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Debatte Kritik der WissenschaftVon Lügenpresse zu Lügenforschung

Said Rezek
Kommentar von Said Rezek

Nach den Medien stehen Wissenschaftler in der Kritik. Einige Bürger fühlen sich von kritischen Forschungsergebnissen bevormundet.

Was bleibt uns noch, wenn wir nicht mehr Blei gießen dürfen? 😭 Foto: dpa

Was fällt den sogenannten Experten eigentlich ein, uns die Freude an liebgewonnenen Traditionen zu nehmen? Und überhaupt. Was erlauben die sich, unsere (Vor-)Urteile in Zweifel zu ziehen? Ich pfeife auf die gekauften Studien!“ Aussagen wie diese hört man derzeit häufiger.

Sie schallen aus den zahlreichen Filterblasen des Internets und den Kommentarbereichen der Medien – und zwar immer dann, wenn mal wieder irgendeine Studie verbreitete Vorurteile widerlegt. Auf die Wissenschaft zu schimpfen ist derzeit en vogue. Beispiel gefällig?

Die EU verbietet ab April den Verkauf der beliebten Bleigießsets. Reflexhaft holten die Internetnutzer zum Rundumschlag gegen mehr oder weniger sinnvolle EU-Verordnungen aus. Angefangen vom Krümmungsgrad der Gurken und Bananen über einheitliche Kondomgrößen bis hin zum Verkaufsverbot von Glühbirnen. Droht jetzt der nächste Coup?

Blei ist bereits in geringen Mengen giftig. Gerade beim Erhitzen entstehen laut Umweltbundesamt gesundheitsschädigende Dämpfe. Dementsprechend hat die Europäische Union in ihrer Chemikalienverordnung neue Grenzwerte für das Metall in Produkten festgelegt. Und das ist sinnvoll.

Feinstaubdebatte vor Silvester

„Schaffen wir doch Silvester einfach ab und Weihnachten wie Ostern gleich mit dazu“, beschwert sich dennoch ein Focus-Online-Leser. „Bleigießen ist eine deutsche Tradition, diese ganzen Experten sollte man auf den Mond …“ In Wahrheit geht das Bleigießen auf die alten Römer zurück. Von den Gesundheitsgefahren durch Bleidämpfe dürften die nichts gewusst haben. Statt jetzt auf die Experten zu schimpfen, könnte man die Regelung ja auch begrüßen. Besser spät als nie!

Aber so einfach ist es nicht mit den Traditionen. Sie werden oft unhinterfragt praktiziert, sind identitätsstiftend und stärken das Zusammengehörigkeitsgefühl. So weit so gut – zumindest solange damit keine gesundheitlichen Gefahren einhergehen. Zigaretten- und Alkoholkonsum sind aber Paradebeispiele für gesundheitsschädliche Angewohnheiten. Umso schwieriger ist es, sich davon zu lösen. Erkenntnisgewinn hin oder her – wie im Falle des Bleigießens.

Man sucht sich eben aus, welche Befunde man anerkennt und welche nicht

Nachvollziehbar ist die Frage, ob die EU den Verkauf von Bleigießsets verbieten musste oder mehr Aufklärung ein probates Mittel gewesen wäre, um dem mündigen Bürger die Entscheidung zu überlassen. So geschehen im Falle der Feinstaubdebatte vor Silvester. Das Umweltbundesamt warnte in einer Broschüre zum Jahreswechsel „vor extremen Feinstaubmengen“ in der Nacht zum 1. Januar. Es bat die Bevölkerung, „einen Beitrag zur Verminderung der Feinstaubbelastung in der Silvesternacht zu leisten“. Ein indirekter Aufruf zum freiwilligen Verzicht auf Böller und Raketen. Die schädliche Wirkung von Feinstaub ist übrigens auch wissenschaftlich belegt.

