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Corona-ImpfungenImpfpflicht oder Imagepflege?

Dominik Baur
Kommentar von Dominik Baur

CSU-Chef Markus Söder möchte, dass eine Impfpflicht für Pflegekräfte geprüft wird. Ihm geht es dabei um Infektionsschutz, aber auch um Söder.

Ministerpräsident Söder beim Besuch des Corona-Impfzentrums München im Dezember Foto: Bayerische Staatskanzlei/imago

J essas, der Söder schon wieder! Jetzt will er auch noch eine Impfpflicht – und dominiert mal wieder die Schlagzeilen. Gut wäre es, ließ der CSU-Chef die Süddeutsche Zeitung wissen, „wenn der deutsche Ethikrat Vorschläge machen würde, ob und für welche Gruppen eine Impfpflicht denkbar wäre“.

Eine vorsichtige Äußerung. Eigentlich. Aber zugleich, und das weiß Söder, eine, die das Wort „Impfpflicht“ überhaupt erst einmal in die Welt hinausposaunt. Ein Begriff, der es in sich hat. Einer, der das Zeug dazu hat, Wasser auf die Mühlen der Coronaleugner zu sein. Hätte man da nicht bedachter …, wäre nicht Aufklärung der bessere … und sollte man nicht erst …? Viele Konjunktive drängen sich auf. Natürlich kann man den Vorstoß Söders, der auf Impfverweigerer unter den Pflegekräften abzielt, unklug finden.

Und natürlich kann man sich fragen, was diesen Söder schon wieder umtreibt. Die einfachste Antwort wäre: Er prescht halt gerne vor. Dass der bayerische Ministerpräsident den öffentlichen Diskurs lieber anstößt und bestimmt, als ihm seinen Lauf zu lassen und sich als Nummer fünf zu Wort zu melden, ist bekannt.

Was freilich noch nichts über den Ausgang der Diskussion aussagt. Wenn einer vorausläuft, heißt das noch nicht, dass die anderen hinterherlaufen. Söder achtet immer darauf, dass die nötigen Hintertürchen offenstehen. So geht es ihm ja ohnehin um keine generelle Impfpflicht, und die Verantwortung schiebt er für alle Fälle dem Ethikrat zu. Am Ende wird Söder somit nicht als Verlierer dastehen, sondern als der, der vorangegangen ist.

Söder geht es auch um die Sache

Man muss Söder nicht böse wollen, um bei ihm immer auch ein Kalkül in eigener Sache zu vermuten. Und wenn Söders eigener Koalitionspartner, die Freien Wähler, nun sofort reflexartig aufschreien: „Nein zu einer Impfpflicht“, hat die Imagepflege auch bestens funktioniert: Die Rollenverteilung – hier der Koch, da der umherirrende Kellner – ist klar.

Söder ist Machtpolitiker durch und durch und macht es einem nicht leicht, in seinem Handeln Motive zu sehen, die nichts mit der Person Söder zu tun haben. Dennoch weiß der Mann um seine Verantwortung angesichts der Bedrohung durch Corona, und man sollte ihm abnehmen, dass es auch die Überzeugung in der Sache ist, die ihn antreibt. Denn schließlich sterben die Menschen in den Heimen – ohne Konjunktiv.

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Dominik Baur
Bayernkorrespondent
Jahrgang 1971. Seit 2015 Bayernkorrespondent der taz. Davor unter anderem zehn Jahre Redakteur und Ressortleiter bei "Spiegel Online", seit 2009 frei. Mitglied des Journalistennetzwerks beschreiber.de.
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19 Kommentare

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  • Warum die Frage "Impfflicht ja oder nein" an der Person Söder abgearbeitet wird, ist mir nicht ganz klar. Ich kenne 2 Fälle, in denen Menschen wegen etwas anderem als Covid ins Krankenhaus gekommen sind, dort aber vom Pflegepersonal mit Covid infiziert wurden und dann an Covid im Krankenhaus gestorben sind. Ich bin also auch dafür, dass Menschen, die in Pflegeberufen arbeiten und in Kontakt mit besonders gefährdeten Menschen sind (Alten oder Kranken) sich impfen müssen, wenn erwiesen ist, dass sie im Fall einer Infektion Covid nicht weitergeben können. Ob das nach einer Impfung zutrifft, scheint noch in den Sternen zu stehen. Sobald aber alles dafür spricht, dass eine Impfung andere davor schützt, dann ist es ein MUSS wie das Tragen einer ordentlichen Maske.

  • Bevor Impfstoff verfügbar war wurde die Impfbereitschaft in den Pflegeberufen auf rund 80% geschätzt. Derzeit liegt sie bei etwa 50%. Dieselbe Schätzung prognostizierte für die Durchschnittsbevölkerung eine Impfbereitschaft von etwa 50%. Sollte sich im Sommer herausstellen, dass diese Schätzung in auch nur annähernd ähnlichem Maße zu optimistisch war zeichnet sich, insbesondere unter Berücksichtigung der B.1.1.7-Variante, ein massives Problem ab, weil dann die freiwilliger Basis erreichbare Impfquote nicht ausreichen wird die Pandemie zu stoppen. Was dann?

