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DB-Konzern in der KritikSo wird die Bahn zur Bürgerbahn

Der Staatskonzern muss sich neu aufstellen, fordert die Initiative Bürgerbahn. In ihrer Bilanz kommt nicht nur die neue Infrago schlecht weg.

Hier fließt zu wenig Geld rein, sagt Bürgerbahn: ein Regionalzug in Brandenburg Foto: Paul Langrock

Berlin taz | Die Initiative Bürgerbahn hält den Zustand der Deutschen Bahn für „beklagenswert“. Der Staatskonzern müsse grundlegend neu aufgestellt werden, damit das deutsche Schienennetz, die Finanzflüsse und das Bahnmanagement modernisiert werden können.

Das sagten Vertreter der Denkfabrik am Mittwoch in Berlin; dort präsentierten sie ihre Bahnbilanz für das Jahr 2023, den sogenannten Alternativen Geschäftsbericht Deutsche Bahn. Für Donnerstag wird der offizielle Jahresbericht der Deutschen Bahn AG erwartet.

Bürgerbahn kritisierte, dass es zwar kleine Änderungen unter dem Dach der Bahn gegeben habe – für die Kun­d:in­nen habe das allerdings keine positiven Folgen. Seit Anfang des Jahres gibt es eine neue Infrastrukturgesellschaft der DB, die sich dem Gemeinwohl verschrieben hat: In der Infrago AG hat die Bahn ihre bisherigen Tochtergesellschaften DB Netz und DB Station und Service zusammengeführt.

Der Konzern will so sein marodes Schienennetz, Bahnsteige und Bahnhöfe schneller modernisieren. „Aktiengesellschaft und gemeinwohlorientiert – dieser fundamentale Gegensatz spielte keine Rolle“, kritisierte Andreas Müller-Goldenstedt, Mitglied im Koordinierungsteam der Bürgerbahn.

Generalsanierung startet in diesem Jahr

Wäre die Bahn wirklich auf Gemeinwohl aus, hätte sie für ihre neue Infrago eine andere Rechtsform wählen müssen, sagte auch Bürgerbahn-Kollege Michael Jung – zum Beispiel eine gemeinnützige GmbH. Und: Die Satzung der Infrago sei so formuliert, dass ein politischer Einfluss hin zu mehr Gemeinnützigkeit unmöglich ist. „Das ist alter Wein in neuen Schläuchen“, durch die Infrago habe sich die Infrastrukturplanung der Bahn bisher nicht merklich verbessert, sagte Jung.

Die Gründung der Infrago als Aktiengesellschaft beruhe auf der „klaren Beschlusslage der Regierungsparteien durch den Koalitionsvertrag“, sagte hingegen ein Sprecher des Verkehrsministeriums der taz. Auch die Gemeinwohlorientierung der Sparte sei dort festgeschrieben.

„Wir sehen die Lösung der Probleme bei der Bahninfrastruktur nicht im Gesellschaftsrecht“, betonte der Sprecher. Es komme vielmehr darauf an, dass das Schienennetz tatsächlich saniert wird. In diesem Jahr starte unter der Infrago die Generalsanierung besonders vielbefahrener Strecken.

Diese Generalsanierung sieht Bürgerbahn ebenso kritisch. Mit ihrem Plan, vor allem Hochleistungskorridore zu sanieren und dafür wichtige Strecken monatelang zu sperren, befinde sich die DB „auf dem Holzweg“, sagte Michael Jung. In der Schweiz hätten Sanierungen zum Beispiel mit einer besseren Organisation der Gleisauslastung auch ohne Vollsperrungen geklappt, heißt es im Alternativen Geschäftsbericht.

Kaum Geld im Nahverkehr

Bürgerbahn bemängelte auch, dass die Bahn und der Bund kaum Geld in den Nahverkehr steckten, obwohl der Großteil der Fahrgäste den ÖPNV nutze. Viel Geld versickere nach wie vor auch in Tochterfirmen des Bahnkonzerns und bringe der deutschen Schieneninfrastruktur damit nichts, sagten die Vertreter der Initiative.