Man sucht sich's aus

Diese Erkenntnisse mindern aber dennoch nicht des Deutschen Liebe für die Böllerei. Der Silvesterumsatz der pyrotechnischen Industrie ist innerhalb der vergangenen sechs Jahre um fast 20 Prozent gestiegen. Wissenschaftler würden sich unter dem Weihnachtsbaum wahrscheinlich unbeliebt machen, wenn sie kurz vor Neujahr für einen Verzicht plädierten.

Unliebsame Wahrheiten wollen viele gar nicht erst nicht hören. Selten hat im vergangenen Jahr ein Forschungsergebnis so eingeschlagen wie die Religionsmonitor-Studie. Sie stellt eine positive Arbeitsmarktintegration in Deutschland lebender Muslime fest. Unmittelbar nach Veröffentlichung der Studie wurden in den Kommentarspalten die Studienergebnisse angezweifelt. Frei nach dem Motto: Es kann nicht sein, was nicht sein darf. Zu lesen waren Sätze wie „Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast“.

Said Rezek

ist freier Journalist und Politikwissenschaftler mit dem Schwerpunkt Integration und Migration.

Bei negativen Integrationsergebnissen wäre die Studie von den Kritikern wohl bejubelt worden, ohne die Studie auch nur ansatzweise anzuzweifeln. Man sucht sich eben aus, welche Befunde man anerkennt und welche nicht.

Aufklärung ist out

Denn es gibt auch sogenannte Experten, denen die Menschen nur allzu gerne glauben möchten. Über die Hälfte der Bevölkerung stimmte 2010 Sarrazins These von den vermeintlich vererbten Bildungsdefiziten von Muslimen zu. Diese Argumentation ist rassistisch und widerspricht dem kleinen Einmaleins der Sozialwissenschaften.

Aber was soll’s? Hauptsache die „Expertise“ bestätigt die eigene Meinung. Viele dürsten nach leichten, doch offensichtlich falschen Antworten. Sie suchen nach einem Schuldigen für alles Mögliche. Aufklärung ist out. Determinismus ist in. Wir erleben die Wiedergeburt des dunklen Mittelalters im 21. Jahrhundert. Die komplexe Moderne war gestern. Ab heute heißt es, verflucht sei die Forschung.

Was kann die Wissenschaft dagegen tun? Gerade jetzt – im sogenannten postfaktischen Zeitalter – sollten sich Wissenschaftler nicht in Elfenbeintürme zurückziehen, sondern ihre Erkenntnisse mit einer möglichst breiten Öffentlichkeit teilen. Nicht nur in Fachzeitschriften, sondern auch in sozialen Netzwerken, wo Verschwörungstheorien Hochkonjunktur haben.

Im Zweifel für die Tradition

In der Antike verloren die Boten schlechter Nachrichten nicht selten ihren Kopf. Als Überbringer schlechter Nachrichten droht Wissenschaftlern heutzutage zumindest Rufmord. Sie laufen Gefahr, in Ungnade zu fallen, sobald Ergebnisse nicht die Meinungen der Leser bestätigen. Wer „Lügenpresse“ schreit, dem geht auch „Lügenwissenschaft“ leicht über die Lippen.

Forscher unterliegen jedoch weder den Zwängen der Politik noch der Medien. Sie müssen weder wiedergewählt werden, noch haben sie den Auflagendruck im Nacken, sondern sind idealtypisch ausschließlich der Wahrheit verpflichtet.

Aber auch Wissenschaftler geraten an ihre Grenzen. Manche Menschen können nicht mit Fakten überzeugt werden. Im Zweifel halten einige trotz wissenschaftlicher Erkenntnisse lieber an Traditionen oder Vorurteilen fest.