  • 4G
    4813 (Profil gelöscht)

    Wer sich nicht gegen Corona impfen lässt, kann in der Pandemie nicht in der Pflege arbeiten.



    Da braucht es keine Impfpflicht.

  • 0G
    01068 (Profil gelöscht)

    Soso, jetzt wird also das Pflegepersonal an den Pranger gestellt.



    Sowohl von Söder, als auch gebilligt von der Taz, wenn sie von "Impfverweigerern" unter dem Pflegepersonal spricht.



    Wenn sich Pflegekräfte garn nicht, oder nicht jetzt, oder noch nicht impfen lassen, werden sie ihre Gründe haben, und die sind zu respektieren. Sie als "Impfverweigerer" zu bezeichnen und sie damit absichtlich in eine Schublade mit den Querdenkern zu werfen, ist anmaßend und ignorant, aber, das gebe ich zu, es ist sehr effektiv, um die Debatte weiter aufzuheizen. Eine differenzierte Berichterstattung tut Not!



    Pflegekräfte, um die es hier geht, arbeiten 1. schon Jahre, für wenig Geld am Limit.



    2. seit Beginn der Coronaproblematik in Deutschland musste in der Pflege mit Maske gearbeitet werden, da hat die Bevölkerung noch nicht einmal darüber nachgedacht, beim shoppen eine Maske aufsetzen zu müssen. In der Pflege werden sie 8h pro Tag getragen, tw. 30 - 38h pro Woche. . . tw. ohne Einhaltung der Tragepausen, tw. "schwere" Masken zum Fremd- und Eigenschutz. Auch das ist kein Genuß.



    3.Die persönlichen Kontakte wurden in Eigeninitiative über die Lockdownmaßnahmen hinaus eingeschränkt, ja, man kann noch weniger Menschen treffen, als offiziell erlaubt ist, auch im harten Lockdown, zum Schutz der Heimbewohner/innen und Patienten. . ..



    4. Seit Anfang 2021existiert eine Testpflicht, und es ist unangenehm, sich alle 2 Tage in der Nase zu stochern lassen.



    Und jetzt sollen sich die Pflegekräfte bitte ausnahmslos impfen lassen? Und zwar mit einem Impfstoff, von dem man eher weniger als mehr weiß, eines aber sicher, der Fremdschutz ist noch nicht einmal nachgewiesen.



    Das ist ganz dumm von Söder und von allen, die auf diesen Zug aufspringen.

    • RS
      Ria Sauter
      @01068 (Profil gelöscht):

      Ihr Kommentar trifft den Punkt. Zustimmung!

  • Ich denke Markus Söder hat den Punkt schon überschritten bei dem es ihm mit seinen Äußerungen nicht mehr um den Infektionsschutz geht, sondern nur noch um seine persönlichen Ambitionen.

    Wie sagte Horst Seehofer: „er hat charakterliche Schwächen“.

    • 9G
      91491 (Profil gelöscht)
      @Argonaut:

      Das sagt ausgerechnet Horst Seehofer.



      Soll das ein Witz sein?

  • Däh&Zisch - Mailtütenfrisch - ergänzt so

    “ Die Überschrift Impfpflicht hatte mir geigentlich schon genügt. Weiterlesen musste sein - und verursacht Fassungslosigkeit und Kopfschütteln. " 'Gut wäre es, ließ der CSU-Chef die Süddeutsche Zeitung wissen, „wenn der deutsche Ethikrat Vorschläge machen würde, ob und für welche Gruppen eine Impfpflicht denkbar wäre'."



    Das nennt sich also politische Führungsstärke. Der Ethikrat soll bitte das empfehlen, was mir genehm, damit ich mich dahinter verstecken kann. - Aber es geht ihm ja auch um "die Sache". Es bleibt spahnend.“







    kurz - Wohl wahr. Wollnichwoll.

  • Interessante Gegenüberstellung

    Ich blättere gerade in meinem alten Impfausweis.

    Es stimmt.

    .... Bis zu ihrem 18. Lebensjahr bekamen Heranwachsende insgesamt 20 Schutzimpfungen - staatlich verordnet.....

    Da ich das hier schreibe bin ich, zumindest im Moment, noch da.

    Söder ist mir egal.

    Impfpflicht oder nicht.

    Ich weiß nicht auf welche Seite ich mich schlagen soll.

    www.ardmediathek.d...1hNmVhMzIzN2E0YWM/

    www.mdr.de/zeitrei...zialismus-100.html

    • 4G
      4813 (Profil gelöscht)
      @Ringelnatz1:

      Was hätte aus uns Ossis werden können...

