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Debatte Merkels RegierungsstilDie Jahre der Räuberin

Georg Löwisch
Kommentar von Georg Löwisch

Bei der Wahl geht es um nichts mehr? Wähler haben keine Optionen mehr? Wer das denkt, hat das System Merkel noch immer nicht verstanden.

Angela Merkel: Erst verschwommen, dann greift sie zu Foto: dpa

G erade wird es schick zu sagen, dass es bei der Bundestagswahl um nichts mehr geht. Gibt doch ohnehin kaum Unterschiede. Hat doch niemand Charisma. Gewinnt doch eh Merkel.

Brandt tot, Schmidt tot, Kohl tot. Strauß tot, Wehner tot, Fischer Rentner. Luft raus.

Genau dies ist eine Diskussion auf Abwegen. Demokratie funktioniert nicht so, dass man sich doof stellt; man muss schon mitdenken. Denn nur weil der SPD-Kandidat nicht reden kann wie Perikles und Angela Merkel sich so fröhlich feiern lässt wie vor vier Jahren, heißt das nicht, dass nichts möglich ist. Die große Frage ist die Frage der Koalitionen.

Nehmen wir mal an, die Kanzlerin würde tatsächlich noch einmal gewählt, dann hätte eine neue Regierung je nach Partner sehr unterschiedliche Tendenzen. CDU ist CDU. Und CSU ist CSU und manchmal noch schlimmer. Aber trotzdem bekämen wir immer eine etwas andere Merkel, schon weil sie für jede Tendenz etwas übrig hat. Die SPD würde den sozialstaatlichen Akzent der vergangenen vier Jahre erhalten, den die CDU-Chefin gerade im Wahlkampf so gern für sich verwendet. Die FDP würde die Wirtschaftsliberale Merkel hervorkehren, der Deutschland angesichts des globalen Wettbewerbs schon lange zu weinerlich ist. Und die Grünen würden aus ihr, Tochter eines Ökopfarrers, vielleicht doch noch eine Klimakanzlerin machen.

Mal Gemeinderätin, mal Grenzbeamtin

Auch wenn diese Frau so unerschütterlich fest hockt in ihrem Amt: In ihren Positionen ist sie vergleichsweise leicht zu bewegen. Ihren Vorgänger Gerhard Schröder mussten die Grünen in der rot-grünen Koalition zu vielen progressiven Positionen drängen. Davor quengelte die FDP bei Helmut Kohl, damit dieser doch wenigstens ein bisschen die Sozialsysteme schröpfte – ziemlich vergeblich allerdings. Hingegen hat Merkel eine Methodik entwickelt, wichtige Projekte der Konkurrenz zu übernehmen. Position halten oder ändern – das beurteilt sie völlig kühl. Merkel macht, was ihre Macht sichert.

Sie wechselt ihre Gesichter. Mit dem Lächeln einer Kirchengemeinderätin begrüßt sie Flüchtlinge, um später mit der Strenge einer Grenzbeamtin über die Abschiebung zu sprechen. Ihr Satz „Sie kennen mich“ aus dem vergangenen Wahlkampf war ein Witz angesichts einer Frau, die für fast alles stehen kann und dann wieder fürs Gegenteil.

Man konnte ihre Methodik zuletzt Ende Juni an der Entscheidung über die Ehe für alle studieren. Merkel hat die bisherige Grundsatzfrage der Union, ob Schwule und Lesben heiraten dürfen, sehr bewusst zu einer individuellen Gewissensentscheidung erklärt. Die SPD setzte das Gesetz geistesgegenwärtig auf die Tagesordnung. Aber egal, ob Merkel die schnelle Verabschiedung des Gesetzes noch vor der Wahl einkalkuliert hatte oder von der SPD überrumpelt wurde:

Den Schritt zur Gewissensentscheidung entschied die Kanzlerin sehr bewusst und planvoll. Sie gab den Widerstand gegen die Gleichstellung auf, weil er ihr machtpolitisch nichts mehr brachte.

Merkels Methodik schadet den anderen Parteien. Aber immer wieder hilft sie am Ende auch richtigen Projekten

Ihre Beweglichkeit konnte man auch beobachten, als sie Ende 2016 der CSU in der Flüchtlingspolitik nachgab. Horst Seehofer musste nur lange genug Chaos in der Union stiften und für seine CSU vergleichsweise gute Umfragewerte holen, damit Merkel den verbalen Kotau vollzog. Wenn sich sogar eine viel kleinere, eigentlich zu einem Mindestmaß an Solidarität verpflichtete Schwesterpartei so durchsetzen konnte – wie groß ist dann erst das Potenzial eines Koalitionspartners?