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35 Kommentare

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  • Aktuell meldet sich Transparency International mit der Liste von 2017:

     

    RankCountry201720162015201420132012Region

     

    180Somalia9108888Sub Saharan Africa

    179South Sudan1211151514N/ASub Saharan Africa

    178Syria141318201726Middle East and North Africa

    177Afghanistan1515111288Asia Pacific

    175Sudan161412111113Middle East and North Africa

    175Yemen161418191823Middle East and North Africa

    171Equat. Guinea17N/AN/AN/AN/AN/ASub Saharan Africa

    171Guinea-Bissau171617191925Sub Saharan Africa

    171Korea, North17128888Asia Pacific

    171Libya171416181521Middle East and North Africa

    169Iraq181716161618Middle East and North Africa

    169Venezuela181717192019Americas

    167Angola191815192322Sub Saharan Africa

    167Turkmenistan192218171717Europe and Central Asia

     

    Die letzten Plätze werden ausschließlich von muslimischen Ländern gehalten. Wie katastrophal die Lage ist, zeigen die beiden Ausnahmen. Nord Korea gilt als Synonym des Bösen und Venezuela ist ebenfalls ein ganz spezieller Staat. Turkmenistan nimmt den letzen Platz in Europa ein. Auch wenn sich keine direkte Konvergenz ablesen lässt, zumindest bietet der Islam keinen Schutz vor Korruption.

  • "Forscher unterliegen jedoch weder den Zwängen der Politik noch der Medien. Sie müssen weder wiedergewählt werden, noch haben sie den Auflagendruck im Nacken[.]"

     

    geht ja mal bemerkenswert an der Realität vorbei. Angesichts der Finanzierungsmechanismen, denen man sich unterwerfen muss, angesichts von Deadlines und dem weitbekannten "publish or perish" ist der Druck mindestens so gross (vor allem, wenn man nicht festangestellt ist) und man will es sich u.a. garantiert nicht mit Politikern und Medien verscherzen.

  • Forschungsergebnisse (politisch) zu verwenden und zur Untermauerung von Forderungen einzusetzen - andere wiederum schlichtweg zu ignorieren, das ist ja nun nix neues. Bspw. aus der Drogen-Debatte lange bekanntes Verhalten.

    Allerdings ist es auch in den Medien zu beobachten, das scheinbare Wahrheiten aus Forschungen konstruiert werden, anstatt (wahrheitsgemäß) auf begrenzte Übertragbarkeit oder Gültigkeit hinzuweisen. Dem Leser wird das sowohl als auch, das in vielen Forschungen steckt viel zu selten zugemutet, statt dessen Komplexität unstatthaft reduziert.

  • Forscher haben genauso dass Problem dass Sie Ihre Arbeit nur finanziert bekommen wenn es Ihnen gelingt dafür gesellschaftliche Akzeptanz und Unterstützung zu generieren bzw... um einen Posten zu erhalten sind unbequeme Positionen oft auch nicht sehr förderlich ... es ist in der Wissenschaft wie überall ... Bissi Politik, bissi Netzwerken und ein bissi was Arbeiten ... wenn man sich einbildet dass ignorieren zu können landet man schneller als es einem lieb sein kann im Abseits ...

  • 8G
    82732 (Profil gelöscht)

    Da fällt mir gerade so ein...:

     

    "Die Wissenschaft hat festgestellt,

    Festgestellt, festgestellt,

    Daß Marmelade Fett enthält.

    Fett enthält.

    Drum essen wir auf jeder Reise,

    Jeder Reise, jeder Reise,

    Marmelade eimerweise,

    Eimerweise. [...]"

  • Dass Bleigießen so lange erlaubt war überrascht mich doch etwas mehr als dass Bleidämpfe schädlich sind.

    • @JammerLammy:

      Man hat sich ja auch irgendwie damit abgefunden, dass Bleirohre für Trinkwasser seit 1973 nicht mehr zulässig sind (10–15 % der Haushalte haben heute allerdings immer noch Bleirohre). Bei den Spätfolgen von Bleivergiftung auf das Nervensystem grenzt es an ein Wunder, dass man überhaupt noch zu so einer Regelung gekommen ist.

  • Es wurden hoffentlich zur Feststellung der Giftigkeit keine Versuche an Lebewesen gemacht.

  • Eine Studie die beweist daß Stickoxide beim Diesel giftig sind ist selbstverständlich korrekt und es sind SOFORT Gegenmaßnahmen zu treffen. Daß auch Diesel und selbst Elektroautos Dreck produzieren, stört im Augenblick nur. Jetzt müssen WIR erstmal verbieten.

