piwik no script img

Claudia Kemfert über fossile Energien„Die völlig falsche Richtung“

Die G7 haben ein Klimaversprechen verwässert – es soll trotzdem mit den Klimazielen vereinbar sein. Energieökonomin Claudia Kemfert sieht das anders.

Die Erd-Grillsaison ist eröffnet: Oxfam-Protest zum G7-Gipfel Ende Juni Foto: Andreas Gebert/reuters
Susanne Schwarz
Interview von Susanne Schwarz

taz: Frau Kemfert, eigentlich haben die G7 versprochen, ab dem kommenden Jahr kein Steuergeld mehr in fossile Energien in andere Länder zu stecken. Jetzt steht im Gipfelbeschluss vom Dienstag plötzlich: Unter den „außergewöhnlichen Umständen“ seien solche Investitionen in Gas doch nötig, besonders in Flüssiggas. Sehen Sie das auch so?

Claudia Kemfert: Nein. Es gibt bereits ausreichende existierende Flüssiggas-Kapazitäten, die wir jetzt übergangsweise nutzen können. Außerdem sollten wir auch unter außergewöhnlichen Umständen keine Fehlentscheidungen treffen. In der Klimakrise lohnen sich nur noch Investitionen in Erneuerbare, in emissionsfreie Technologien und in Energiesparen. Dafür brauchen wir dieses Geld.

Die G7 sehen da kein Problem: Ausnahmen von dem Versprechen müssen laut Beschluss mit den Klimazielen vereinbar sein und dürfen nicht so angelegt sein, dass sie sich nur rentieren, wenn sie diese sprengen. Fossil und gleichzeitig klimafreundlich sowie wirtschaftlich – gibt es das überhaupt?

Nicht auf dem freien Markt. Wenn man ernsthaft die Pariser Klimaziele umsetzen will, dürfte es gar keine Investitionen in fossile Infrastruktur mehr geben. Kraftwerke, Pipelines und andere fossile Anlagen werden schließlich gebaut, um sie mehrere Jahrzehnte auszulasten – sonst rentieren sie sich nicht. Also läuft man entweder den Klimazielen zuwider oder programmiert bei rechtzeitiger Stilllegung der fossilen Anlagen, dass man Verluste macht. Beides ist falsch.

Bild: Roland Horn
Im Interview: Claudia Kemfert

ist Wirtschaftswissenschaftlerin und auf Fragen der Energiewende spezialisiert. Die 53-Jährige leitet die Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung und ist Professorin an der Leuphana Universität Lüneburg.

Welche Bedeutung haben denn solche internationalen Investitionen der Industrieländer für das weltweite Energiesystem?

Sie sind durchaus bedeutsam. Prinzipiell kann man damit existierende Abhängigkeiten aufbrechen und wichtige Kooperationen anschieben – zum Vorteil aller beteiligten Länder. Technologien und Geschäftsmodelle im Zuge der Energiewende – also erneuerbare Energien, emissionsfreie Technologien oder Elektromobilität – sind enorm wichtig für echten Fortschritt und klimafreundliche Zukunftsfähigkeit.

Die G7-Chefs haben ja auch Verhandlungen über neue Energiewende-Partnerschaften angekündigt, nämlich mit Indien, Indonesien, Vietnam und Senegal.

Solche Kooperationen können goldwert sein. Aber natürlich nicht, wenn man sie für veraltete und klimaschädliche Geschäftsmodelle nutzt. Das ist nachgerade fatal.

Im Senegal will sich Olaf Scholz mit deutschem Steuergeld an neuen Gasfeldern beteiligen, deshalb hat er auf die Verwässerung des Klimaversprechens gedrungen. Was halten Sie von diesem konkreten Projekt?

Es geht völlig in die falsche Richtung. Damit hilft man weder der Wirtschaft dort noch bei uns. Man schafft neue fossile Pfadabhängigkeiten und treibt obendrein die Klimakrise an, unter der Länder wie Senegal besonders stark leiden. Dabei liegen die wahren Zukunftschancen auf der Hand: Man sollte mit dem Senegal wunderbare Kooperationen in erneuerbare Energien und grünen Wasserstoff abschließen. Das würde sich für beide Seiten lohnen.