Sie schenkt nichts her. Man muss eine Kampagne entfachen, die anhaltenden Lärm erzeugt und Zustimmung bei vielen Bürgerinnen und Bürgern erfährt. Dann raubt sich Merkel das Thema. Als ob jemand etwas klaut – und anschließend überall erzählt, wie wichtig und sinnvoll diese Aktion war.

Nicht immer wurden gute Gesetze daraus

Doch hat nicht gerade Merkel noch jeden Juniorpartner kleinregiert? All die Steinmeiers und Becks, die Rößlers und Brüderles, die Gabriels und, ja, sogar in nur wenigen Monaten Martin Schulz? Klar, aber das ist das Problem der Parteien, nicht das der Wähler. Sie hat die Konkurrenz dadurch geschrumpft, dass sie ihnen die Themen genommen hat.

Allerdings muss man sagen: Nicht immer hat Merkel aus den gekaperten Projekten gute Gesetze gemacht. Manchmal hat sie die Projekte ihrer Partner in den Regierungskompromissapparat eingespeist, wo sie für immer verschwanden. Die großen Steuerpläne der FDP gehören dazu. Andere Vorhaben hat Merkels Maß-und-Mitte-Maschine so verunstaltet, dass sie am Schluss wirkungslos wurden. Die Mietpreisbremse ist so ein Fall.

Aber es gibt auch Fälle wie den Mindestlohn. Als die Kampagne erdrückend erfolgreich war, gab Merkel gern nach. Heute lobt sie sich für den Mindestlohn, den sie lange verhindert hatte. Der Frauenquote stimmte sie nach Jahren zu; sie gilt nur für Aufsichtsräte und auch bloß in Großunternehmen. Aber sie machte das Thema zu ihrem.

Der Extremfall ist der Atomausstieg, eine Forderung, die durch die Katastrophe von Fukushima den ultimativen Schub bekam. Merkel wurde Atomkraftgegnerin und die Grünen um ein Thema ärmer. Aus all diesen Forderungen wurde nur etwas, weil Merkel sie umsetzte. Nur mit den Urhebern der Forderungen ging es bergab. Anders gesagt: Merkels Methodik schadet den anderen Parteien. Aber immer wieder hilft sie am Ende auch richtigen Projekten.

Damit stehen die Wählerinnen und Wähler bei der Bundestagswahl ganz und gar nicht ohne Optionen da. Leider stellen sich nicht nur viele von ihnen dumm, sondern auch Merkels potenzielle Partner. Gerade Grüne und FDP reden sich gern groß mit dem Ziel, hinter Union und SPD den dritten Platz zu erreichen. Aber gemessen an dem, was möglich wäre, bieten die kleinen Parteien im Wahlkampf eine große Leere. Sie müssen Merkel die Themen aufdrängen. Sie sollten sie so erfolgreich inszenieren wie die SPD-Kampagne zum Mindestlohn oder die Ehe für alle. Dann kommt es nur noch auf die Situation an, bis die Räuberin zugreift, ganz offen, ganz frech, ganz selbstverständlich.

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Georg Löwisch
Autor
Viele Jahre bei der taz als Volontär, Redakteur, Reporter und Chefredakteur.
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45 Kommentare

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  • Angela Merkel ist die Verlängerung der Agenda 2010 - Umverteilung, Ausgrenzung und Verarmung sind feste Bestandteile des Merkel-Coktails und der schmeckt mies, aber sie macht gute Mine zum bösen Spiel.

     

    Viel unglaublicher ist, dass kaum jemand Merkel so kritisiert, andererseits ist dies auch logisch: Die SPD ist ja die Agenda-Partei - sie steht für dieses Programm und geht dafür tief in die Verlustzone, die FDP wollte das immer und die Grünen möchten genau mit diesen 'Agenda'-Parteien Koalitionen bilden, um in die Ministerien zu gelangen. Wer will sich also beschweren?