     

    Meine uralte Forderung mal in den ÖPNV zu investieren ist völlig illusorisch, überzogen, idiotisch, nicht durchsetzbar, nicht finanzierbar, nicht machbar und auch überflüssig. Wenn sie sich in den linksgrünen Kreisen mal so richtig unbeliebt machen wollen: bleiben sie penetrant. Nach deren Meinung reicht es das Autofahren zu verbieten. Dazu gibt es doch wissenschaftliche Versuche (mit Affen?) die das beweisen.

  • 8G
    8545 (Profil gelöscht)

    Wie kommt es, dass Bleigießen verboten wird aber keine Dieselfahrzeuge, und wer profitiert?

    Wieso wurden Glühbirnen verboten, und wer profitiert?

    Wie "frei" ist die Wissenschaft und hat sich da in den letzten Jahrzehnten was verändert und wenn ja, wer profitiert?

    Schade, dass ihr hier nur an der Oberfläche bleibt!

    • @8545 (Profil gelöscht):

      Wer profitiert? - Das sind immer wieder die gleichen Leute, die profitieren: Manager und Konzernlenker.

       

      Seit einigen Jahren haben Manager und Konzernlenker eine neue Geschäftsidee aus dem Hut gezogen, um den Bürgern das Geld weiterhin aus der Tasche ziehen zu können - die geplante Obsoleszenz. Mit der geplanten Obsoleszenz (künstlich den Verschleiß oder die Alterung von vielen Produkten zu beschleunigen) wird heute viel Geld gemacht.

       

      Welcher Jugendliche hat heute noch sein Smartphone länger als ein Jahr? (Psychische Obsoleszenz)

      Warum gehen Geräte schon nach einigen Jahren kaputt? (Indirekter Verschleiß)

      Warum sind Reparaturen heute so teuer geworden, dass sie sich nicht mehr für den Endverbraucher lohnen? (Ökonomische Obsoleszenz)

      Weshalb gibt es Verpackungen oder Flaschen, die sich nicht vollständig entleeren lassen? (Geplanter Mehrverbrauch)

       

      Und die Wissenschaft? Wissenschaft kann nicht „frei“ sein, solange Forschungsgelder nicht „frei“ fließen. Mal davon abgesehen, bekommen auch nur die Institute Forschungsgelder, die im Sinne der Wirtschaft „forschen“.

  • So einfach ist es leider nicht. Wissenschaftler sind in den seltensten Fällen nur der Wahrheit verpflichtet, sondern auch Geldgebern oder im Zweifelsfall ihrer Universität. Und gerade im Bereich der Sozialwissenschaften tauchen zahlreiche Hindernisse auf dem Weg zu objektivem Erkenntnisgewinn auf: Methodenwahl, Fragestellung, Zielsetzung, usw.usw.usw. Dennoch neigen gerade in der Öffentlichkeit auftretende Wissenschaftler und Experten dazu, einen Alleinvertretungsanspruch auf die Wahrheit anzumelden - den sie in den seltensten Fällen auch seriös einlösen können. Auch die Einordnung in den Gesamtzusammenhang kommt meistens zu kurz, Bleigiessen ist das beste Beispiel. Zwar mag das gesundheitsschädlich sein, aber was ist dem schönen alten Brauch? Ist er wichtig oder unwichtig, sollte er auf dem Altar des Totschlagarguments Gesundheit geopfert werden oder nicht? Diese Abwägungen werden gar nicht erst vorgenommen - denn selbstverständlich sind auch die meisten Experten davon überzeugt, dass ihr Fachgebiet das Wichtigste ist. Die Wahrheit liegt wie so häufig in der Mitte: man sollte sich neuen Erkenntnissen nicht verschliessen, aber eine gesunde Portion Skepsis in Bezug auf wissenschaftliche Erkenntnisse ist durchaus angebracht.