Arme Länder wie Senegal leiden besonders unter der aktuellen Energiekrise und den hohen Preisen – ist es da nicht verständlich, wenn sie auf die eigenen Rohstoffe zugreifen wollen?

Natürlich. Aber wird die neue Gasquelle überhaupt akut helfen? Nein, denn solche Projekte brauchen Vorlaufzeit. Außerdem löscht man Feuer nicht mit Benzin. Noch mehr fossile Energien zu fördern mag für kurze Zeit Symptome lindern, schon mittelfristig werden sie verschlimmert. Senegal könnte enorm vom Ausbau erneuerbarer Energien profitieren. Die schaffen Versorgungssicherheit, senken Umwelt- und Klimabelastungen und sind zudem viel günstiger als fossile Energie. Das stärkt den Wohlstand dauerhaft und damit auch Demokratie, Freiheit und Frieden.

Die G7 wollen auf Scholz’ Initiative hin noch in diesem Jahr einen Klima-Club gründen für besonders ambitionierte Länder, die sich zusammen Klimaziele setzen und das durch gegenseitige Wettbewerbsvorteile attraktiv machen. Halten Sie das jetzt für glaubwürdig?

Nun, wir haben keine Zeit mehr für schöne Absichtserklärungen. Wenn die beteiligten Länder schnell konkrete und umfassende Vereinbarungen treffen, nämlich die komplette Abschaffung von Subventionen fossiler Energien, die Abkehr von Kohle und den Ausbau erneuerbarer Energien sowie den Ausstieg aus Verbrennermotoren und die Herstellung von grünem Stahl – dann prima. Ein Klima-Club kann dafür eine gemeinsame Basis bilden. Glaubwürdig sind aber nur sichtbare Taten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

17 Kommentare

 / 
  • Worthülsen, Frau Kemfert. Bitte konkrete Vorschläge wie in den nächsten Jahren geheizt bzw. E Autos ans Netz gehen können. Wir werden Erdgas in den nächsten 10 Jahren brauchen. Allein deshalb schon um in der Zukunft ohne fossile Energie auszukommen. Wie sollen die Windräder oder Wärmepumpen hergestellt werden ? Vor allen Dingen von welchen nicht vorhandenen Fachkräften ? Wie sollen hunderttausende Altbauten saniert werden ?

    • @Klempner Karl:

      Na dann erzählen sie doch mal.

      • @kingsley shacklebolt:

        Hab ich doch schon. Dämmstoffe, Fensterrahmen, Glas etc. herstellen geht zur Zeit nur mit fossiler Energie. Der Umbau der Produktion braucht Zeit und Geld.

  • Industrieproduktion drosseln, Standortkonkurrenz beenden, sich auf interationale Abkommen einlassen,



    mit Sammeltaxis Ressourcen besser ausnutzen und allgemein nicht für die Absatzmasse grenzenlos, sondern für Bedürfnisse produzieren. Die Lage ist klar. Nur bei den Regierungen nicht.

  • Claudia Kemfert sagt: "Man sollte mit dem Senegal wunderbare Kooperationen in erneuerbare Energien und grünen Wasserstoff abschließen. Das würde sich für beide Seiten lohnen."



    Und weiter: "Senegal könnte enorm vom Ausbau erneuerbarer Energien profitieren. Die schaffen Versorgungssicherheit, senken Umwelt- und Klimabelastungen und sind zudem viel günstiger als fossile Energie."

    Sorry, aber das sind doch alles nur Sprechblasen & Luftschlösser. Der gleichzeitige Ausstieg aus Kohle, Gas und Atomkraft als Energieträger und ein entsprechender Investitionsstopp führen dazu, dass es in diesem Land keine Versorgungssicherheit mehr gibt. Das Bundeswirtschaftsministerium empfiehlt Unternehmen mittlerweile die Anschaffung von Notstromaggregaten zur Überbrückung von Netzausfällen: www.deutschlandfun...ggregaten-100.html

  • Clubs vertreten ausschließlich die Interessen ihrer Mitglieder. Weder das Klima, noch Autos, Kegeln, Fußbälle etc. haben in den Clubs eine Stimme.