     

    Wenn man es genau wissen will, dann gibt es großes Interesse, eine Merkel vorne zu haben, weil die übertüncht, wie wenig zukunftsfähig und positiv die Regierungen seit 2003 waren und sind und es spricht viel dafür das Ende September alles so weiter gehen wird, d.h. es wird mehr arme Arbeitnehmer, mehr arme Kinder und Jugendliche geben, es wird jede Menge befristete und prekäre Arbeitsverhältnisse geben, viele Menschen steuern auf eine Armutsrente zu und werden auf Jobcenter angewiesen sein, kurz: Millionen Menschen leiden jetzt und in Zukunft unter Merkel und ihrer unausgewogenen Sozialpolitik.

     

    Dass sie selber glaubt, sie folge der christlichen Soziallehre, zeigt, wie wenig Angele Merkel sich selber reflektieren kann, sie glaubt eigentlich ihre eigene Propaganda.

     

    Wahrscheinlich lebt sie von dem Kater, den Gerd Schröder den Deutschen verpasst hat, der einstige SPD-Strahlemann aus Hannover hat Deutschland nachhaltig verändert und gezielt die Politik für die großen Konzerne und Mächtigen betrieben, vollkommen offen und schamlos. Dagegen strahlt Merkel dann schon, aber sonst?

    • @Andreas_2020:

      Selbst in der taz wird die CDU-Vorsitzende Merkel heute kaum noch kritisiert, eher wird hier mit Sympathie über sie berichtet. Was früher die CDU einstecken musste, bekommt heute die AfD ab.

  • Hat leider nie jemand zugehört. Das begann schon mit Schulz Interview zum Einstand bei Anne Will, in welchem er frisch aus Brüssel von den 200 Milliarden, die der EU jährlich durch Steuerflucht verloren gehen sprach. Aber wen interessiert's, wenn der Fussballkanzler schlecht rasiert (nee isser nich) zum Interviewtermin auftaucht?

    Das hat mir ihm nachhinein sehr leid getan, Hannelore Kohl und Guido Westerwelle, aber die Leute die zum Beispiel cum-ex recherchiert haben, die verdienen mindestens das Bundesverdienstkreuz oder sollten sich mit einer saftigen Abfindung in den Ruhestand absetzen können dürfen.

    Elende Hörigkeit!

  • "In ihren Positionen ist [Merkel] vergleichsweise leicht zu bewegen."

     

    Welche Position?

    Multikulti ist gescheitert?

    Atomkraft - Nein - Ja - Nein?

    Ehe für Alle?

    PKW Maut?

    Abhören unter Freunden?

     

    Die Liste ließe sich schier endlos fortsetzen. Diese Frau hat keinerlei Überzeugungen, Prinzipien oder "rote Linien":

    Sie ist wie ein leeres Blatt Papier, auf das der höchstbietende Lobbyist seine Forderungen schreiben kann.

  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    Also egal ob ich jetzt Grüne, SPD, oder FDP wähle - wenn die mit der CDU koalieren, schadet es ihnen?!

     

    Welcher Partei will ich also am meisten schaden - indem ich sie wähle?

    Das wären dann wohl die Grünen. Die halbe Partei könnte sowieso genauso gut bei der CDU sein.

     

    Aber mal ehrlich: so sieht eine Wahl zwischen Pest und Cholera halt aus. Alternativlos baut eine machiavellianische CDU ihre Machtposition weiter aus und der Kommentator lädt uns dazu ein, ihr diese Macht auch zu geben.

    Dann wähle ich wahrscheinlich doch lieber eine Opposition.

    • @85198 (Profil gelöscht):

      Habe gar nicht strategisch gewählt. Sollen die sich doch ihre Köpfe zerbrechen.

    • @85198 (Profil gelöscht):

      Die Wahl geht um die Themen, nicht um die Parteien.

      • 8G
        85198 (Profil gelöscht)
        @Arne Babenhauserheide:

        Die Themen der Linken liegen mir sehr am Herzen.

        Die CDU hat hier in Sachsen derartig versagt auf ganzer Linie und alles was ich von ihr zu erwarten habe ist Repression.

        Sitzblockaden gegen Nazis sind hier "linksextremistische Gewalttaten" und selbst beim Sterben noch gilt die Grablegungskultur der sächsischen Landeskirchen total, was Sargverbot für Muslime oder einen Friedwald angeht.

        CDU-Abgeordnete reden von der "Umvolkung" oder besprechen sich mit NPD-Abgeordneten.

        An gemeinsamen Kundgebungen der SPD, Grünen, Linken und des DGB für Weltoffenheit und Toleranz und gegen LEGIDA nimmt die CDU nicht teil.