  • Die schädliche Wirkung von Feinstaub ist übrigens auch wissenschaftlich belegt.

    Und interessiert nur (wie der Toyota Abmahnverein Umwelthilfe) wenn es in die politische Ideologie passt. Jede Art von Holzverbrennung ist noch schädlicher als der ganze PKW Verkehr. Per LKW wollen alle ihre Bananen von Rotterdam und das WC Paper aus der Fabrik.

    Und dann abends zum Spaß ein Feuerchen, die Mülltonne ist auch schon voll.....

  • Amerikanische Wissenschaftler haben unlängst festgestellt, dass sich Hühneraugen auch ohne Hahnentritt vermehren §;-))

  • "Es bat die Bevölkerung, „einen Beitrag zur Verminderung der Feinstaubbelastung in der Silvesternacht zu leisten.“

     

    Da will ich doch schwer hoffen, dass sie beim ausdrucken einen Laserdrucker verwendet haben: In Büros mit diesen Geräten liegen die Feinstaubbelastungen um das 20 fache über den Werten, die an viel befahrenen Autobahnen gemessen werden.

  • Nachtrag:

    Das organische Bleiverbindungen hoch giftig sind ist eine Binse. Trotzdem will ich weiter Blei giessen!

    Die EU Schadet sich selbst wenn sie ihre Bürger mit noch so wohlgemeinten Verboten traktiert. Aufklärung is ok Verbote sind es nicht. Ausserdem wird hier das Demokratiedefizit der EU schmerzhaft deutlich. Wo ist der Politiker den ich für dieses Verbot abwählen kann!?

  • Und wenn das Forschungsergebnis nicht ins Weltbild passt, steckt Monsanto oder der Teufel dahinter. siehe BFR und Glyphosat.

  • Stimmt alles, leider gibt es aber eben auch käufliche Wissenschaftler. Wenn man ein bisschen sucht findet man schon jemanden der die eigene Meinung vertritt und notfalls gibt schon jemand die passenden Ergebnisse in Auftrag. Das als "Forschungsinstitut" firmierende Lobby- Unternehmen der Automobilindustrie, EUGT, ist ja gerade in den Schlagzeilen, aber dergleichen gibt es natürlich überall. Die Wissenschaft ist weder ideologiefrei noch unkorrumpierbar und muss eben auch selber gegen ihre schwarzen Schafe kämpfen. Die großen Wahrheiten wir der Klimawandel sind aber ja eigentlich immer für jeden erkennbar der halbwegs dazu bereit ist.

  • Man sollte an dieser Stelle nicht vergessen, dass es meist nicht um die Studien selbst geht, sondern um die Berichterstattung über diese Studien und deren "Ergebnisse" d.h. die Schlussfolgerungen der Autoren aus den empirischen Auswertungen.

     

    Dabei dürfen sich auch die taz©-Qualitätsjournalisten an die eigene Nase fassen. Ich erinnere nur an den Kommentar von Frau Schipowski über eine britische Studie zur geschlechterspezifischen Todesquote bei Grippe (https://www.taz.de/!5467839/), der sich lediglich über die offensichtlich nichterwünschte Schlussfolgerung der Studienautoren mockieren konnte ohne auch nur einen echten Kritikpunkt an der Studie zu erwähnen.

     

    Solange Wissenschaftsmeldungen lediglich auf ihren Schlagzeilengehalt geprüft und dann meist noch unvollständig oder gar falsch zitiert werden, kann sich wirklich jeder das raussuchen was ihm gefällt.

     

    Studien, die keine Angabe zu der Grösse der Datenbasis (z.B. Anzahl der Studienteilnehmer, Anzahl der befragten Personen) sind prinzipiell verdächtig und journalisten, die zwischen Spanne, Median und Durchschnitte keinen Unterschied machen resp. noch nicht mal wissen was das ist, sollten nicht über wissenschaftliche Studien berichten.

  • Forschungsergebnisse bevormunden nicht.

     

    Regularien, erlassen von Verwaltungen und Politik können bevormunden.

