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Corona-App versagt in Bus und BahnAbstandsmessung ungenau

Wer neben einer infizierten Person saß, wird davon womöglich nicht erfahren. Laut einer Studie funktioniert die Corona-Warn-App im ÖPNV nicht.

Warn-App mit Macken: In Bussen und Bahnen soll sie versagen Foto: Karsten Thielker

Berlin taz | Die Corona-Warn-App ist ein voller Erfolg. So sieht es zumindest die Bundesregierung. Seit ihrer Einführung vor knapp zwei Monaten haben nach Angaben von Regierungssprecher Steffen Seibert mehr als 17 Millionen Bürger die App heruntergeladen. Etwa 1.400 mit dem Coronavirus positiv getestete Nutzer hätten sogenannte Tele-Tans angefordert. Sprich: In mindestens 1.400 Fällen dürfte die Infektionskette auf diese Weise unterbrochen worden sein. Das ist immerhin etwas. Im öffentlichen Nahverkehr versagt die Warn-App aber offenbar.

Forscher um Douglas J. Leith und Stephen Farrell des Trinity Colleges in Dublin sind in einer Studie der Frage nachgegangen, ob die Tracing-Apps aus Deutschland, Italien und der Schweiz auch in Bussen, Straßen- und U-Bahnen funktioniert. Ihr Ergebnis für die deutsche App ist ernüchternd: In der Mehrheit der Fälle gelang es nicht, die Abstände zwischen den einzelnen Nutzern richtig zu ermitteln. Die Studienteilnehmer hatten sich 15 Minuten lang in Bussen oder Straßenbahnen nah beieinander aufgehalten. Trotzdem habe die Warn-App in keinem Fall den Abstandsalarm angezeigt.

Als möglichen Grund für das Versagen der App vermuten die Wissenschaftler, dass Metall die Bluetooth-Signale reflektiert und es in Bussen und Straßenbahnen deswegen zu falschen oder fehlenden Registrierungen der anderen Fahrgäste kommt.

Dabei gilt das Fahren mit Bussen und Bahnen derzeit als eines der größten Infektionsrisiken. Denn ausreichend Abstand zu halten ist oft nicht möglich. Eine funktionierende Corona-Warn-App wäre also gerade an dieser Stelle von großem Nutzen. Das Robert-Koch-Institut (RKI), das die Corona-Warn-App mit dem Softwareentwickler SAP entwickelt hat, äußerte sich bislang nicht zu den Ergebnissen dieser Studie. Sollten die Forscher aber recht behalten, wäre das ein erheblicher Fehlschlag. Noch im Juli hatte das RKI explizit betont, wie wichtig es zur Eindämmung der Pandemie sei, dass die App insbesondere Begegnungen mit Unbekannten im öffentlichen Nahverkehr erfasst.

Die Deutsche Bahn verschärft derweil die Maskenpflichtkontrolle in ihren Zügen. Sie will die Zahl der Kontrolleure bis September mehr als verdoppeln.

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14 Kommentare

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  • Was für ein Abstandsalarm?

  • Ich habe der App von Anfang an misstraut. Auf mein Phone kommt sowas nicht.

  • und nach vielen Studien reichen mitunter auch 1,5 m oder 2m nicht , das sich menschen bewegen , dabei Aerosolspuren erzeugen , die feinen Partikel nur durch Hochgradigste masken aufhalten alssen , welche wiederum nur kurze zeit udn nicht von jedem Tragbar sind ...wir werden mit dem Virus leben müssen ,solange sich gefährdete nicht impfen alssen können ,udn ob es je einen impfstoff gibt ...anderseits dann ein leben im Vollschutz ? ohne soziale Kontakte udn etwas anderes ausser arbeiten und sterben für alle welchen nicht ein sozial kontakloses Leben mit langjährigem Partner in den 4 wänden oder in seinem Häuschen zur Verfügung steht ? wofür dann Leben.

  • Ich glaube nicht, dass die Rechnung mit den 1400 unterbrochenen Infektionsketten aufgeht. 1400 Anforderungen einer Melde-Tan mit 1400 unterbrochenen Infektionsketten gleichzusetzen ist eine Milchmädchenrettung. Die App war wohl ein Griff ins Klo, was die Pandemieeindämmung angeht und man hätte sie auch weglassen können.

  • Die App ist leider schlecht gemacht. Sie sagt mir oft nicht, ob und seit wann sie überhaupt aktiv ist, meint manchmal, dass sie mehr als 24 / 48 Std keine Risiken ermitteln konnte, erfordert ggf. diffizile Feinjustierungen am Betriebssystem www.coronawarn.app/de/faq/ , überträgt keine Daten beim Wechsel der Simkarte und des Nutzerprofils auf ein neues Handy, funktioniert nicht im EU-Ausland, erfasst dort nichtmal Kontakte zu anderen deutschen Touristen, usw.