        Die Bundespartei bezahlt jetzt Milizen um KZ's zu bauen in Nordafrika und gleichzeitig sollen nur die gut qualifizierten hier legal einreisen dürfen. Das ist Menschenhandel und die Bundesregierung betätigt sich als Sklavenimporteur, der diese dann sofort in die "freie Gesellschaft" entläßt. Dort können sie dann z.B. 24/7 bei einer Sklavenhalterfamilie im Ländle sich um die bettlägerische Oma kümmern und mit der polnischen Putzsklavin in Lohnkonkurrenz treten.

        Um solche Themen geht es mir.

  • Ich sehe nicht, wie die SPD der Merkel-Politik einen sozialeren Anstrich verpasst haben soll. Die SPD hat (zusammen mit den Grünen) den Sozialstaat abgebaut. Aber was mir wichtiger erscheint: Wäre Merkels Politikstil nur einer, der Strömungen anderer Parteien aufgreift - ich könnte damit leben. Es finden sich schließlich immer wieder neue "Herausforderungen". Was soll denn dieser "Kritikpunkt" immer? Aber: Merkel und Co. sind einfach von der Grundhaltung her für einen Demokraten / eine Demokratin einfach nicht wählbar. Schon allein wegen der Vorgehensweise beim "Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens" verdienen Merkel bzw. CDU und SPD meiner Meinung nach kein Vertrauen und müssen abgewählt werden.

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @Paulie:

      "Ich sehe nicht, wie die SPD der Merkel-Politik einen sozialeren Anstrich verpasst haben soll."

      Lassen Sie mal Ihrer Fantasie freien Lauf und stellen sich vor, was Merkel ohne das Korrektiv SPD alles angestellt hätte...

      • 8G
        88181 (Profil gelöscht)
        @571 (Profil gelöscht):

        Also da wäre ich mir nicht so sicher. Wenn es um die richtigen Schweinereien geht, braucht man schon die SPD.

         

        Stichworte: Nachrüstung, Hartz IV, Jugoslawienkrieg.

         

        Mit den Sozis flutscht so etwas eben reibungsloser.

  • Danke für den guten Artikel!

    M. E. geht es bei dieser Wahl am ehesten darum, eine starke Opposition zu haben. Aber ist das nicht irgendwie immer so ;-)

  • Meine gedankliche Hauptzielrichtung geht dahin, eine weitere GroKo zu verhindern, allein schon deshalb, damit die AFd nicht als ggf. größte Oppositionspartei das erst Rederecht im bunten Tag nach den Regierungsvertretern hat.

     

    Zu Merkel: Ja, der Artikel stimmt, ich will aber zwingend darauf hinweisen, dass das was hier analysiert wurde auf einen aktiven Zuhörprozess zurückzuführen wäre. Das ist oft richtig, genauso häufig liegt das aber daran, dass man Probleme nicht anpackt... so lang weiterlaufen lässt, bis es echte Probleme geben wird und dann entsprechend reagiert; da dann quasi unverhinderlicher Handlungszwang!

     

    Wer will behaupten, dass der Atomausstieg aus Gründen Zuhören und Themenklau kam. Nein, das war der Zwang zu handeln. Und da Frau Merkel völlig innovationsfrei denkt war Abschalten der logische, da einfachste Schluss.

    Ander Themen wie Bankenkrise, Griechenland Chaos, Flüchtlinge rein oder raus... alles Sachzwängen geschuldet.

     

    Diese Reagieren auf (z.T. selbstprovozierte) Krisen und Sachzwänge und keinesfalls ein "Vorweggestalten" ist mein Hauptvorwurf an Merkel.

    • @Tom Farmer:

      Zum ersten Absatz. Diese Erkenntnis setzt sich bei vielen durch angesichts Umfragen von 39% für CDU und 9 % Lindner. Das reicht für die Bimbes-Mövenpick-Koalition.

       

      Grauslich, aber so darf dann die SPD stets als erste ran ans Pult im Bundestag. Demokratie-hygienisch betrachtet hat die SPD dann doch eine "wichtige Rolle" für die BRD. Gauland darf sich dann wenigstens nicht als "Oppositionsführer" ins verstaubte Sakko werfen.

       

      Und die TV-Sender würden bei einer Replik auf einen Schwarz-gelben immer zuerst auf den Fraktions-"Furtsden" Schulz zugehen müssen.

  • Guter Artikel, Danke dafür!

