Chinareise von Olaf Scholz: Scholzomat und Menschenrechte
Wie spricht man mit Diktatoren? Das ist gar nicht so schwer. Man greift tief in die Phrasenkiste und lässt bei der „Pressekonferenz“ einfach keine Fragen zu.
D ie Minderjährige, die zu meiner Infektionsgemeinschaft gehört, hält mich für einen Diktator. Ich stelle hierzu fest: Es stimmt nicht, denn wenn schon, dann bitte Diktatorin. Ob es denn schon mal eine Diktatorin gegeben hat, will die Minderjährige wissen. Verdammt, immer diese Fragerei. Die verbiete ich ab sofort.
Bei Nichtbeachten werde ich im Wohnzimmer ein Umerziehungslager einrichten. Dann wird nur noch Hochsilkisch gesprochen, sich um Sauberkeit in der Welpen-Wurfkiste gekümmert und jeden morgen die taz gelesen. Komplett, inklusive der Anzeigen. Natürlich wird dort auch zu lesen sein, dass ich eine lupenreine Demokratin bin und Einmischung in innere Angelegenheiten einer Familie zu unterlassen sind. Frauen können so viel von Männern lernen.
Grundsätzlich wissen wir dank der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, dass es zwei Möglichkeiten gibt, einem Diktator zu huldigen. Der eine Kanzler, Gerhard Schröder, hat es damit versucht, freundschaftliche Bande zu knüpfen und lukrative Jobs in aller Freundschaft anzunehmen.
Der andere Kanzler, Olaf Scholz, macht es ohne Freundschaft und ohne Geld. Er ist subtiler, raffinierter. Scholz ist einfach mal der Erste, der Xi Jinping nach seiner Inthronisierung als Diktator auf Lebenszeit besucht. Er fliegt über 20 Stunden, um 2 Stunden mit Xi dem Großen persönlich zu sprechen. Er bringt ihm eine hungrige Wirtschaftsdelegation mit.
Ein Griff in die Phrasenkiste
Der Deutschlandfunkmoderator Christoph Heinemann fragte noch am Freitagmorgen den SPD-Fraktionsvorsitzenden Rolf Mützenich (den Mann also, den Annalena Baerbock „Mützefasst“ nennt): „Wie spricht ein Scholzomat denn Menschenrechte an?“ Nun, ganz einfach, Herr Heinemann:
1. Man greift routiniert in die Phrasenkiste und spricht sehr lange über „enge Zusammenarbeit“, „globale Herausforderungen“ und dass es „gut und richtig“ ist, was man gerade selbst tut.
2. Man wirft ein, dass man sich mit dem Diktator nicht in allem einig sei und man über diese Differenzen „von Angesicht zu Angesicht“ gesprochen habe.
3. Man vermeidet die ganz bösen Worte, wie beispielsweise „Uiguren“, „Umerziehungslager“ oder auch „Unterdrückung“ oder „Folter“. Denn, mal ehrlich: haben wir nicht alle unsere Em-pfindlichkeiten?
4. Man nimmt eine Bastelschere und schneidet noch im Flugzeug die Passage aus dem Koalitionsvertrag, in der es um eine neue China-Politik geht. Ruft Baerbock an, um an die Ampel-Vereinbarungen zu erinnern, dann kann man ganz ehrlich antworten: „In meinem Koalitionsvertrag existiert ein solcher Abschnitt nicht.“
5. Man beruft sich darauf, dass es immer besser ist, mit jemanden zu reden als über ihn.
6. Man lässt bei der „Pressekonferenz“ im Anschluss an das Diktatoren-Meeting einfach keine Journalistenfragen zu. Frei nach dem Motto: andere Länder, andere Sitten.
Achtung Überwachungskameras!
Ich persönlich als Diktatorin unserer Infektionsgemeinschaft werde nun auch mehr Respekt und weniger Einmischung in meine häuslichen Angelegenheiten einfordern. Den sieben Welpen etwa wird die Milchquelle nur noch zur Verfügung gestellt, wenn sie alle ordentlich nebeneinander liegen und zuvor ein lobqpreisendes Liedchen gebellt haben. Fragen von Tierschützer*innen dazu sind nicht zugelassen.
Im Zimmer der Minderjährigen werde ich eine Kamera installieren – so eine, wie sie an der Wurfkiste natürlich längst angebracht wurde. Mit Nachtmodus und bei Bedarf auch Bewegungsmelder. Man kann sie vom Handy aus in alle Richtungen drehen und auch sprechen. Zum Beispiel: „Bring deine benutzten Taschentücher auf dem Wohnzimmertisch in den Müll!“ Oder „Jetzt mal ganz schnell die Schuhe ausziehen!“
Interaktive Überwachungskameras gehören selbstverständlich zur Grundausstattung einer ordentlichen Diktatur. Das Schöne dabei ist: Kann man überall für kleines Geld kaufen. Meine hat bei Amazon nur 29,90 Euro gekostet. Made in China.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe