Debatte über Ende des Ukraine-Kriegs: Mützenich kann es nicht lassen
Der SPD-Fraktionschef hält an seinen umstrittenen Äußerungen zum Einfrieren des Kriegs in der Ukraine fest. Er erklärt aber, was er nicht gemeint hat.
Berlin | taz Er werde den Begriff weiter benutzen, so SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich. „Tut mir leid, ich kann es nicht lassen.“ Konkret geht es um die Worte des Politikers während der Debatte über Taurus-Marschflugkörper am Donnerstag vergangener Woche im Bundestag. In seiner Rede hatte Mützenich die Frage aufgeworfen: „Ist es nicht an der Zeit, dass wir nicht nur darüber reden, wie man einen Krieg führt, sondern auch darüber nachdenken, wie man einen Krieg einfrieren und später auch beenden kann?“
Der Begriff „Einfrieren“ war auf viel Kritik gestoßen, selbst Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) distanzierte sich davon. Er hätte sich das Wort nicht zu eigen gemacht, so Pistorius am Dienstag im Deutschlandfunk.
Am Nachmittag der Fraktionssitzung erklärte Mützenich bei der traditionellen, diesmal jedoch außergewöhnlich gut besuchten Pressekonferenz, was er nicht gemeint habe: Es gehe nicht darum, der Ukraine eine Frieden zu diktieren oder die militärische Unterstützung in Frage zu stellen. „Wir unterstützen den Verteidigungskampf der Ukraine auf der Grundlage der Charta der Vereinten Nationen“, so Mützenich. Das sei unverbrüchlich.
Er wolle „lediglich die Debatte ergänzen, wenn es die Gelegenheit gibt, Fenster zu nutzen für lokale Waffenruhen oder humanitäre Feuerpausen“. Zurzeit sehe er diese Gelegenheit wegen Präsident Putin noch nicht. Er finde es jedoch erschöpfend, „dass nur eine Debatte über Waffen geführt wird“ und wolle die Debatte ergänzen und diejenigen ermutigen, die noch Einfluss hätten, etwa Brasilien, Südafrika oder China. „Außen- und Sicherheitspolitik ist mehr als die Lieferung von Waffen“, so Mützenich.
SPD übt sich in strategischer Ambiguität
Also der Ukraine weiter Waffen liefern und gleichzeitig laut über eine Waffenruhe nachdenken? So richtig ist noch immer nicht klar, wie Mützenich seine Äußerungen wirklich gemeint habe könnte. Damit übt sich der SPD-Fraktionschef bewusst oder unbewusst in strategischer Ambiguität.
In der SPD seien seine Äußerung auf breite Zustimmung gestoßen, sagten Abgeordnete vor der Sitzung. „Wenn die Leute das Gefühl haben, wenn wir über Frieden reden, müssen wir uns an die Populisten wenden, na dann gute Nacht“, sagte etwa Ralf Stegner mit Verweis auf das Bündnis Sahra Wagenknecht. SPD- Verteidigungspolitiker Andreas Schwarz erklärte, die Debatte lenke von den wirklich wichtigen Dingen ab: „Wir müssen uns jetzt wieder auf das konzentrieren, was wirklich Priorität hat, nämlich wie man der Ukraine mehr Munition liefern kann.“
Auch Mützenich selbst versuchte am Dienstag andere Prioritäten zu setzen. Er kritisierte die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) mit scharfen Worten wegen des Leaks im Verteidigungsaussschuss über die Zieldaten der Taurus-Marschflugkörper. Sie habe geheime Informationen nicht direkt an die Abgeordneten weitergegeben, sondern zugelassen, dass dies in einer Sitzung mit 105 Teilnehmern geschah, so Mützenich. Strack-Zimmermann habe es nicht geschafft, eine „geheime Sitzung so geheim zu halten, wie es erforderlich gewesen wäre“.
Die Union ist jedoch wild entschlossen, die Debatte über das „Einfrieren“ fortzusetzen und Mützenichs Äußerungen am Mittwoch zum Thema in der Aussprache nach der Regierungserklärung von Bundeskanzler Olaf Scholz zu machen. „Der Vorschlag hat nicht nur in der Koalition breites Entsetzen ausgelöst, sondern im Land, in Europa und in der internationalen Presse“, sagte Unionsfraktionschef Friedrich Merz am Dienstag seinerseits vor der Sitzung seiner Fraktion. „Offensichtlich fällt ein großer Teil der SPD in die alte Naivität gegenüber Russland zurück.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“