Ceta-Ratifizierung: Zeitenwende im Welthandel
Die Post-Ukrainekrieg-Weltordnung erfordert eine Abkehr von diktatorischen Handelspartnern. Die inzwischen veränderte Ceta könnte ein Vorbild sein.
W as passiert mit BASF, VW oder Mercedes, wenn Peking eines Tages das „abtrünnige“ Taiwan angreifen sollte? Können sie ihre milliardenschweren Fabriken und Geschäfte in Fernost komplett abschreiben, wenn Sanktionen gegen Peking erlassen werden? Und: Kann Deutschland dann noch für die hiesige Industrie überlebenswichtige Rohstoffe in China kaufen?
Das ist kein irres Szenario. Laut internen Papieren rechnet das Bundeswirtschaftsministerium bis spätestens 2027 damit – und pocht auf schnellstmögliche Diversifizierung. Neue Handelspartner müssen her – und zwar blitzschnell. Am besten Demokraten.
Die Post-Ukrainekrieg-Weltordnung ist auch für den Handel eine Zeitenwende. Da machen Ampel- und Unionsfraktionäre bella figura, wenn sie nach 13 Jahren zähen Ringens endlich Ceta ratifizieren, den EU-Handelspakt mit Kanada, einem Land mit westlichen Werten.
Weil Konzerninteressen die Demokratie auszuhebeln drohten, ging halb Europa 2015 und 2016 gegen Ceta und TTIP, das Schwesterabkommen mit den USA, auf die Straße. Doch inzwischen geht es nicht mehr um Chlorhühnchen, ungekennzeichnetes Genfood, Umwelt- und Sozialstandards oder Konzerne, die Gesetze mitschreiben dürfen.
Kanada als Partner ist Gold wert
Ceta wurde inzwischen stark verbessert – und entschlackt. In den fünf Jahren, seit das Abkommen bereits teilweise in Kraft ist und die Zölle fast eliminiert hat, nahm der Handel mit Kanada um 30 Prozent zu. Zwar ist das Land mit einem Anteil von 0,6 Prozent am deutschen Handel als wirtschaftlicher Partner ein Zwerg, aber als globaler Mitstreiter für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit Gold wert.
Ceta gilt inzwischen als Vorbild für ähnliche Handelspakte mit dem Mercosur-Staat Chile und mit Mexiko. Es setzt bereits Standards für andere Handelsverträge weltweit. Und ja, es gibt weiter den Haken der Extrarechte für Konzerne. Die Bundesregierung hofft, dass der Investitionsschutz für Unternehmen durch eine sogenannte Interpretationserklärung von Ceta gebändigt wird. Aber die Regierung in Ottawa hat diese Extraregel noch gar nicht abgenickt. Das ist ein Problem, aber im Vergleich zur Abhängigkeit von Autokraten und Kleptoregimen nicht das größte.
Trotzdem nicht zu unterschlagen: Auch der Handel mit Demokratien ist kein Honeymoon. Stichwort Protektionismus. Als „superaggressiv“ kritisiert Frankreichs Präsident Emmanuel Macron die neuen gigantischen US-Subventionen. Zu Recht. Die winken für Windräder oder Solaranlagen aus US-Stahl oder für E-Autos „made in USA“. Tesla prüft bereits, Batterien nicht in Brandenburg, sondern in den Staaten zu bauen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos