berichtet:



        "„Keine logische Argumentation“



        In der Coronakrise kämpfen Menschen mit Behinderung abermals um essentielle Rechte. Raul Krauthausen übt beim Bundespräsidenten Kritik."



        taz.de/Krauthausen...einmeier/!5744107/

      • @zmx52:

        Absolut richtig, nur muss so schnell wie möglich geimpft werden. Es müssen alle verfügbaren Dosen so schnell wie möglich beimpften werden. Und wenn am Abend was übrig ist, muss es die Möglichkeit geben, das zu verimpfen. Einfach mehr einbestellen (gerne Ü65) als Impdosen vorhanden, no shows gibt es immer. Und den Astra Impfstoff nicht bunkern sondern an U66 verimpfen nach dem gleichen Prinzip.