    M. E. ist vor allem ein starke Opposition wichtig, wer als Kanzler*in quasi verwaltet ist eher zweitranging

  • Deutschland wird sich leider, leider mittelfristig mit der weiteren Machtkonstellation CDU/CSU (mit oder ohne FDP) + einer gemäßigt rechtsnationalen Petry-Weidel-AfD konfrontiert sehen.

     

    Die Spaltung & Ausfransung der AfD-Bundestagsfraktion wird noch vor Jahresende einsetzen.

     

    Machtpolitisch werden wir Versuche rechter CDU-Kreise erleben mit Fraktionen in Landtagen zu flirten, die nicht von der ganz fiesen, offen rechtsextremen Gauland, Höcke, Bystron, Fronmeier-AfD dominiert werden.

     

    AfD-Pazderski im Berliner Abgeordnetenhaus macht als alter Stahlhelm-Kommisskopp schon mal auf "Heinrich Lummer" und will mitregieren. Zum Glück läuft die nächste Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus erst 2021 zeitgleich mit der BTW 2021. Zu knapp um Berlin als Versuchsballon CDU/FDP/gemäßigt-rechtsnationale AfD auszuprobieren. Es sei denn R2G-Berlin zerlegt sich vorher.

     

    In den Ländern könnten auch skandinavische Tolerierungskonstellationen drohen.

     

    In Norwegen & Dänemark halten sich seit Jahren konservativ-rechtsliberale Regierungen mit Duldung einer gemäßigten, aber dennoch höchst unappetitlichen Rechtsaußen-Partei im Regierungssattel (Dansk Folkeparti oder Fortschrittspartei in Norwegen).

     

    Kaffeesatzlesen? Mag im Moment so aussehen. Der geradezu machiavellistische Trieb der CDU/CSU gepaart mit dem Selbstverständnis Deutschland "gehöre" sowieso den Konservativen würde nach medialer Vorbereitung durch Springer, Burda, Focus, Cicero diesen Weg befördern.

     

    Merkel geht irgendwann in Ruhestand. Als Nachfolgeaspirant putzt Jens Spahn schon an der Pickelhaube, die im 21. Jh. natürlich mit Nachtsichteinrichtung daherkommt und Auto-Translate. Dann klappt´s auch mit der Bier- und Mett-Igel-Bestellung im Lokal.

    • 7G
      74450 (Profil gelöscht)
      @Daniel L:

      Sie übersehen eines: eine gemäßigte rechtsnationale Petry-Weidel-AFD würde nicht gewählt werden. Dieser Platz kann die CSU sehr gut ausfüllen, da braucht es keine zweite Partei. Die AFD kann bundespolitisch nur als Rechtsaußen überleben.

       

      Minderheitsregierungen haben in Deutschland keine Tradition und kaum Durchsetzungschancen. Wenn überhaupt, bilden sie kurze Phasen des Übergangs.

      • @74450 (Profil gelöscht):

        Im Grunde haben Sie Recht, was den Punkt Minderheitsregierung anbetrifft. Den Einwand hatte ich erwartet.

         

        Allerdings preise ich bei der CDU immer (!) deren eiskalten Machtinstinkt ein. Zumindest für Übergangsphasen könnten Rest-AfD-Parlamentarier stets brauchbar sein. Niedersachsen-Wahl, sage ich nur schon mal. Auf den Bund bezogen wird man einigen an der Bundestags-Bar beim Pils die Aufnahme in die CDU-Fraktion anbieten.

         

        Darüberhinaus halte ich eine gemäßigt, rechtsnationale Petry-Weidel-AfD quasi als bundesweit ausgedehnte CSU leider durchaus für chancenreich. In Bayern würde die CSU das sicher unterdrücken. Den Part deckt sie in der Tat selbst ab.

  • "Sie schenkt nichts her. Man muss eine Kampagne entfachen, die anhaltenden Lärm erzeugt und Zustimmung bei vielen Bürgerinnen und Bürgern erfährt. Dann raubt sich Merkel das Thema."

    Und das beschreibt auch, wie sich Demokratie gewandelt hat. Früher hat man die gewählt, die die gleichen Wertvorstellungen hatten, wie man selbst. Dann hat man sich bequem zurück gelehnt im Glauben, dass die, die ähnlich ticken wie man selbst, eine Politik betreiben würden, mit der man leben kann.