  • Söder hat verstanden, ausgelaugte und angeschlagene Pflegekräfte, die seit dem Frühjahr ständig Überstunden schieben, stecken sich schneller mit Coronavirus an. Zudem gibt es wenig Pflegefachkräfte und zu wenig mit der entsprechenden Zusatzqualifikation. Sollten diese jetzt auch noch ausfallen, kollabiert das System. Diese Kräfte können durch Niemanden ersetzt werden. Die Konsequenzen sind dramatisch und es fällt natürlich auf die Parteien zurück, die schon 12 Jahre am Ruder sind, wohlgemerkt 12 fette Jahre. Sowas kann in einem Wahljahr vernichtet sein und deshalb wird genau die Strategie weiter gefahren, wie in den letzten Jahrzehnten., das Pflegepersonal wird zur Verfügungsmasse, bleibt also Alles beim Alten. Traurig nichts dazu gelernt.

    • @bleibzuhaus:

      Genau. Söder macht grosse Sprüche, aber wo ist die Aktion? Wird mehr Personal in den Pflegeheimen eingestellt, wird dort getestet, kann positiv getestetes Personal ersetzt werden, wurden mehr Intensivbetten geschaffen,? Habe nichts davon gehört. Dafür will er die Bevölkerung zwingen Masken zu kaufen (klingt sinnvoll, und vor allem kostet den Staat nichts). Impfzwang für Pflegepersonal? Warum nicht Anreize schaffen? Aber das würde auch Geld kosten. Ich habe den Eindruck, Söder redet merkel nach dem Mund um Kanzlerkandidat zu werden. Das Wohl der Bevölkerung kommt irgendwo an irgendeiner Stelle, nach Söder, Söder und eine ganzen Weile nichts.

      • @Gerald Müller:

        Es braucht nur bedingt ine Aktion, es gibt Krankenhäuser die die ihnen zugeteilten Impfdosen nicht abrufen, weil das Pflegepersonal sich nicht impfen lassen will. Gleichzeitig gehen dort Leute ohne Corona ins Krankenhaus und fangen sich dort Infektionen ein.

  • Der Söder ist ja wirklich recht gut darin, die passenden Worte zu finden. Jetzt müsste er, so der denn dazu kompetent ist, nur noch dafür sorgen, dass die bayrische Corona-Politik tatsächlich zu besseren Resultaten führt als in den USA, Schweden oder Großbritannien, wo die Wissenschaft erst gelobt und dann ignoriert wird.

    Die schönen, von der Wissenschaft gut abgestützten Worte allein tun es nämlich nicht, man muss auch machen. You can talk the talk, but what matters is that you walk the walk. Oder um zur Abwechslung mal den alten Kohl zu zitieren: "Entscheidend ist, was hinten rauskommt".

  • Däh&Zisch - Mailtütenfrisch - merkt trocken an:

    “ Sodele... Ihm fällt nix mehr ein: taz.de/Corona-Impfungen/!5739036/ Ist wohl schwierig, Menschen, von denen die Gesellschaft abhängig ist, zu etwas zu zwingen.. Schon wieder ein Dilemma.







    btw.: Wenn ich mir Statistiken und Infektionsverläufe seit Sommer 2020 anschaue, komme ich zu der Vermutung, dass politisches Spitzenpersonal weltweit (bis auf wenige Ausnahmen) nicht an eine "zweite Welle" geglaubt hat.“

    kurz - Ja - Ein Drosten et al. - allein!



    Macht noch kein klug Politikaster - NEIN! NEIN!

    • @Lowandorder:

      Die prognostischen Expertise von Drosten:



      „Im Moment ist meine Einschätzung mehr, dass wir doch eine direkt durchlaufende Infektionswelle bekommen. Das heißt, wir müssen damit rechnen, dass ein Maximum von Fällen in der Zeit von Juni bis August auftreten wird“, sagte Drosten in einem NDR-Podcast.



      Quelle: www.saarbruecker-z...samen_aid-49456735

  • "Dennoch weiß der Mann um seine Verantwortung angesichts der Bedrohung durch Corona, und man sollte ihm abnehmen, dass es auch die Überzeugung in der Sache ist, die ihn antreibt. Denn schließlich sterben die Menschen in den Heimen – ohne Konjunktiv."

    Solange nicht geklärt ist, ob geimpfte Menschen trotz Impfung ansteckend sind, weiß ich nicht, wie man auf die Idee kommen kann, anzunehmen, Söder ginge es um eine andere Sache als "Söder". Und wieso setzt sich die TAZ nicht dafür ein, Pflegekräfte vor machtgeilen Politikern zu schützen. *Kopfschüttel*

  • 0G
    05838 (Profil gelöscht)

    Wie wäre es mit einer fünfwöchigen Schweigeklosterpflicht für denn kleinen Doktor aus Schweinau?

  • Und warum sollte man ihm das bitte abnehmen? Was sind Ihre Belege für diese gewagte Annahme?



    "Dennoch weiß der Mann um seine Verantwortung angesichts der Bedrohung durch Corona, und man sollte ihm abnehmen, dass es auch die Überzeugung in der Sache ist, die ihn antreibt. Denn schließlich sterben die Menschen in den Heimen – ohne Konjunktiv."



    In den Heimen sterben übrigens ständig Menschen. Mit oder ohne Corona. Und wo haben ihn denn die Menschen zuvor bitte interessiert? Warum sind die bayrischen Zahlen immer bei den Spitzenwerten gewesen? Wo war der Schutz der Heime?



    I'm not convinced... from Söder