Ein vollständig gemeinnütziges Bahnunternehmen forderte das Bündnis Bahn für Alle, ebenfalls am Mittwoch. Die Deutsche Bahn AG hat zu den aktuellen Forderungen der Initiativen bisher nicht Stellung genommen – eine Anfrage der taz blieb bis Redaktionsschluss unbeantwortet.

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14 Kommentare

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  • "In der Schweiz hätten Sanierungen zum Beispiel mit einer besseren Organisation der Gleisauslastung auch ohne Vollsperrungen geklappt"

    Das mag sein, aber die Schweiz hat eine ganz andere Struktur, sie hat weniger Fläche als Niedersachsen und ihre Metropolen (und Metropölchen) liegen verhältnismäßig nah beieinander. Daher hat sie Schweiz keine längeren Hochgeschwindigkeitsstrecken wie Deutschland, die SBB müssen die Leute nicht über hunderte Kilometer von A nach B bringen. Ich bin mir nicht sicher, ob man zum Beispiel die Hochgeschwindigkeitsstrecke Fulda Göttingen überhaupt ohne partielle Vollsperrungen sanieren könnte, wenn dann würde das aber sicher nur mit deutlich verlangsamten Zügen gehen. Ich bezweifle, dass man dann wirklich schneller unterwegs wäre, und die Baumaßnahmen würden erheblich länger brauchen.

    "Bürgerbahn bemängelte auch, dass die Bahn und der Bund kaum Geld in den Nahverkehr steckten, obwohl der Großteil der Fahrgäste den ÖPNV nutze."

    Liegt ÖPNV nicht i der Verantwortung von Kommunen, Kreisen und Ländern?

  • Danke für die wichtigen Informationen. Die Initiative Bürgerbahn kannte ich noch gar nicht:

    buergerbahn-denkfabrik.org/

  • Na immerhin macht mal jemand auf die Strukturprobleme bei der Bahn aufmerksam, dass habe ich bei den Streiks der Lokführer vermisst. Teilweise konnte man dort den Eindruck gewinnen, dass sie Schuld an allen Misständen bei der Bahn sind. Zudem wird auch der fehlende Einfluß des Bundes und allgemein fehlender politischer Wille bei der Diskussion häufig vernachlässigt. Aber warum auch Poltik und Management in die Verantwortung nehmen, wenn man dem Arbeiter die Schuld geben kann.

  • Die Bahn ist kaputt.



    Und zwar nicht (nur) was Infrastruktur, Personalstruktur und Mangement angeht sondern die Bahn ist fundamental kaputt.

    Das Konzept "Bahn" wurde von der Politik bewusst und sehenden Auges vor die Wand gefahren.

    Und daran ändern wird sich nichts. So lange, bis die Bahn zu Gänze am Boden liegt, nichts mehr geht und die Auswirkungen für den Wirtschaftsstandort Deutschland nicht mehr kaschiert werden können.

    • @Bolzkopf:

      Als ziemlich regelmäßiger Nutzer der Bahn habe ich eher den Eindruck, das die Bahn - wie so vieles in Deutschland im Moment - schlechter geredet wird, als sie ist. Natürlich müsste viel mehr investiert werden, neue ICE- und S-Bahn-Strecken gebaut werden, neue Fahrzeuge beschafft werden, neue Technologien erprobt werden. Aber trotzdem ist die Bahn ein weitgehend bequemes und funktionierendes Verkehrsmittel. Und gerade was den Bau neuer Strecken angeht, ist es nicht die Bahn, die bremst, sondern die Politik (z B. Hamburg Hannover).

      • @Ruediger:

        Mit Verlaub: Offenbar sind sie nicht darauf angewiesen, dass ihr Zug pünklich einläuft damit sie ihren Anschluß bekommen...