    Heute geht es um Macht. Der Merkel, den großen Parteien und den kleinen Parteien. Aber weil alle Macht immer noch vom Volke ausgeht, schielen die Machtlüsternen, was dem Volk gefallen könnte. Und das gibt dem Volk - uns - die Möglichkeit, die Mächtigen vor uns her zu treiben, mit Unterschriftenaktionen, Kampagnen jeder Art.

    Es ist eine völlig andere Art von Demokratie, aber wenn es funktioniert - o.k.

  • SPD Kampange zum Mindestlohn? Waren es nicht die LINKEN die diese Kampange geführt haben, bis CDU und SPD nicht mehr anders konnten???

    • @Reinhard Muth:

      Das stimmt schon. Aber es laut auszusprechen ist Extremismus :-)

  • Gut geschrieben, der Artikel. An einer Stelle bin ich anderer Meinung: die kleinen Parteien werden so beschrieben, als könnten/sollten sie Merkel nur ihre Projekte andingen, auf dass sie sie dann umsetzt. Und schon hätten die kleinen Parteien, was sie wollen.

    Ich fürchte, das vordringliche Ziel der Parteien (nicht nur der kleinen) ist es, an die Macht zu kommen, bzw. so mächtig wie möglich zu werden. Und darum werden sie sich nicht freudig ihre Themen von Mutti wegnehmen lassen nach der Maxime "Hauptsache, das Thema ist durch". Sie wollen selbst damit punkten, damit ihr Prozentpunkte ebenfalls steigen.

    Ich fürchte also, sie agieren nicht so weil sie dumm sind und den im Artikel vorgeschlagenen Trick nicht verstehen, sondern weil es gar nicht ihr erstes Anliegen ist.

    Nicht missverstehen: ich gestehe den Parteien, z.B. den Grünen schon zu, dass sie tatsächlich für ihre Ziele kämpfen, aber sie wollen schon auch die Lorbeeren dafür ernten. Geradezu menschlich.

    • @Jalella:

      Oder sie wollen, dass es richtig umgesetzt wird.

  • Ich habe nicht den Eindruck, dass Merkels Wechselsprünge davon abhängen, welcher Koalitionspartner sie trägt.

     

    Die wenigen coolen Gänge, die aus Merkels Regierungsmenü serviert wurden, sind quasi mehr aus Versehen als aus Kalkül entstanden.

     

    Insofern ist es wirklich egal, denn welche Überraschungen Merkel auch produzieren wird, sie können gut oder schlecht sein, meist jedoch aus Versehen.

     

    Den Kardinalfehler machte die SPD, indem sie Merkel 2005 auf den Thron hob, 2013 erneut und in der Zwischenzeit nicht mit allen Kräften daran arbeitete, Machtoptionen jenseits der Union zu erarbeiten.

     

    Schulz ohne echt alternatives Knallerprogramm auf die Bühne zu schicken, was der nächste große Fehler, Themensuche im Wahlkampf der Folgefehler.

    Egal, mit welchem Thema Schulz jetzt auftreten wird, es wirkt, wie auf den letzten Drücker zusammengesucht und wenig glaubwürdig.

    Schulz wurde mit leeren Händen und ohne Text auf die Bühne gejagt und stolpert sich jetzt durch die offene Szene. Peinlich und erbärmlich.

     

    Die Union muss gar nichts tun, nur sich die Hände reiben und Posten verteilen. Eine Regierung gegen Merkel kommt nur noch zustande, wenn sich alle anderen Parteien gegen sie vereinigen.

     

    Das zeigt ihre wahre Stärke.

    • 4G
      4932 (Profil gelöscht)
      @Thomas Elias:

      Ihren Analysen stimme ich auch weitgehend zu. Nur Ihrem drittletzten Satz nicht.

      Es kommen nämlich so viele Probleme von außen (nicht aus der Opposition im Bundestag) auf die nächste Regierung zu, daß es warscheinlich sehr schwitzige Hände sind, die dann gerieben werden. (Frankreich, Europa, GB, USA, ...)

      Und wenn das mit der Türkei jetzt schief geht, dann klebt Seehofer wieder an der Decke und poliert seine Obergrenze.

    • @Thomas Elias:

      Völlige Zustimmung. Sozusagen politische Essenz der letzten 12 Jahre in 11 Sätzen.

       

      Die Ergebnisse der SPD 2009 und der FDP 2013, jeweils nach 4-jährigen Koalitionszeit, zeigen wie vorteilhaft politische Nähe zu Kanzlerin sein kann...