     

    Im konkreten Beispiel: ja, die Dämpfe sind giftig. Und nein, so groß ist die Tradition nicht.

     

    Aber trotzdem hätte wohl ein Warnhinweis, wie bei Zigaretten, gereicht. Denn kaum einer wird akut oder chronisch von Bleigiessen krank werden. Etwas Zurückhaltung ist manchmal mehr.

     

    In den Siebzigern waren entlang der Strassen sicher viel höhere Bleiwerte zu messen. Der Effekt war viel größer und deshalb ist Blei im Benzin auch zurecht verboten worden. Dank an die Wissenschaftler, die das erforscht haben und dank an die Ingenieure, die das ermöglichten.

  • Reaktionäre und andere Ewiggestrige sind auf dem Vormarsch. Natürlich

    trifft ihr Unmut JEDEN, der anderer Meinung ist. Ob derjenige Politiker ist, Journalist oder Wissenschaftler spielt keine Rolle

  • Das andere Totschlagargument haben wir doch auch noch: die ARBEITSPLÄTZE! Autos sind umwelt- und gesundheitsschädlich, aber egal, die Arbeitsplätze hängen doch dran. Raketen erzeugen Feinstaub? Aber die Arbeitsplätze! Fliegen erzeugt sehr viel CO2? Aber die Arbeitsplätze der armen Piloten und Stewardessen und das Bodenpersonal. Ach, ach, ach.

  • Warum Bildungsdefizite vererbt sein sollen, ich dachte jeder muss für sich selbst lernen. Allerdings neben Zentral- und Süd-Amerikanischen Ländern zeichnen sich laut PISA muslimische Staaten nicht durch überragende Leistungen aus. Die Liste in der Lesekompetenz endet mit:

    66 Indonesia397

    67 Tunisia361

    68 Dominican Republic358

    69 Macedonia352

    70 Algeria350

    71 Kosovo347

    72 Lebanon347

    (en.wikipedia.org/wiki/Programme_for_International_Student_Assessment)

    Länder wie Marokko oder Sudan haben nicht an der Studie teilgenommen.

     

    Andere Studien kommen zum gleichen Ergebnis. So hoch die arabische Kultur auch immer entwickelt sein mag, im Moment geht von ihr keine Intellektuelle Strahlkraft aus. Vielmehr zeigen Berichte aus Saudi Arabien, dass außer familiärem Zusammenhalt wenig kulturelles geschieht.

    • @mdarge:

      Was soll das denn für ein Argument sein? In Ihrer Liste sind 4 von 7 Ländern keine arabisch geprägte Staaten. Und "Lesekompetenz" ist etwas völlig anderes als "intellektuelle Strahlkraft" (was soll das eigentlich sein?).

      Die Liste sagt etwas aus über die Qualität der Bildungssysteme in den Ländern - und auch das nur mit Einschränkungen, denn ganz oben stehen reiche, aber stark autoritär geprägte Länder wie Singapur, Hongkong, China, Vietnam. Wie sieht es mit der "intellektuellen Strahlkraft" dieser Länder aus?

      • @Soungoula:

        Die Liste habe ich nur in Ermangelung einer besseren Liste genommen, wo das Bild deutlicher war. Es geht auch mehr um die Religion als um die Bevölkerung. Da schert nur die DomRep aus der Reihe, die allerdings als eines der Ärmsten Länder überhaupt gilt. Im Vergleich sehe ich DomRep als Maßstab. Dieses von Sturm und Erdbeben geplagte Land steht bildungsmäßig über den EU-Beitrittskandidaten Macedonia, Algeria und Kosovo. Den letzten Platz nimmt das Nachbarland Israels ein, wo eine Stadt Paris des Ostens genannt wurde. Es lässt also den Schluß zu, die Bildung würde in diesen Ländern vernachlässigt. Und ja, China wird mit seinen Stadtstaaten am Rande die Elektromobilität über die Welt verbreiten. In der Kommunikationsindustrie nehmen sie die Schlüsselstellung ein.