    Wer sich nicht an die völkerrechtlich bindenden Abkommen und Verträge der Weltgemeinschaft zum Klimaschutz halten will, der braucht wohl einen solchen Club für sein Klimamarketing, um den fossilen Irrsinn, aus nationalen ökonomischen Interessen, weiter betreiben zu können.

  • Eine ehrliche Betrachtung der Kohlenstofflobby kann nur zu einem Schluss führen, nämlich dass die gesamte Branche schadensersatzlos enteignet werden müsste.

    Den Unternehmen waren bereits vor 50 Jahren die Folgen des eigenen Handelns bekannt und statt etwas zu ändern, wurde vertuscht, verschleiert, gelogen und lobbyiert, dass sich die Balken nicht einmal mehr nur biegen.

  • Ich denke, dass die Petrolheads aus der SPD jetzt Morgenluft wittern. Kohlekraftwerke kann man ja weiterlaufen lassen. In Saarbrücken hat die SPD gerade das regionale Heizkraftwerk auf Gas umrüsten lassen. War natürlich mit Weitblick! Jetzt müssen die Kunden die Umrüstung von der Umrüstung bezahlen. Frage mich, wie das gehen soll! Fernwärme ist auch so ein Desaster, Saarland hat 20% erneuerbare Energien, da hilft nur noch der Anschluss an RLP.

  • Prof. Kemfert hielt auch im März schon ein komplettes Energie-Embargo für machbar, im Gegensatz zu fast allen die mit dem Thema zu tun haben.

    www.zdf.de/nachric...-russland-100.html

    Da sie im ÖRR sehr häufig als einzige Energieexpertin zitiert wird und in Talkshows sitzt, fällt zu wenig auf wo sie wohlklingende aber exotische Außenseiterpositionen bezieht und fern der Mehrheit in der Fachwelt steht. Das Problem 'false balance' fällt uns gerade auch in der Energiepolitik auf die Füße.

    • @Descartes:

      Was haben Sie gegen gleichzeitige Expertise in Wirtschaft, Energie und Klimawandel. Die wirklich wichtige und gefährliche 'false balance' betrifft die Erderwärmung und die Folgen. --- Grüße aus Sydney

      • @Matthias Schürle:

        "Was haben Sie gegen gleichzeitige Expertise in Wirtschaft, Energie und Klimawandel?"

        Nichts natürlich. Das Problem ist dass Prof. Kemfert in der Elektro- und Energietechnik fachfremd ist, aber in den Medien oft als Expertin genau dazu eingeladen wird, und der Zuschauer dann glaubt ihre Ideen wären der technisch-wissenschaftliche mainstream. Das Thema ist aber auf der technischen Seite leider sehr viel komplizierter.

        Es gibt in Deutschland und der EU viele Lehrstühle für Energietechnik in den Ingenieurswissenschaften. Dort könnte man Leute finden die die technische Seite verstehen, und auch erklären können was aktuell unter Ingenieuren umstritten, Mehrheitsmeinung oder Konsens ist. Leute, die international in peer-reviewed journals und Fachkonferenzen zur Energietechnik kommunizieren, in der internationalen Fachwelt anerkannt und auf dem aktuellen Stand sind.

    • @Descartes:

      Anschließe mich.



      Über Inhalt von @BROT&ROSEN geht sie immer mit einem süffisanten Lächeln drüberweg.



      Sie ist auch ein Fall zum laut mit sich selbst sprechen.

  • Und was ist mit der steigenden Energiearmut?