    • @Thomas Elias:

      Jau. &

       

      "Eine Regierung gegen Merkel kommt nur noch zustande, wenn sich alle anderen Parteien gegen sie vereinigen.

      Das zeigt ihre wahre Stärke."

      & leider leider - gell!

      Bei Dr. Helmut Bimbes EhrenwortKohl Hat sie gelernt - wie frauman - selbst Solche(s) - Abserviert!

      Newahr!

      &

      Einen "Kurt Biedenkopf" quasi würde nicht via Kurt I. von Sachsen -

      Eine Wende nochmals retten!

      No. Mehr Beitritt is nich!

      Um im Bild zu bleiben.

      Bitter.

  • Sollen wir uns wirklich damit abfinden, dass Mutti noch vier Jahre lang verwaltet, statt zu regieren? Wird es D wirklich gut überstehen, wenn in einer sich schnell verändernden Welt in unserem Land Aussitzen und Reagieren in Zeitlupe statt Handeln das Vorgehen des Kanzleramts bestimmen.

  • 4G
    4932 (Profil gelöscht)

    Ich möchte noch meine Meinung der Kommune von Herrn Löwisch anfügen.

    Die kleinen Parteien sind so klein, daß ihre Vorab - Forderungen verpuffen würden. Aber mal ganz realistisch. Nach dem großen 'Merkelsiegessonntagabend' bröckelt die Mehrheit der CDU tagtäglich.

    Ganz frisch aus dem EU-Gericht eine weitere Bedrohung Europas (Flüchtlinge für Ungarn), Macrons Forderungen liegen bis zum 25.9.2017 auf Eis, Trumps Krieg mit Nordkorea könnte furchtbar werden und ist nicht vom Tisch, das Diesel/Kfzherstellerproblem ist nicht vom Tisch uvm.

    Und wenn es wieder eine große Koalition würde, dann eine mit sehr aufmüpfiger SPD, die keine 4 Jahre halten würde.

    Wenn es CDU und FDP oder CDU und Grüne werden, dann mit hauchdünner Mehrheit und sehr großer Opposition im Bundestag.

    Jedenfalls sind die gemütlichen Regierungstage für Merkel endgültig vorbei.

    • @4932 (Profil gelöscht):

      Ich glaube irgendwie nicht, dass die Wähler bei zu erwartender Ungemütlichkeit den Kapitän wechseln wollen.

      Und warum sollte die SPD im neuen Bundestag OHNE linke Mehrheit (fürchte ich) aufmüpfiger werden?

      • 4G
        4932 (Profil gelöscht)
        @Peterbausv:

        Kurze Antwort: In meinen paar Zeilen wollte ich sagen, daß es erstmals für eine CDU-Koalition wirklich schwierige externe Probleme gibt bis hin zum Fortbestand Europas (siehe Aufzählung). Zur Ungemütlichkeit wird beitragen, daß sich Frau Merkel zum Einfrieren der Beitrittsgespräche mit der Türkei hinreißen ließ und die Rente mit 70 ablehnte. Die Dieselbesitzer wollen bald eine klare Antwort. Und wenn Trump die NATO in einen Krieg zwingen will, dann wird es sehr ernst.

        Und zur Rolle der SPD als nochmaliger Partner denke ich, daß sich diese Partei nicht mehr in diese Ja-Sagerrolle hineindrücken läßt, die ihr der äußerst wirtschaftsfreundliche (frühere) Gabriel der Partei übergestülpt hatte.

        Ist nur meine Meinung.

        • 7G
          74450 (Profil gelöscht)
          @4932 (Profil gelöscht):

          "In meinen paar Zeilen wollte ich sagen, daß es erstmals für eine CDU-Koalition wirklich schwierige externe Probleme gibt bis hin zum Fortbestand Europas (siehe Aufzählung)."

           

          Der Fortbestand Europas ist doch seit Jahren ein Thema. Mit Atomausstieg, Eurokirse und Flüchtlingszuzug hat Merkel auch schon viele dramatische Themen so abgeräumt, dass sie uns nicht mal mehr als dramatisch in Erinnerung sind.

           

          Die Rente mit 70 ist übrigens zurzeit rechnerisch gar nicht notwendig. Außer ein paar rentenpolitischen Fundamentalisten fordert das aktuell auch niemand. Deshalb ist es für Merkel leicht zu versprechen, in der nächsten Legislaturperiode wird es keine Rente mit 70 geben.