  • „Manche Menschen können nicht mit Fakten überzeugt werden“

     

    Mit Trumps Amtsantritt kamen die „alternativen Fakten“ in Mode. Seitdem glauben simple Gemüter, dass sie mit „Fakten“ der alternativen Art genauso richtig liegen, zumal, wenn diese weniger schlechtes Gewissen verursachen. Warum also z. B. die Umwelt schützen, wenn doch ein wichtiger Mann (=Trump) sagt, dass der Klimawandel reine Erfindung ist?

     

    Pippi Langstrumpf war schon vor vielen Jahrzehnten fast so weit, als Astrid Lindgren sie trällern ließ:

    „2 x 3 macht 4 -

    widdewiddewitt und 3 macht 9e !

    Ich mach' mir eine Welt - widdewidde wie sie MIR gefällt ... “

    • @Pfanni:

      "Diese Studien sind von der Pharmamafia gekauft" - Impfgegner.

      "Das hat die Nahrungsmittelindustrie bezahlt" - Veganer.

      .... läßt sich Bildschirmweit fortsetzen, gab es alles schon vor Trump.

  • Zitat: „Auf die Wissenschaft zu schimpfen ist derzeit en vogue. Beispiel gefällig?“

     

    Danke. Nein. Das glaube ich auch so, dass es reichlich Beispiele gibt für dämliches Verhalten in einer 6-Milliarden-Welt. Nur helfen diese Beispiele nicht weiter. Weil: Gegenbeispiele gibt es noch mehr. Die führt bloß niemand an. Zumindest niemand, der mir seine Sicht, die Welt sei beschissen, immer noch beweisen will.

     

    Mein Leben ist keine US-Präsidentenwahl. Ich brauche mich nicht zwischen zwei Parteien zu entscheiden, die sich im Grunde bloß stilistisch voneinander abgrenzen. Ich lebe im Dazwischen. Ich bin, quasi, die Schweiz. Noch geht das, und so lange ich die Chance dazu habe, werde ich Schweiz bleiben, Einladungen aus/in Blasen hin oder her.

     

    Ob Vertrauen im konkreten Einzelfall besser als Kontrolle ist, frage ich mich allenfalls theoretisch. Und zwar vor allem dann, wenn wer das Gegenteil behauptet. Mit meinem realen Leben hat das nichts zu tun. Da geht es eher praktisch zu: Sowohl-als-auch und weder-noch, je Einzelfall, desto Entscheidung. „Die“ Medien geben mir höchstens Denkanstöße. Wie alle Machthaber sprechen sie Empfehlungen aus. Welche ich annehme, entscheide ich. Freiheit ist Luxus, den ich mir ganz gerne weiter leisten möchte.

     

    Übrigens: Dass „Forscher [...] weder den Zwängen der Politik noch der Medien [unterliegen]“, ist schlicht gelogen. Wer sollte rufmorden, wenn nicht „die" Medien? Wer sollte die Budgets kürzen, wenn nicht „die“ Politik oder „die“ fünfte Macht, nämlich „die“ börsennotierte Wirtschaft? Der Mittelstand, hieß es in der Vergangenheit immer zu recht, der Mittelstand, Leute, kann's nicht.

     

    Ach ja, eins noch: Dass manche Menschen nicht mit Fakten überzeugt werden können, stimmt. Nur sind die so ja nicht geboren. Man sollte es also so weit gar nicht erst kommen lassen, finde ich. An Traditionen oder Vorurteilen hängt schließlich nur der trotz wissenschaftlicher Erkenntnisse lieber fest, der gelernt hat, (auch) „der“ Wissenschaft zu misstrauen.

  • 8G
    82732 (Profil gelöscht)

    Heisst das jetzt, dass wenn eine wissenschaftliche Studie zu Stickoxiden in Autoabgasen ergeben hat, dass die völlig unbedenklich seien, ja, dann ist das wohl eben so!? Punkt?

    Und wer hineinbort und fragt, wer da mit welchen Interessen und welcher Finanzierung geforscht und versucht hat, der muss dann ein wirrer Aluhut sein?