    "Zwei von drei Personen mit niedrigen Einkommen waren demnach im Mai von Energiearmut betroffen. Gemeint sind damit Menschen, die weniger als 60 Prozent des durchschnittlichen Haushaltseinkommens zur Verfügung haben. Im Vorjahr waren von ihnen dagegen "nur" 49 Prozent betroffen."



    www.heise.de/tp/fe...hicht-7161353.html

    IG Metall und LINKE fordern Gaspreisdeckel.



    www.n-tv.de/politi...ticle23439866.html

  • Die Vernunft findet derzeit und in diesem Land unter der Ampel Koalition kein Gehör mehr.



    Dies ist besonders den Grünen anzulasten, die maßgeblich den öffentlichen Diskurs moral-ethisch aufgeladen haben.



    Sie sind verantwortlich dagür, das der Klimaschutz zugunsten einer deutschen Kriegsbeteiligung aufgegeben wurde..



    Gleichzeitig binden die Grünen nach wie vor viele klimabewusste Wähler mit der irrigen Amnahme, sie stünden für eine Energiewende, Dekarbonisierung, Naturschutz, eine nachhaltige Landwirtschaft.



    Vielleicht würde ein massenhafter, öffentlich vorgetragener Austritt der Klimabewussten aus der Partei helfen.



    Oder eine starke außerparlamentarische Opposition, die Neuwahlen erzwingt.



    Mehr bleibt uns gerade nicht.

  • Wenn WIR in Deutschland nicht ganz schnell aus wichtigen Energieverbräuchen aussteigen und endlich einmal anfangen, uns gemeinsam nachhaltiger aufzustellen, dürfen wir uns nicht wundern, wenn weltweit alle Klimaziele konterkariert werden. Bei G 7 war zum Beispiel auch der japanische Ministerpräsident da, dessen Land genauso von Putins Gas abhängt und es preiswert weiter nutzen kann -nix mit 'Boykott'- und damit günstiger exportieren kann und das bei einem niedrigen Yen-Kurs . In Japan ist Autofahren extrem teuer, Fahrzeuge werden nur zugelassen in Verbindung mit dem Nachweis eines privaten Parkplatzes, darüber hinaus ist das private Fahren mit einer hohen Maut auf fast allen Strassen belegt. Dafür besitzt Japan wie in der Schweiz ein sehr gutes öffentliches Bahnsystem. Japaner reisen weniger ins Ausland, machen keine Kreuzfahrten mehr, sie sind auch in ihrer Abfallwirtschaft sehr nachhaltig aufgestellt, zum Beispiel sieben verschiedene -codierte- Plastikretourbehälter, damit das Recycling besser funktioniert und kein Abfall anfällt. Eine solche organisierte Zivilcourage ist von Kubicki, Lindner & Co wohl hierzulande eher nicht zu erwarten, die ja schon bei der Maskennutzung anfangen rumzumosern und das Rasen auf maroden Autobahnen zum Tabu erklären.Der G 7- Gipfel war eine reine Luftnummer, eine Chance, die Scholz & Co nichts eingebracht hat, ausser Spesen nichts gewesen und eine weitere Zuspitzung der Klimakastrophe unter grüner Beteiligung.

  • 4G
    49732 (Profil gelöscht)

    Das Problem bei solchen Interviews ist leider immer, das die Interviewten in der Regel keine Konsequenzen für Ihre Meinungen oder Vorschläge befürchten müssen. Als Professoring kann man sich vermutlich auch 20% Inflation leisten und ein Haus mit Wärmepumpe. In einer Demokratie muss die Politik den anderen Menschen Sicherheit geben, die nicht eine extrem sichere Position haben. Und das eben auch durch Politische entscheidungenw elche diesen Menschen vetrauen gibt das die Politik sich um sie kümmern. Und das nicht nur mit Almosen.

  • Scholz ist viel zu sehr vermerkelt worden. Es ist sehr die Frage, ob die Jungen in der SPD doch noch etwas bewirken können. Die beiden DPs arbeiten heftig an ihrem Niedergang, deutlich an den Wahlprognosen - für die Merkel Dauerbarometer für ihre verfehlte Politik - feststellbar. Ein Tempolimit ist längst überfällig.