Claudia Kemfert über fossile Energien: „Die völlig falsche Richtung“

Die G7 haben ein Klimaversprechen verwässert – es soll trotzdem mit den Klimazielen vereinbar sein. Energieökonomin Claudia Kemfert sieht das anders.

Menschen in Lederhosen tragen Masken von Olaf Scholz, Joe Biden und Boris Johnson und tun mit Requisiten so, als würden sie eine Weltkugel über dem offenen Feuer grillen.

Die Erd-Grillsaison ist eröffnet: Oxfam-Protest zum G7-Gipfel Ende Juni Foto: Andreas Gebert/reuters

taz: Frau Kemfert, eigentlich haben die G7 versprochen, ab dem kommenden Jahr kein Steuergeld mehr in fossile Energien in andere Länder zu stecken. Jetzt steht im Gipfelbeschluss vom Dienstag plötzlich: Unter den „außergewöhnlichen Umständen“ seien solche Investitionen in Gas doch nötig, besonders in Flüssiggas. Sehen Sie das auch so?

Claudia Kemfert: Nein. Es gibt bereits ausreichende existierende Flüssiggas-Kapazitäten, die wir jetzt übergangsweise nutzen können. Außerdem sollten wir auch unter außergewöhnlichen Umständen keine Fehlentscheidungen treffen. In der Klimakrise lohnen sich nur noch Investitionen in Erneuerbare, in emissionsfreie Technologien und in Energiesparen. Dafür brauchen wir dieses Geld.

Die G7 sehen da kein Problem: Ausnahmen von dem Versprechen müssen laut Beschluss mit den Klimazielen vereinbar sein und dürfen nicht so angelegt sein, dass sie sich nur rentieren, wenn sie diese sprengen. Fossil und gleichzeitig klimafreundlich sowie wirtschaftlich – gibt es das überhaupt?

Nicht auf dem freien Markt. Wenn man ernsthaft die Pariser Klimaziele umsetzen will, dürfte es gar keine Investitionen in fossile Infrastruktur mehr geben. Kraftwerke, Pipelines und andere fossile Anlagen werden schließlich gebaut, um sie mehrere Jahrzehnte auszulasten – sonst rentieren sie sich nicht. Also läuft man entweder den Klimazielen zuwider oder programmiert bei rechtzeitiger Stilllegung der fossilen Anlagen, dass man Verluste macht. Beides ist falsch.

ist Wirtschaftswissenschaftlerin und auf Fragen der Energiewende spezialisiert. Die 53-Jährige leitet die Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung und ist Professorin an der Leuphana Universität Lüneburg.

Welche Bedeutung haben denn solche internationalen Investitionen der Industrieländer für das weltweite Energiesystem?

Sie sind durchaus bedeutsam. Prinzipiell kann man damit existierende Abhängigkeiten aufbrechen und wichtige Kooperationen anschieben – zum Vorteil aller beteiligten Länder. Technologien und Geschäftsmodelle im Zuge der Energiewende – also erneuerbare Energien, emissionsfreie Technologien oder Elektromobilität – sind enorm wichtig für echten Fortschritt und klimafreundliche Zukunftsfähigkeit.

Die G7-Chefs haben ja auch Verhandlungen über neue Energiewende-Partnerschaften angekündigt, nämlich mit Indien, Indonesien, Vietnam und Senegal.

Solche Kooperationen können goldwert sein. Aber natürlich nicht, wenn man sie für veraltete und klimaschädliche Geschäftsmodelle nutzt. Das ist nachgerade fatal.

Im Senegal will sich Olaf Scholz mit deutschem Steuergeld an neuen Gasfeldern beteiligen, deshalb hat er auf die Verwässerung des Klimaversprechens gedrungen. Was halten Sie von diesem konkreten Projekt?

Es geht völlig in die falsche Richtung. Damit hilft man weder der Wirtschaft dort noch bei uns. Man schafft neue fossile Pfadabhängigkeiten und treibt obendrein die Klimakrise an, unter der Länder wie Senegal besonders stark leiden. Dabei liegen die wahren Zukunftschancen auf der Hand: Man sollte mit dem Senegal wunderbare Kooperationen in erneuerbare Energien und grünen Wasserstoff abschließen. Das würde sich für beide Seiten lohnen.

Arme Länder wie Senegal leiden besonders unter der aktuellen Energiekrise und den hohen Preisen – ist es da nicht verständlich, wenn sie auf die eigenen Rohstoffe zugreifen wollen?

Natürlich. Aber wird die neue Gasquelle überhaupt akut helfen? Nein, denn solche Projekte brauchen Vorlaufzeit. Außerdem löscht man Feuer nicht mit Benzin. Noch mehr fossile Energien zu fördern mag für kurze Zeit Symptome lindern, schon mittelfristig werden sie verschlimmert. Senegal könnte enorm vom Ausbau erneuerbarer Energien profitieren. Die schaffen Versorgungssicherheit, senken Umwelt- und Klimabelastungen und sind zudem viel günstiger als fossile Energie. Das stärkt den Wohlstand dauerhaft und damit auch Demokratie, Freiheit und Frieden.

Die G7 wollen auf Scholz’ Initiative hin noch in diesem Jahr einen Klima-Club gründen für besonders ambitionierte Länder, die sich zusammen Klimaziele setzen und das durch gegenseitige Wettbewerbsvorteile attraktiv machen. Halten Sie das jetzt für glaubwürdig?

Nun, wir haben keine Zeit mehr für schöne Absichtserklärungen. Wenn die beteiligten Länder schnell konkrete und umfassende Vereinbarungen treffen, nämlich die komplette Abschaffung von Subventionen fossiler Energien, die Abkehr von Kohle und den Ausbau erneuerbarer Energien sowie den Ausstieg aus Verbrennermotoren und die Herstellung von grünem Stahl – dann prima. Ein Klima-Club kann dafür eine gemeinsame Basis bilden. Glaubwürdig sind aber nur sichtbare Taten.

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