    • 8G
      82732 (Profil gelöscht)
      @82732 (Profil gelöscht):

      Ich glaube ich kann dem Meisten in den bisher hier geposteten Antworten auf meinen Kommentar zustimmen:

       

      Man muss eben doch bisweilen die verschiedenen genannten Punkte (bspw. Samplegrösse, Samplezusammensetzung/-abgrenzung, Kontrollgruppe, Wissentschaftlichkeit der Methode, Ergebnisse anderer ähnliche Studien, und auch Glaubwürdigkeit, Neutralität oder Interessenlagen und Auftraggeber, etc.) prüfen und ggf. hinterfragen.

      Der Begriff "Gefälligkeitsgutachten" existiert ja auch nicht erst seit gestern...

       

      Und, ja, Medien und interessierte Gruppen greifen schon gerne mal Teilausschnitte heraus, die eine Story ergeben.

    • @82732 (Profil gelöscht):

      Die Studien auf die Sie anspielen waren zwar technisch, aber eben nicht wissenschaftlich. Und zwar wegen

      - zu kleiner Testgruppe

      - fehlender Kontrollgruppe

      - keine formulierte Nullhypothese

      - ...

    • @82732 (Profil gelöscht):

      Ihr Beitrag ist ein schönes Beispiel für einen signifikanten Teil des Problems. Der besteht nämlich darin, dass ahnunglose Laien neuerdings glauben, sie könnten Wissenschaft beurteilen.

    • @82732 (Profil gelöscht):

      Nein das heißt es nicht.

       

      Ich vermisse einfach das kritische Hinterfragen von Studien und damit meine ich nicht als erstes die Frage, wer eine Studie finanziert hat. Viele Menschen reagieren einfach nur auf Studienergebnisse, aber denken keinen Meter weiter, obwohl es diverse Fragen gibt, die man erst einmal abhaken sollte:

       

      1. Gibt es Studien, die zu ähnlichen oder gegenteiligen Ergebnissen kommen?

      2. Wie aussagekräftig ist die Studie (Anzahl der Studienobjekte, Zeitraum, Methode)?

      3. Da kommt jetzt Ihre Frage: Wer hat die Studie in Auftrag gegeben und wer veröffentlicht die Ergebnisse?

      4. Wie schaut es mit der Glaubwürdigkeit des Studienerstellers in der Vergangenheit aus.

       

      Ja ich weiß, für einen Laien ist es schwierig solche Fragen zu beantworten. Ist aber immer noch besser, als sich nur Aussagen zu suchen, die der eigenen Meinung dienen und alles Gegenteilige zu verbannen.

    • @82732 (Profil gelöscht):

      Nunja dem gegenüber stehen ein paar Studien die das Gegenteil aussagen. Studien werden dann auch durch andere Wissenschaftler überprüft und eventuell sogar wiederholt.

       

      Würden die Leser sich diese mühe, ach mühe so ein blödes Wort einfach drauf los schimpfen ist besser.

       

      Und ich muss dem Autoren widersprechen. Ja die Wissenschaft ist in Gefahr weniger durch die "Lügenwissenschaftlerrufer". Sondern mehr durch Politiker und Jornalisten. Wenn die dafür sorgen, dass keine Mittel mehr zur Verfügung gestellt werden, Aufgrund des druckes der Bevölkerung, ist es auch schwer zu forschen.

       

      Dann haben wir die Situation wie im finsteren Mittelalter, wo eine Gruppe bestimmt was geforscht werden darf und Wissenschaftler werden verfolgt.

       

      Die Situation in den USA zeigt schon den Weg, wo Wissenschaftler aus öffentlichen Gremien gedrängt werden.

    • @82732 (Profil gelöscht):

      Nein. Das heißt, dass solche Studien kritisch betrachtet werden müssen und etwaige defizite sachlich dargelegt werden müssen, ohne dass gleich der gesamte wissenschaftsbetrieb als "lügenapperat" diffamiert wird.