Debatte um Nachfolge für 9-Euro-Ticket: Nahverkehr bald für 69 Euro?
Die Deutschen Verkehrsunternehmen fordern ein 69-Euro-Ticket als Nachfolgeangebot für das 9-Euro-Ticket. Eine mögliche Finanzierung ist noch unklar.
„Ausgehend von der Prämisse, dass die ÖPNV-Tarife der Verkehrsverbünde für das Gros der Fahrgäste weiterhin attraktiv sein werden, schlagen wir insbesondere für diejenigen, die sich in der Marktforschung als relevante Zielgruppe erwiesen haben – zahlungswillige Autofahrerinnen und -fahrer – ein bundesweit gültiges ÖPNV-Klimaticket für 69 Euro pro Monat als einfache Fahrtberechtigung der 2. Klasse vor“, teilte VDV-Hauptgeschäftsführer Oliver Wolff am Donnerstagabend mit. Zuvor hatte die Frankfurter Allgemeine Zeitung darüber berichtet.
Wolff gibt sich zuversichtlich, was die Machbarkeit angeht: „Die Branche ist in der Lage, ab dem 1. September ein solches Klimaticket anzubieten“, so Wolff und fordert: „Dafür brauchten wir allerdings sehr schnell den entsprechenden Auftrag seitens der Politik.“ Auf zwei Milliarden Euro schätzt Wolff die Kosten für das Ticket.
SPD-Fraktionsvize Detlef Müller sagte in einem Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: „Ob ein Anschlussticket dann 39, 49 oder 69 Euro kostet, ist zweitrangig. Es muss aber in einem Rahmen sein, der psychologisch wirkt und sich für Menschen lohnt, ihr Auto stehen zu lassen.“ Auch die Grünen sind dafür, lediglich die FDP steht noch auf dem Bremsklotz. Christian Lindner äußerte sich Ende Juni ablehnend gegenüber einer Nachfolgeregelung.
Wolff fordert die Verkehrsminister des Bunds und der Länder auf, bei ihrer nächsten gemeinsamen Konferenz über ein solches Ticket zu verhandeln: „Ich fände es gut, wenn Bund und Länder sich auf ein dauerhaftes Modell verständigen könnten, an dem sich die Länder jedoch ähnlich beteiligen wie bei dem Corona-Rettungsschirm.“
9-Euro-Ticket geht noch bis Ende August
Wichtig sei es, die Finanzierung zu klären: „Denn klar ist, dass ein preiswertes Ticketangebot nicht zulasten des Ausbaus und des Betriebs im ÖPNV finanziert werden kann.“ Dieses Jahr sei eine Finanzierung noch mithilfe des Rettungsschirms für die Verkehrsunternehmen möglich. „Für das neue Jahr braucht es dann eine neue Regelung“, sagt Wolff. Im Gegensatz zum 9-Euro-Ticket würde sich das 69-Euro-Ticket nicht automatisch für alle Inhaber:innen von Monatskarten lohnen. Die müssten individuell entscheiden, ob sich der Kauf eines 69-Euro-Tickets für sie lohnt.
Das 9-Euro-Ticket soll die Bürger:innen vor dem Hintergrund der hohen Energie- und Spritkosten entlasten und nebenbei öffentliche Verkehrsmittel attraktiver machen. Die Nachfrage ist hoch: Allein im Juni wurden 21 Millionen 9-Euro-Tickets verkauft. Weitere 10 Millionen Abonnent:innen profitierten von dem vergünstigten Tarif. Das Angebot gilt noch bis Ende August.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett