Debatte nach Einsturz in Dresden: Mut zur Brücke
Der Einsturz der Carolabrücke in Dresden facht die Debatte um Investitionen in die öffentliche Infrastruktur an. Wie geht es jetzt weiter?
Brückenexperte Martin Mertens kritisiert den schlechten Zustand vieler Großbrücken in Deutschland. „Grundsätzlich kann man sagen, dass bei den Großbrücken alle Brücken, die vor 1980 gebaut worden sind, unsere Problempatienten sind“, sagte der Professor von der Hochschule Bochum dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Das seien wegen des regelrechten Baubooms nach dem Zweiten Weltkrieg leider die meisten. Die Politik müsse reagieren.
Der Deutsche Städte- und Gemeindebund fordert wegen des schlechten Zustands der Brücken eine „Investitionsoffensive Infrastruktur“. Den Kommunen fehlten die finanziellen Mittel für die dringend notwendigen Sanierungsarbeiten, sagte Hauptgeschäftsführer André Berghegger den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Der Einsturz der Carolabrücke in Dresden macht auf erschreckende Weise deutlich, dass Deutschland von der Substanz lebt.“
„Trauriges Symbol der deutschen Infrastruktur“
Auch der Präsident des Zentralverbandes Deutsches Baugewerbe, Wolfgang Schubert-Raab, hält Investitionen für dringend nötig. Den Einsturz in Dresden bezeichnete er als „trauriges Symbol der deutschen Infrastruktur“, das den dringenden Handlungsbedarf vor Augen führe.
Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie pocht nach dem Teileinsturz darauf, der Sanierung von Brücken in Deutschland Priorität einzuräumen. „Der Vorfall zeigt eindrücklich, wie hochsensibel unsere Verkehrsinfrastruktur ist und welchen wichtigen Part unsere Brücken übernehmen“, sagte Hauptgeschäftsführer Tim-Oliver Müller dem RND. „Das ist eine politische Aufgabe und gesellschaftliche Verpflichtung.“
Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) wies in der Haushaltsdebatte im Bundestag darauf hin, dass im kommenden Jahr mehr als neun Milliarden Euro für Investitionen in Bundesfernstraßen und Brücken bereitstünden. Mit Blick auf den Einsturz der Carolabrücke in Dresden erläuterte er, sie stehe in kommunaler Verantwortung und habe deswegen mit dem Bundeshaushalt nichts zu tun. „Aber man sieht an dieser Brücke, wie gefährlich es ist, wenn in Infrastruktur nicht sorgfältig investiert wird.“
Korrosion als mögliche Ursache
In der Nacht zu Donnerstag stürzte ein etwa 100 Meter langes Stück der Carolabrücke, über das Straßenbahngleise sowie ein Fuß- und Radweg führten, in die Elbe. Verletzt wurde niemand. Auch der Rest der Brücke gilt nun als einsturzgefährdet. Die Ursache war zunächst unklar, die Polizei geht aber nicht von einer Fremdeinwirkung aus. Eine Anfangsvermutung sei, dass Korrosion einen wesentlichen Beitrag zum Einsturz geleistet habe, sagte Steffen Marx, Professor am Institut für Massivbau an der TU Dresden.
Die Arbeiten würden sich aktuell darauf fokussieren, einen verkehrssicheren Zustand herzustellen, so Marx. Dabei müsse man langsam vorgehen, sagte Michael Klahre, Sprecher der Feuerwehr. „Denn jeder Mann, jede Frau, der sich in die Nähe der Brücke begibt, der sich unter der Brücke aufhält oder obendrauf, begibt sich in Lebensgefahr.“
Die Brücke – eine der wichtigsten Verkehrsadern der Dresdner Innenstadt – galt schon lange als Sanierungsfall. In den vergangenen Jahren wurden bereits Teile der Brücke für den Autoverkehr saniert, für das nächste Jahr war die Sanierung des nun eingestürzten Brückenzuges geplant.
Vor massiven Auswirkungen auf den Dresdner Stadtverkehr „über viele Monate, wenn nicht Jahre“ warnte die Stadtratsfraktion der Grünen in einer Mitteilung. Sorgen bereite ihr auch die finanzielle Herausforderung, die die Landeshauptstadt mit diesem Unglück ereile, sagte Fraktionsvorsitzende Agnes Scharnetzky. „Hier liegt auf der Hand, dass die Stadt allein nicht über die Mittel verfügt.“ Scharnetzky forderte dazu Gespräche mit Bund und Land.
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