  • Eigentich... wussten wir das schon. Mich wundert es, dass alle so überrascht tun.

    Zu den Punkten, die @DANNY SCHNEIDER nennt kommt noch die Richtungsabhängigkeit der BT-Antenne: je nachdem wie mein Schmartphone in meiner, das meiner Nachbarin in ihrer liegt, kommen auch noch unterschiedliche Distanzen heraus. Ziemlich unterschiedliche.

  • Mal das fachliche dazu:



    die Corona Applikation verwendet die Bluetooth Sendestärkenregelung zur Entfernungsmessung. Dafür ist diese aber nicht gemacht. Daher ist das schon unter guten Bedingungen eine Schätzung.



    Da es sich dabei und hochfrequenz Handelt hat man viele Dreckeffekte wie Abschirmung und Reflektionen. Und das das in Bussen, Bahnen, Flugzeugen, Autos so ist leuchtet jedem ein der ein wenig Ahnung von Elektronik hat.

    Aber: es ist technisch das einzige was halbwegs nutzbar ist. Was anderes haben wir aktuell nicht.

    • @danny schneider:

      Nichtsdestotrotz ist es wichtig zu wissen, ob es funktioniert und damit sinnvoll ist.



      Auch wenn es das Beste ist, was wir derzeit haben, wenn es nicht zum Zweck taugt, dann nutzt es nicht. Ist ok, wenn wir das jetzt erst feststellen aber wir brauchen jedenfalls keinen Aktionismus, der neue Erkenntnisse ausblendet.

    • @danny schneider:

      Das sehe ich technisch genau so.

      Und das kann man eben nicht der App selbst anlasten - nur um das noch einmal explizit erwähnt zu haben.

    • @danny schneider:

      Naja In-Door-Navigation (IPS) steckt in den Kinderschuhen. Erst seit 2 Jahren ist es überhaupt möglich überhaupt innerhalb von Räumen einigermaßen sinnvolle Navigation zu machen - wenn man auf bisherige Ergebnisse aufbauen will. Das geht dann selbstverständlich mit Machine Learning ;-) Mich wundert dabei, dass das Projekt an SAP/Telekom vergeben wurde, die im besten Fall für Verwaltungssoftware im B2B-Bereich bekannt sind und nicht an Firmen mit einschlägiger IPS- oder App-Erfahrung.

      • @hey87654676:

        Selbst mit platzierten, bekannten, statische Sendern ist eine Indoor-Navigation nicht zuverlässig. Und wir sprechen hier nur von Navigation, nicht einer COVID-19-Gefahren-Analysie.

        BLE ist vollkommen ungeeignet und vermutlich jeder Funk, der ohne absolute Fixpunkte und gegenseitigem Austausch der eigenen, bekannten Position auskommt.

        Und bevor das jetzt jemand vorschlägt: Es wäre wirklich eine Totalüberwachung, wenn jeders Smartphone dauerhaft in alle Welt die eigenen Koordinaten, Gerätetyp (wegen Sendecharakteristik), Höhe und Vitalfunktionen des Eigentümer*in verbreitet. Ungefragt für alle.

  • Däh&Zisch - Mailtütenfrisch - gibt dato ollen Cato - 😱 -

    “ Wahn App, Bahn App, U-Bahn-App - Ein voller Erfolg.



    Ach was! taz.de/Corona-App-...und-Bahn/!5702754/



    de.wikipedia.org/w...Warn-App#Downloads







    Wo man hobelt fallen Spähne



    Corana ist keine Migräne“



    & na & noch dääne -



    “ Joachim Ringelnatz (1883-1934)



    www.lyrik-lesezeic...hte/ringelnatz.php



    Ernster Rat an Kinder



    Wo man hobelt, fallen Späne.



    Leichen schwimmen in der Seine.



    An dem Unterleib der Kähne



    Sammelt sich ein zäher Dreck.



    An die Strähnen von den Mähnen



    Von den Löwen und Hyänen



    Klammert sich viel Ungeziefer.



    Im Gefieder von den Hähnen



    Nisten Läuse; auch bei Schwänen.



    (Menschen gar nicht zu erwähnen,



    Denn bei ihnen geht's viel tiefer.)



    Nicht umsonst gibt's Quarantäne.



    Allen graust es, wenn ich gähne.



    Ewig rein bleibt nur die Träne



    Und das Wasser der Fontäne.



    Kinder, putzt euch eure Zähne!!“

    Genau Genau.

    • @Lowandorder:

      Vielen Dank für den netten Ringelnatz-Link

      Komme mir schon wieder ganz gebildet vor.



      Das zitierte Gedicht ist da zwar nicht zu finden, dafür viele andere.