          • @74450 (Profil gelöscht):

            Möchte nur an das Fernsehduell Merkel-Steinbrück vor 5 Jahren erinnern:

             

            Zitat: "Eine PKW-Maut wird es mit mir nicht geben".

             

            Dass unter einer Kanzlerin Merkel in der nächsten Legislatur die Rente mit 70 zumindest vorbereitet wird, halte ich für sehr wahrscheinlich.

             

            Die einzige Konstante, die ich bei Merkel erkennen kann: Immer dann wenn sie eindeutige "Versprechen" abgibt wird das Gegenteil eintreten.

    • @4932 (Profil gelöscht):

      "Jedenfalls sind die gemütlichen Regierungstage für Merkel endgültig vorbei."

       

      Das glaube ich nicht. Ich hoffe sehr, daß Sie recht haben, aber ich glaube es nicht. Die FDP hat sich nach Jahren wohtuender Abwesenheit wieder genug ans Wahlvolk rangewanzt um nicht nochmal an der 5%-Hürde zu scheitern. Und die echte FDP ist Angela sicher lieber als die schlechte, grün getünchte Kopie, die ihre Prinzipien der Machtgier geopfert hat. Die Merkel sitzt zu diesem Zeitpunkt meiner Meinung nach fester im Sattel, als jemals zuvor. Horst in Bayern kann blöken und poltern so viel er will, am Wahltag ist er wieder das brave Schoßhündchen der Regentin. Die SPD hat keine Chance, außer zu hoffen, daß sie wieder Jr-Partner in einer GroKo wird.

      • @TheOrbitter:

        Gut analysiert.

  • "In ihren Positionen ist sie vergleichsweise leicht zu bewegen".

     

    Und wie lässt sie sich wohl von der AfD bewegen (wenn sich eine Koalition mit dieser als alternativlos herausstellen sollte)?

    • @Urmel:

      Machtpolitisch auf Bundesebene stellt sich das Thema in der Tat dann, wenn sich, wie ich erwarte, die AfD-Bundestagsfraktion spaltet in eine gemäßigt-rechtsradikale, das bürgerliche Spektrum ansprechende Gruppe (Petry, Weidel u.a.) und eine offen rechtsextreme Truppe um Gauland, Pohl, Fronmeier, Bystron).

       

      Zunächst über die Länder begleitet von Bild, BAMS und Focus würden sich CDU/CSU und nicht-ganz-so radikale AfD bis 2021 gegenseitig anschleimen. "Argumentativ" mit dem uralten konservativen Rechts=links-Trick nach dem Motto "Was die SPD mit "Die Linke" in den Ländern durfte, dürfen wir dann auch nach rechts!"

       

      Schwarz-braun! Macht Jens Spahn dann den Franz von Papen?

      • @Daniel L:

        So oder so ähnlich könnte es laufen. Und Frau Merkel würde auch das dann der staunenden Wählerschaft wieder als "alternativlos" anpreisen (inklusive Zeigen der Raute).

  • Deshalb: Schwarz-Grün verhindern ist nun das vordringliche Ziel !

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @Nikolai Nikitin:

      Dann machen Sie mal schön.

      Denke aber, dass sich Ihr Einfluss in Grenzen hält, es sei denn, Sie hätten mehr als zwei Stimmen...

      • @571 (Profil gelöscht):

        Ja, wenn Sie mich nicht dabei unterstützen wollen, die Anti-Schwarz-Grün-Message hinaus ins Land zu tragen, dann wird das nix.

        • @Nikolai Nikitin:

          Wäre ja auch wirklich fatal, wenn die FDP nicht mit im Boot wäre.

    • 7G
      74450 (Profil gelöscht)
      @Nikolai Nikitin:

      Genau! Wäre ja noch schöner, wenn Merkel wirklich noch zur Klimakanzlerin werden würde! Wir müssen doch den Diesel retten! :D

      • @74450 (Profil gelöscht):

        Right. Pff ! Pff !

        • @Nikolai Nikitin:

          Man darf Putin und seine Propagandamaschine nicht unterschätzen - USA, Brexit, Frankreich etc.

           

          Inzwischen wirds ein Bisschen subtiler gemacht, aber die Stoßrichtung ist klar: Transparanz - offene Gesellschaft - Direkte Demokratie - Bürgerrechte und Bürgerliche Freiheit, das alles hasst Putin wie der Teufel das Weihwasser...