Debatte um Leopard-2-Panzer: Genie oder Getriebener
Olaf Scholz machte bei der Debatte um die Kampfpanzer-Lieferung öffentlich kein gutes Bild. Ob er letztendlich doch Gewinner ist, bleibt im Dunkeln.
S ouverän sah Olaf Scholz auf dem Weg zur Leopard-Lieferung nicht aus. Er konnte nie stringent erklären, warum der Ukraine-Krieg ausgerechnet durch westliche Kampfpanzer eskalieren sollte. Er ließ Zeit verstreichen, die nun wohl fehlt, um die Fahrzeuge vor einer möglichen russischen Frühjahrsoffensive an die Front zu schicken. Und als exponiertester Bremser innerhalb des westlichen Bündnisses zog er den Groll vor allem mittelosteuropäischer Staaten auf sich und die Bundesrepublik.
Und doch hat er am Ende gewonnen? Das ist die eine Deutung der Medienberichte vom Dienstag, denen zufolge Deutschland nach langem Ringen nun doch Leopard-2-Panzer liefern wird, im Gleichschritt mit den USA, die der Ukraine ihrerseits Abrams-Kampfpanzer zur Verfügung stellen.
Letzteres soll der Kanzler zur Bedingung für Ersteres gemacht haben, was Wohlwollende zu dem Schluss bringt: Durch seine Standhaftigkeit hat er für die Ukraine das Maximum herausgeholt. Er hat eine Handvoll eigener Fahrzeug als Hebel genutzt, um die USA mit ins Boot zu bekommen und so ein richtig dickes Panzerpaket zu schnüren. Eine in sich schlüssige Interpretation – allerdings auch nicht mehr oder weniger schlüssig als die Konkurrenzvariante.
Ihr zufolge wollte Scholz bis zuletzt keine Kampfpanzer liefern. Über Monate hat er sich demnach von einer Ausrede zur nächsten gehangelt. Dass er nicht ohne die USA handeln wolle, war demnach seine letzte Ausflucht – die letztendlich, weil Washington gerade umschwenkt, auch nicht länger haltbar war. Der Druck ist also schlicht zu groß geworden. In dieser Variante ist der Kanzler kein Genie, sondern schlicht ein Getriebener.
Ob Version A oder Version B stimmt, oder am Ende vielleicht eine Mischung aus beiden Versionen? Schwer zu sagen. Die Debatte über die Waffenlieferungen hat einen besonderen Charakter, der die Deutung erschwert. Es geht um Krieg und Frieden, also legen die Beteiligten naturgemäß nicht vollumfänglich offen, wie ihre Abwägungen aussehen. Stattdessen werfen sie allerhand argumentative Nebelkerzen, zum Teil bedingt durch sachfremde Interessen.
Letzter Akt der Waffen-Debatte
Bei der polnischen Regierung zum Beispiel, die in den letzten Tagen am sichtbarsten Druck machte, spielt wohl der anstehende Wahlkampf eine Rolle. Beim Kanzler ist es vielleicht die eigene Sturheit in Verbindung mit der Dynamik innerhalb der Ampel: Bloß nicht den Eindruck erwecken, dass sich die Strack-Zimmermann durchgesetzt hat.
Im Ergebnis wird es Klarheit darüber, wie die Panzer-Entscheidung genau abgelaufen ist, wohl erst in Jahrzehnten geben: Wenn die dazugehörigen Akten nicht mehr geheim sind und die Historiker in die Archive dürfen. Fürs Erste aber bleibt es in Ermangelung einer klaren, lagerübergreifend anerkannten Faktenlage primär eine Glaubensfrage, ob Scholz nun der Held ist oder der Verlierer.
Die gute Nachricht: Lange wird sich die Waffen-Debatte in dieser Form nicht mehr fortsetzen. Nachdem die Panzer durch sind, könnte es zwar mit den Kampfjets weitergehen. Hier wird Deutschland aber nicht so sehr im Fokus stehen. Fliegen ist komplizierter als Fahren. Die Tornados und Eurofighter bieten sich daher weniger an als osteuropäische Flugzeuge, mit denen ukrainische Piloten schon lange vertraut sind, und US-amerikanische, an denen die Ausbildung angeblich schon läuft.
Wenn irgendwann auch Jets geliefert sind, wird sich die Debatte nicht mehr um die symbolisch so aufgeladene Frage drehen, welche neuen Waffentypen die Ukraine jetzt noch bekommen könnte. Dann wird es eher darum gehen, ob irgendwo noch Nachschub und Ersatz für die schon jetzt gelieferten Systeme aufzutreiben ist. Diese Fragen lassen sich weniger zuspitzen, sie werden weniger verbissen und weniger unerbittlich diskutiert werden. Nach den wiederholten und ermüdenden Debatten der vergangenen Monate ist das immerhin etwas.
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