        • @Bolzkopf:

          Ich versuche tatsächlich nach Möglichkeit, Umstiege zu vermeiden, aber das geht natürlich nicht immer. Und Verspätungen sind immer ärgerlich, die Bahn soll ein schnelles Verkehrsmittel sein. Nur: ihr Lösungsansatz (wenn das einer sein soll) zu warten, bis die Bahn gänzlich am Boden liegt, um dann, ja was eigentlich, anders zu machen, scheint mir wenig zielführend und auch bei dieser "Denkfabrik" sehe ich wenig konkretes. Verspätungen haben ihre Ursache meist in technischen Problemen, überlasteten Strecken und Personalmangel. Die Bahn ist ja schon dabei Strecken zu sanieren, daher die angemeckerten Streckensperrrungen, es müssen neue Züge beschafft werden und neue Strecken gebaut werden. Aber ich habe nicht den Eindruck, dass das Management der Bahn hier verhindert, da muss die Regierung Geld in die Hand nehmen. Auch nicht hilfreich ist, dass jedes noch so kleine Infrastrukturprojekt der Bahn (siehe Sternbrücke) auf Nimby-Widerstand stößt, von neuen Strecken ganz zu schweigen und dadurch massiv verzögert wird. Da muss vielleicht die Politik auch neue Verfahren ermöglichen und den Gegnern der Baumaßnahmen Möglichkeiten nehmen.

  • Viel entscheidender als die Rechtsform und das Baustellenmanagement ist der Durchsetzungswille und echte Eigenständigkeit gegenüber dem Fahrbetrieb des ehemaligen Monopolisten. Da bin ich mir bei beiden Punkten immer noch nicjt sicher, ob das wirklich gewollt ist.

  • Alle Bahnhofsgebäude an sontige Nutzer vermieten, von Wohnen bis Biliardkneipe, ne windige Bank auf den schmal abgezäunten Bahnsteig, und das is dann 'Infrastruktur'. wetterschutz weg, Wartesaal weg, Auskunft weg, Fahrkartenverkauf weg, ... Das machen die seit Jahrzehnten mit großer Freude - da kann nichts besser werden.



    Ludwigshafen hat zwei Bahhöfe im Zenrum. Im "Haupt"bahnhof gibts nichtmal nen Fahrkartenschalter, und der sehr nette und rasche Verkauf in "Stadtmitte" is leider seitens ortsunkundiger Reisender nicht auffindbar: Erst war er in einem Einkaufszentrum versteckt, jetzt 200 Meter vom Bahnhof weg in der Stadtinformation. Sanierte Bahnhöfe, teils unter Regie der DB, teils der Stadtverwaltungen, mit Fahrkartenverkauf im Bahnhofs-Shop, sind eine gute Lösung, jedoch viel zu dünn gesät. Geld für Gebäudeunterhalt oder für Bahnhofspersonal is keins da. Nur für Boni ...

  • Die Bahn kann man optimieren.



    Wichtiger ist es, unsere Verkehrspolitik zu optimieren, und das heißt, die teuren -zig Milliarden jährlich für Auto und Flug einzusparen.



    Und CO2 ebenso endlich angemessen zu bepreisen.



    Was die Bahn automatisch wieder ins Geschäft bringt. Trotz der CSU-und FDP-Minister.

  • Diese "Bürgerinitiative Bürgerbahn" verkennt, dass sich die Gemeinnützigkeit einer gemeinnützigen GmbH unmittelbar aus der Abgabenordnung und der dortigen Aufzählung ergeben muss. Nur welchen dort benannten konkreten Zweck sollte diese Gesellschaft erfüllen?

    • @DiMa:

      Mobilität von Menschen ist gemeinnützig.

      • @Littleneo:

        Gemeinnützige Zwecke sind im Paragraf 52 Abgabenordnung abschließend geregelt. Die "Mobilität vom Menschen" ist darin. Ich aufgezählt, daher ist die Gründung einer gemeinnützigen GmbH nicht möglich.

        Wenn Sie jedoch die "Mobilität von Menschen" ganz universal für gemeinnützig halten, dann der gesamte DB-Konzern ja bereits gemeinnützig und es braucht überhaupt keine Änderung (allenfalls die Auslagerung der Logistiksparte). Interessantes Ergebnis Ihrer Ansicht ist, dass mein PKW hierdurch ja auch gemeinnützige Zwecke erfüllt.

      • @Littleneo:

        "Mobilität von Menschen ist gemeinnützig."



        Ja, wenn sie auch für die Menschen auf dem Land gilt und nicht nur in Ballungszentren und Städten. Momentan aber ist der ÖPNV eher ein StadtPNV, welche die Menschen der kleinen Orte links liegen lässt und somit zum Auto zwingt.